In einem sogenannten Regiebuch „Raumperspektive 2035“ benennen die Stadt Köln und ihre rechtsrheinischen Nachbarn Projekte und Prinzipen, mit denen die Region entwickelt werden soll. Dabei kommt vieles zur Sprache, was uns Bürger mit Sorge erfüllt.
Dieser Regieplan wird dem Planungsausschuss der Stadt Bergisch Gladbach am 2. Oktober vorgelegt und ist im Ratsinformationssystem zu finden (s.a. Dokumentation unten). Das Dokument hat deshalb längst eine politische Dimension mit erheblicher Auswirkung auf unsere Stadt und seine Bürger. Dies sollte unseren Mandatsträgern bewusst sein, zumal für die Durchführung der Impulsprojekte und die weitere Planung ein zweistelliger Millionenbetrag bereitgestellt werden soll.
Die Politikermüssen sich auch darüber klar werden, dass Bürgerbeteiligung bei derartigen Themen nicht ausgeschlossen werden darf. Bisher hatte man leider nicht den Eindruck, dass es Politik und Verwaltung damit ernst ist. Erinnert sei nur an die Verweigerung des beschei-denen Vortragsrechtes der Bürgerinitiativen vor den Ausschüssen der Stadt.
Worum geht es im Regiebuch?
Bei dem Regiebuch handelt es sich um das erste Ergebnis einer Vereinbarung, die zwischen Köln und den umliegenden Kreisen und Städten im März 2017 geschlossen wurde. Es soll den Planungsprozess in unserer Region begleiten und präzisieren.
Das Dokument benennt mehrere Schlüsselprojekte, nämlich das Siedlungs-, Mobilitäts- und Freiraumkonzept, eine stadtregionale Dichtestrategie und ein Netz schneller Radwege.
Hinweis der Redaktion: Der Autor dieses Beitrags ist einer der Sprecher des Bündnisses der Bürgerinitiativen GL, die sich in vielen Punkten gegen den geplanten Flächennutzungsplan wenden. Er vertritt hier seine persönliche Meinung.
Beim genaueren Hinsehen eröffnet sich aber mehr, vor allem negative Auswirkungen, die bei einer Realisierung der Planungsideen auf uns Bürger zukommen: Eine erhebliche Verdichtung der Bebauung und massive Eingriffe in das innerstädtische und die Stadt Köln umgebende Grün der Region.
Zudem zeigt bereits die allzu blumig ausgefallene und damit verschleiernde Sprache des Dokuments eine bewusste oder unbewusste Abgehobenheit von der Bürgerschaft mit ihren tatsächlichen Bedürfnissen. Wenn also, wie die Stadtverwaltung in ihrer Mitteilungsvorlage bekundet, eine Einbindung der Öffentlichkeit erreicht werden soll, kann das schon allein aus Sicht der sprachlichen Ausgestaltung des Regiebuches kaum gelingen.
Was steht drin im Regiebuch?
Aber auch die Inhalte des Dokuments müssen uns Bürgerinnen und Bürger mit großer Sorge erfüllen.
Thesen werden zu Tatsachen befördert, für die man keine oder nur unzureichende Beweise liefert. Insbesondere trifft dies auf das Bevölkerungswachstums und die Wohnbedürfnisse der Menschen zu.
Ergebnis dieser fraglichen Argumentation: Um eine Verdichtung der Bebauung (mehr Menschen und vielseitige Nutzung auf derselben Fläche) und eine Verringerung des Grüns kommt man nicht herum.
Geradezu zynisch wirkt es, wenn in diesem Zusammenhang von einer „Qualifizierung des Grüns“ und einer Ertüchtigung für Freizeit und Sport gesprochen wird. Hier wird zum Beispiel über die Bereitstellung von WLAN in öffentlichen Parks visioniert. Gern zeigt man im gleichen Zusammenhang eine Fotomontage, in der Bewohner von Hochhäusern Gemüse anbauen.
