Die KREA ist in den 70ern gegründet worden. Foto: Helga Niekammer

Seit 42 Jahren schon macht die KREA Angebote für Kinder, Jugendliche und Erwachsene in Bildender Kunst, Musik & Rhythmus, Tanz, Theater und neue Medien. Mit 50 wöchentlichen Kursen und jährlich 8000 Teilnehmern ist sie eine feste Instanz in Bergisch Gladbach.  Ulla Forster macht im Gespräch die politische Dimension der Kulturarbeit deutlich.

Die kulturelle und die politische Bildung von Jugendlichen ist derzeit ein großes Thema, auch über „Fridays for Future” hinaus. Ein Grund mehr, mit Menschen zu reden, die schon seit mehreren Generationen sehr erfolgreich mit Kindern und Jugendlichen arbeiten.

Das Bürgerportal sprach mit Ulla Forster, Dipl.-Pädagogin und Leiterin der KREA, über die Anfänge der Kreativitätsschule, über  gesellschaftliche Veränderungen, über ihren Alltag und über ihren Begriff von Bildung.

Hintergrund: Die KREA Kreativitätsschule
Die Kreativitätsschule Bergisch Gladbach, kurz KREA  ist eine Einrichtung der kulturellen Kinder- und Jugendarbeit in Bergisch Gladbach. Als anerkannter Träger der freien Jugendhilfe ist sie Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, in der Landesarbeitsgemeinschaft Kreativitätspädagogik NRW e.V. und im Landes- und Bundesverband der Jugendkunstschulen. Das Team besteht aus pädagogischen Fachkräften und freischaffenden KünstlerInnen.

2017 war großes Jubliäum: 40 Jahre KREA, fünf Jahre KREA KIDS und fünf Jahre KREA-Mobil, und zehn Jahre KREA-Jugendclub. Das angebotene Programm für Jugendliche umfasst Workshops in Breakdance, Streetdance, Graffitikunst und Musikproduktion. Interessant sind aber auch die Vermittlung von Medienkompetenz,  Ferienprojekte, Events, Jobcoaching und Beratungsangebote oder der offene Treff, der sogar kostenfrei ist. Der Krea-Jugendclub wird von Sigrid Brenner geleitet.

Die Kreativitätsschule Bergisch Gladbach e.V. wurde mehrfach ausgezeichnet, beispielsweise für ihr „Kommunales Gesamtkonzept für kulturelle Bildung“ oder mit dem „Young Europe Award“.

Ulla Forster, Geschäftsführerin der KREA. Foto: Helga Niekammer

Bürgerportal: Ich bin heute hier, weil mich vor allem die Gründungsgeschichte der KREA interessiert, die ja eng mit der Kunst verwoben ist. Welche Motivationen trieb die Akteure damals um, eine Kreativitätsschule zu gründen.

Forster: Die KREA ist entstanden 1977 auf Initiative von Künstlern aus dem Bergischen Land, die gesagt haben, wir wollen die Kunst von ihrem hohen Sockel holen, sie nutzbar machen für die Lösung von aktuellen Problemen. Eine Intention, die ähnlich dem Bauhausgedanken ist, der ja auch gerade wieder sehr aktuell ist. Kunst sollte zur Bewältigung des Alltags dienen.

Das Gebäude „An der Wolfsmaar“ in den 50ern. Der Name zeugt von gesichteten Wölfen und von sumpfigen Gelände, der alten Bezeichnung „Maar“.  Foto: Bürger- und Heimatverein Refrath

Ausgangspunkt, eine Kreativitätsschule zu gründen, war also der Versuch, die Gesellschaft kreativ zu gestalten und ein visionärer Gedanke schon Kinder und Jugendliche genau darin zu schulen?

Die Initiative traf zusammen mit Veröffentlichungen von Gunther Wollschläger, einem Kinder und Jugendlichen Psychotherapeut. Er hat Bücher geschrieben über Aggression und Gesellschaft. Inhaltlich geht es um die Frage, wie können Kinder in ihrem Alltag Kunst als Ausdrucksmittel nutzen für das was sie an drängenden Fragen und Interessen haben, für das was raus will.

Es geht um die Frage nach anderen Sprachen, zusätzlich zur verbalen Sprache. Damals, in den 70ern, war das alles noch sehr expressiv. Da wurde beispielsweise ein Fernseher aus dem Fenster geworfen, das sollte dann dem Aggressionsabbau dienen.