Gleichzeitig wird ausgeführt, dass Siedlungen (Ein- und Mehrfamilienhäuser) der Nachkriegszeit mit niedriger Bebauungsdichte und „oft schlecht nutzbaren Grünflächen“ zu entwickeln seien. Da kann man nur noch den Kopf schütteln. Gewachsene Grünflächen, Freiflächen und Gärten, opfern, um Grün zu „qualifizieren“?
Was nicht im Regiebuch steht
Hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung geht man trotz bevorstehender Digitalisierung selbstverständlich weiterhin von einer Zunahme der Gewerbeflächen aus, räumt aber gleichzeitig ein, dass wegen fehlender Zukunftstrends beslastbare Prognosen mit Auswirkung auf die Raumentwicklung nicht vorliegen. Regiebuch? Dieser Anspruch wird auch hier klar verfehlt.
Zu den gerade in diesem Sommer spürbaren Auswirkungen des Klimawandels verliert das Dokument nur wenige Worte. Frischluftzonen oder Kaltluftentstehungsgebiete werden immerhin in einem Klammerbegriff erwähnt, ihre Erhaltung gehört damit aber wohl nicht zu den primären Zielen.
Was den Verkehr der Zukunft betrifft, setzen mehrere Studien auf die Entwicklung des ÖPNV sowie den Fahrradverkehr. Auch hier finden sich Aussagen, denen zunächst leicht zuzustimmen ist. Von einer Regie kann indes nicht die Rede sein, da weder Daten und realistische Vorschläge zur Umsetzung genannt noch Auskünfte darübergegeben werden, wie alles zu finanzieren ist, zumal man hört, dass in Bergisch Gladbach auf absehbare Zeit die Realisierung von Fahrradschnellwegen oder Unterführungsbauwerken im Zusammenhang mit der Erweiterung der S-Bahn am Geldmangel scheitert. Das wird sich sobald nicht ändern.
Wenn es dann in einer der Studien heißt, in außerstädtischen Lagen müsse man die großen Straßen als Teil der Landschaft sehen, die zur Erfahrbarkeit derselben beitragen und nicht ausschließlich Lärm verursachen, darf man sich zudem fragen, ob der Realitätssinn der Verfasser völlig verloren gegangen ist. Mit solchen Bemerkungen liefert man keine Lösung, sondern bewegt sich im Bereich der unverbindlichen Phantasie.
Der FNP im Regiebuch
Eine beigefügte Karte der Region zeigt Potentialflächen für Siedlungserweiterungen. Dabei werden trotz des in Bergisch Gladbach noch nicht verabschiedeten Flächennutzungsplans die im ersten Planentwurf der Stadt Bergisch Gladbach ausgewiesenen Gebiete übernommen. Immerhin wird eingeräumt, dass einige Flächen noch durch den ÖPNV zu erschließen sind und diese erst dann bebaut werden dürften, wenn das ÖPNV-Angebot sichergestellt sei.
In frappierender Offenheit bekennt man sich dazu, dass die Potentialflächen aufgrund einer Luftbildrecherche ausgewiesen wurden. Damit wird einmal mehr die Auffassung der bestätigt, dass auch das von der Stadt Bergisch Gladbach beauftragte Dortmunder Planungsbüro Post und Welters in gleicher Weise bei der Flächenerschließung vorgegangen ist: Vermutlich mit Google-Earth, ohne die Gegebenheiten vor Ort näher zu untersuchen.
Der Baulandhunger erstreckt sich aufgrund der Zusammensetzung der beteiligten Partner auf den rechtsrheinischen Raum. Die Frage bleibt deshalb, ob der linksrheinische Raum nichts zum angeblichen Kölner Flächenbedarf beizutragen hat oder nichts beitragen will.
Wo wird die Bürgerschaft einbezogen?
Schaut man sich die Akteure der „Kooperation Köln und rechtsrheinische Nachbarn“ an, vermisst man zur Zeit die Einbeziehung der Bürgerschaft. Das ist keine Überraschung, zeigt aber die Abgehobenheit, die die beteiligten Institutionen an den Tag legen.
Eine gegenüber den Bürgerinitiativen gemachte Aussage des Geschäftsführers des Vereins Region Köln/Bonn eV., Partner der Kooperation, bestätigt dies: Es sei bewusst nicht beabsichtigt gewesen, in der Planungsphase die Bürgerschaft einzubeziehen. Man sei mit den Partnern des Projektes übereingekommen, zunächst lediglich Experten zu Wort kommen zu lassen.
Das allerdings ist dem Regiepapier mit seiner Sprache deutlich anzumerken. Dabei darf man den Verfassern großes Geschick, uns Bürgern bevorstehende Zumutungen mit wohlgesetzten Worten schmackhaft machen zu wollen, nicht absprechen.
Aufmerksamen Lesern wird aber dennoch nicht verborgen bleiben, um was es tatsächlich geht, jedenfalls nicht darum, eine Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger an der Entwicklung der Region zu ermöglichen. Hinter dem Projekt dürften sich in erster Linie rein wirtschaftsbezogene Interessen versammeln.
Liebe Anja Nuding, ich stimme Ihnen vollkommen zu, dass möglichst keine Naturflächen zubetoniert werden dürfen. Und genau deswegen bin ich für Verdichtung innerhalb(!) bestehender Siedlungen – denn die Alternative ist der Bau neuer Wohnungen und Häuser außerhalb, was viel mehr Verkehr erzeugt, Fläche verbraucht und die grüne Landschaft ‚zersiedelt‘. Nur ein Beispiel: Außerorts sind die meisten auf das Auto angewiesen – in der Stadt nicht. In Großstädten ist es ökologisch durchaus sinnvoll, in die Höhe zu bauen, da es weniger Flächenverbrauch und kürzere Wege bedeutet.
Auch Ihre Anregung, dass mehr Menschen wohnortnah arbeiten sollten statt nach Köln zu pendeln, kann ich unterschreiben. Allerdings müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass dazu mehr Arbeitsplätze und mehr (Klein-)Unternehmen in unserer Stadt nötig sind.
Vielleicht wird sich das Problem in 20 Jahren erledigen, weil dann die meiste Arbeit flexibel von zuhause erfolgt (soweit sie nicht ohnehin von Robotern erledigt wird) und Menschen wieder verstärkt aufs Land ziehen, wo es Platz und günstige Wohnungen gibt. Aber bis dahin müssen wir die Realität des Zuzugs und der ‚wachsenden Städte‘ akzeptieren.
Vielen Dank für den informativen Artikel!
Von dem Projekt „Raumperspektive 2035“ hatte ich bisher noch nichts mitbekommen.
Es ist sehr traurig, dass die Stadtverwaltung sich überregionalen Bauprojekten widmet bevor, das Thema Flächennutzungsplan beendet wurde.
Ich stimme dem Autor in seinen Kritikpunkten voll zu, gerade das Thema „Grünflächen und Verkehr“ wird mal wieder komplett an der Realität vorbei geleitet.
Was mir schleierhaft ist, weshalb in Politik und Wirtschaft immer nur von Wachstum und Effizienz die Rede ist. Wer profitiert vom FNP und der „Raumperspektive 2035“? Es wird so viel Geld und Zeit in Dinge gelegt, die nur darauf ausgelegt sind „Wachstum“ zu fördern, alles effizienter zu gestalten und mehr Steuern in die Kasse zu bringen. Nachhaltigkeit scheint ein Begriff zu sein der im Vokabular vieler Menschen nicht vorhanden ist, oder rein aus „ästhetischen“ Gründen eingesetzt wird.
Was kann man z.B. dafür tun, dass nicht jeder zum arbeiten nach Köln pendeln muss um den Verkehr und die „Verdichtung“ zu entzerren? (Btw, die S11 hatte heute Morgen 120 Minuten Verspätung, 120 Minuten wegen einer Stellwerksstörung in Düsseldorf und die DB ist nicht in der Lage eine Ersatzbahn zu stellen? Und das ist kein Einzelfall, das passiert fast täglich das eine Bahn ausfällt, die nachfolgende fährt nur bis Dellbrück… wo ist da unsere Stadtverwaltung?)