Das Internet ist ein wichtiger Teil im Alltag der Jugendlichen. Umso wichtiger ist es, dass Lehrer und Eltern die Kinder und Jugendlichen darin begleiten. In der KREA werden auch Kurse zu Neuen Medien angeboten.

Wie hat sich das KREA Konzept weiterentwickelt?

Heute weiß man, dass die eben beschriebenen Maßnahmen nicht dabei helfen, Aggressionen bei Kindern abzubauen, sondern, dass man Kinder in die Beziehung holen muss. Heute bauen wir auf die neuen Erkenntnissen der Entwicklungspsychologie auf. Wir orientieren uns an der Reggio-Pädagogik. Uns interessiert die Identitätsentwicklung. Was nehmen die Kinder an Herausforderungen und Problemen an? Wie kann man Kinder dazu bringen, Kindern dabei helfen, auf ihre eigenen Berge zu steigen, ohne sie anzuleiten?

Neben den Kreativkursen wird auch ein breites Ferienprogramm für Kinder und Jugendliche angeboten: offene Werkstätten und Ateliers, Musik- und Tanz Workshops, Medienwerkstatt im Jugendclub oder spezielle Angebote für den Kulturrucksack. Foto: Helga Niekammer

Sie sprechen damit indirekt die sogenannten Helikoptereltern an, die ihre Kinder vor Problemen schützen wollen.

Kinder brauchen wirkliche Herausforderungen. Heute ist man sogar so weit zu sagen, Aggressionen können ihre Ursachen darin haben, dass Kinder heute unterfordert sind. Sie wachsen unterfordert und beziehungslos auf. Sie brauchen Stolpersteine in Begleitung.

Eltern sollten ihre Kinder vermehrt an Probleme, also an Herausforderungen heranführen?

Ja, Kinder müssen autonom werden und wir müssen vom Anleiter zum Begleiter werden. Wir haben die Schulpädagogik auf den Kopf gestellt. Wir haben keine Lehrpläne. Wir sind daran interessiert, wie Kinder ihre Welt wahrnehmen und in neue Ausdruckformen übersetzen.

Wir möchten die Kinder nicht darauf abrichten, das zu tun, was wir ihnen vorgeben. Wir gehen ein Stück hinter den Kindern her und versuchen mit ihnen in der Beziehungsarbeit herauszufinden: Wer bist du eigentlich? Was beschäftigt dich in deinem Leben? Wie kann das einfließen in deine Arbeiten?

Das KREA-Team vermittelt Fähigkeiten und Soft Skills mit allen Mitteln der Kunst. Foto: Helga Niekammer

Sie gehen also auf das individuelle Kind weitestgehend ein. Was individuelle Förderung angeht, stoßen Schulen zumeist an ihre Grenzen. Was machen Sie anders?

Wir setzen an den Stärken der Kinder an.  Maximal 6 bis 8 Kinder sind in einer Gruppe. Das ist schon eine ganz andere Voraussetzung. Und wir haben das Privileg, dass wir keine Noten geben müssen. Wir sind hier in einer wertschätzenden Atmosphäre, wir versuchen die Kinder zu begleiten und wir versuchen den Leistungsdruck des alltäglichen Lebens wieder zurückzunehmen.

Das ist ganz wichtig, denn so etwas erfährt man in der heutigen Gesellschaft so gut wie gar nicht mehr. Es wird schon in der Grundschule beurteilt, inwieweit das Kind fähig ist in die weiterführenden Schulen zu kommen. Es wird ein ungeheurer Druck abgeladen.

Uns geht es nicht darum die Kinder zu besonderen Künstlern oder Musikern auszubilden. Wir wollen ihre Persönlichkeitsentwicklung vorantreiben. Wir wollen sie zu starken Menschen machen, die Rückgrat haben. Dazu gehört eben Teamfähigkeit, Flexibilität, Toleranz, Ideenreichtum und eben, dass man sich selber etwas zutraut. Das heißt auch, dass man kommunikativ ist, sich mit Menschen unterhalten und zuhören kann. Das sind wichtige Fähigkeiten, die das reine Fachwissen übersteigen und im Übrigen auch bei der beruflichen Bewerbung gefragt sind.