Wie wäre es, wenn sich die Politik mit aktuellen Problemen beschäftigt? Kita Plätze, Ganztagsbetreuung… es gibt bereits einen Mangel und der hebt sich durch Wachstum nicht von alleine auf.
Ich möchte gerne auch noch auf einen Kritikpunkt im Kommentar von U. Kleinert eingehen.
Mit Hinblick auf den „FNP“ hat eine „Verdichtung“ zur Folge, dass Grünflächen bebaut werden. Allein aus diesem Grund ist eine „Verdichtung“ für mich negativ belastet. „Jede Flächennutzung ist mit Umweltfolgen verbunden.“ schreibt das UBA auf seiner Homepage. Unter dem folgenden Link finden Sie alle Informationen zum Thema „Folgen der Flächennutzung“ oder auch „Verdichtung“: https://www.umweltbundesamt.de/daten/flaeche-boden-land-oekosysteme/flaeche/folgen-der-flaechennutzung#textpart-5 .
Die Bewohner einer Großstadt wie Bergisch Gladbach profitieren von den grünen Flächen die sie umgeben. Wenn es im Sommer über Tage hinweg über 30° warm ist, sind es Wiesen und Wälder die wohltuende Abkühlung bieten. Beton und Architektur kann das nicht leisten. Auch „Urban Gardening“ ist vielleicht ein wundervolles Hobby, aber kein Ersatz für Wiesen und Wälder.
Wenn eine nötige Bebauung stattfindet, sollte diese immer unter Berücksichtigung der Umwelt geschehen. Es ist schön, wenn neue Steuerzahler in die Stadt kommen, dies sollte m.M. nach nicht zu Lasten der Lebensqualität geschehen.
Danke für den Hinweis auf das ‚Regiebuch‘. Allerdings werde ich aus dem Beitrag nicht wirklich schlau, er scheint mir ziemlich wirr zusammengewürfelt.
Was an einer ‚Verdichtung‘ schlecht sein soll, erschließt sich z.B. nicht.
Bergisch Gladbach ist kein Dorf mehr – sind es nicht gerade verdichtete Siedlungsräume, die eine Stadt ausmachen? Dabei geht zwar innerstädtisches Grün verloren, aber das ist allemal besser als eine Zersiedlung der Landschaft (die auch mehr Straßen erfordert).
‚Qualifizierung des Grüns‘ mag ein merkwürdiger Technokratenbegriff sein, aber wenn damit eine Gestaltung von Parks und Grünflächen im Sinne der Nutzer*innen gemeint ist, z.B. Spielflächen, Sitzbänke, WLAN und urbanes Gärtnern, dann gerne!
Unverständlich finde ich, warum hinsichtlich des Bedarfs an Gewerbeflächen von „fehlenden Zukunftstrends“ und daher „nicht vorliegenden belastbaren Prognosen“ die Rede ist. Die Trends (Automatisierung bzw. KI, Dezentralisierung, mehr Dienstleistungen, weniger Ressourcenverbrauch) sind klar erkennbar, und hier würde es sich lohnen nachzuhaken: Was bedeuten diese Entwicklungen für die lokale Ebene?
Die Verkehrswende wird sicher nicht an der Finanzierung scheitern, da alles billiger ist als das erschreckend ineffiziente aktuelle Verkehrssystem. Mag sein, dass (auch) das ‚Regiebuch‘ hier recht unkonkret bleibt – aber ist die Feinplanung seine Aufgabe?
Lieber Herr Röhr, mir scheint, Sie suchen etwas zu krampfhaft die Haare in der Suppe. Es gibt sicher Punkte, die kritisiert werden können und sollten – aber Kritik ist überzeugender, wenn sie konkret und, wenn möglich, auch mal konstruktiv ist.