In der KREA geht es um Beziehungsarbeit. Eltern und Jugendliche können sich bei Problemen auch im KREA-Jugendclub beraten lassen.

Das Handwerk beschwert sich, dass bei den Auszubildenden grundlegende Fähigkeiten fehlen. Kann das denn der schulische Kunstunterricht leisten?

Das ist natürlich von unserem Schulsystem als auch sehr vom Lehrer abhängig. Auf Grund der Größe der Klassen gibt es oft nur nullachtfünfzehn Angebote. Da wird oft mit Wasserfarben gemalt, auf jeweils einem DIN A4 Blatt. Aber interessante Materialien finden keine Verwendung, größere künstlerische Projekte sind kaum möglich. Das ist beim Musikunterricht ähnlich. Es wird viel Theorie gemacht und experimentelles Handeln bleibt auf der Strecke.

Schon im Eingang wird man mit dem vielfältigen Angebot der Krea-Kurse aus allen Sparten der Künste empfangen. Auch der KREA-Jugendclub ist integriert. Der offene Treff im Jugendcafé ist kostenfrei.

Sie sagen, das KREA Projekt wurde vor 40 Jahren ins Leben gerufen, um anliegende gesellschaftliche Probleme anzugehen. Ist der Bedarf an Kreativitätsschulung heute eher noch größer oder hat sich da in Ihren Augen viel getan?

Der Bedarf nach solchen Projekten ist heute eher größer. Ich glaube, dass was wir momentan an Schulangeboten haben, ist Wissensvermittlung und keine Bildung im eigentlichen Sinne. Ich finde, dass wir wirklich wieder die ganze Person in den Blick nehmen sollten. Bei meinen ersten Begegnungen mit dem Bürgermeister habe ich ihm gesagt: Herr Urbach, wir arbeiten im Grunde sehr ähnlich, unsere Arbeit ist eine politische Arbeit, weil wir das Vertrauen in die Gestaltbarkeit von Wirklichkeit erwecken wollen.

Wie wir zusammenleben, wie wir unsere Welt aufbauen, ist eine Sache, die wir gemeinsam lösen müssen. Wir können nicht darauf vertrauen, dass es andere machen. Wir müssen uns selber in allem was wir tun, bewusst werden, dass wir zwar nur ein kleines Rädchen, aber immerhin ein Rädchen im Getriebe sind.

Diese Jugendlichen haben begriffen, was es heißt, die eigene Wirklichkeit zu gestalten.

Sehen Sie einen Zusammenhang von künstlerischer und  politischer Bildung?

Für uns ist es schwierig zu vermitteln, dass die Arbeit mit Jugendlichen eine hochpolitische Arbeit ist und dass es darum geht, die Welt als gestaltbar zu begreifen. Ich meine den Prozess des Übens, des Gestaltens und den dynamischen Wechsel zwischen dem, was ich tue und dem, wie es sich verändert.

Das ist im Grunde übertragbar. Das ist ein Prozess, der mit nichtsprachlichen Mitteln funktioniert. Ziel ist das eigene Herausfinden: wie sind die Wirkungen meiner Handlungen und was braucht es noch um rund zu werden? Das ist eine wichtige Fähigkeit, die man in der Kunst erlernt.

Frau Forster, vielen Dank für das Gespräch

Ein Blick in den Gemeinschaftsraum der KREA, auf eines der Graffiti-Projekte des Jugendclubs. Die kreative Persönlichkeitsentwicklung ist wichtig für den Erwerb von kultureller und politischer Bildung.

Für Kursinteressenten empfiehlt sich ein Blick auf die übersichtlich aufbereitete Homepage der KREA und des KREA-Jugendclubs.

Tag der Offenen Tür ist am 16.6. von 15 bis 18 Uhr.

KREATIVITÄTSSCHULE BERGISCH GLADBACH E.V.
An der Wolfsmaar 11, 51427 Bergisch Gladbach

www.krea-online.de

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SEKRETARIAT:
Ingo Schütze
02204/ 303 101

BÜROZEITEN:
Mo – Fr von 10.00 bis 14.00 Uhr

GESCHÄFTSLEITUNG:
Ulla Forster
02204/ 644 15
ulla.forster@krea-online.de

André Eigenbrod
02204/ 679 13
andre.eigenbrod@krea-online.de

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