Unsere Buchtipps im Juni: Ein Roman über Freundschaft und Liebe, ein Spannungsroman über entfesselte Überwachungssysteme und ein außergewöhnlicher Reise- und Naturbericht.

Sarah Winman: Lichte Tage
„Lichte Tage“ ist ein Buch voller Wärme und Melancholie. Es erzählt die Geschichte von drei jungen Menschen, die auf der Suche nach ihrer Identität schicksalhaft miteinander verbunden sind. Die von der Autorin fein gezeichneten Charaktere erscheinen plastisch wie ein Gemälde vor unserem inneren Auge.
Wir tauchen ein ins Oxford der 50er und 60er Jahre. Nicht das von Touristen wahrgenommene Oxford der Hochglanz-Postkarten sondern die trüben Arbeiterviertel, wo Perspektivlosigkeit und Armut herrschen, sind der Schauplatz des Geschehens. Hier wächst Ellis als Einzelkind auf. Schon früh wird er von seiner Mutter Dora an die schönen Künste herangeführt. Im Mittelpunkt steht ein Kunstdruck von van Goghs Sonnenblumen, der, sehr zum Missfallen des Vaters, im elterlichen Wohnzimmer hängt.
Dora erkennt bald die künstlerische Begabung ihres Sohnes und will ihn fördern. Doch als sie früh stirbt, unterbindet der Vater strikt die Ambitionen seines Sohnes. Ellis erlernt den Beruf eines Tin Man, eines Automechanikers, und versucht hier als Ersatz seine Geschicklichkeit und Kunstfertigkeit auszuleben.
Sarah Winman: Lichte Tage
Klett-Cotta Verlag 2023, € 22,00.
Übersetzt von Elina Baumbach
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In Michael findet er einen gleichaltrigen Freund, der nicht nur seine Interessen und Vorlieben teilt, sondern sie noch verstärkt. Dann muss Michael, inzwischen Journalist bei der Oxford Times, aus beruflichen Gründen nach Südfrankreich reisen und Ellis darf ihn begleiten. Die bunten Farben des Südens, die flirrende Wärme und das gleißende Licht berauschen sie und bringen sich noch näher.
Sie befinden sich in einem Ausnahmezustand und loten ihre Gefühle für einander aus. Als sie auf Annie treffen, scheint ihre Gemeinschaft in dieser Dreierkonstellation perfekt zu sein. Doch dann holt sie der Alltag wieder ein und sie müssen Entscheidungen über ihr zukünftiges Leben mit oder ohne einander treffen.
Eine Dreiecksgeschichte? Eindeutig Nein! Sehr einfühlsam erzählt die Autorin von Freundschaft und den vielen Facetten von Liebe. Gekonnt umschifft sie jedes Klischee und driftet nie ins Kitschige ab. Die poetische Sprache bezaubert und leise Wehmut umweht uns. Ein wunderschönes, lebensbejahendes Buch wie ein Gemälde oder wie eine sanfte Melodie!
(Sylvia Jongebloed)

Anthony McCarten: Going Zero
Ist es heutzutage noch möglich, vollständig unterzutauchen, von Überwachungskameras und -systemen unentdeckt zu bleiben, absolut unsichtbar zu sein? Nicht aufspürbar zu sein? Dieser Frage widmet sich der neue Roman von Anthony McCarten.
Im Rahmen eines groß angelegten Beta-Tests haben sorgfältig ausgewählte Personen 30 Tage Zeit, sich vor einer neuen, gigantischen Überwachungsmaschinerie zu verstecken. Gelingt es ihnen, erhalten sie ein hohes Preisgeld. Werden sie vor Ablauf dieser Frist aufgespürt, gilt dies den Initiatoren des Testlaufs als Erfolg, der zu einer engen, lukrativen Verzahnung von Privatwirtschaft und Staat führen würde.
„Fusion“ nennt sich diese Überwachungsmaschine. Sie ist eine gemeinsame Initiative der großen Tech-Firma „World Share“ und CIA, NSA und FBI. In diesem Beta-Test wird untersucht, ob eine Zusammenarbeit von World Share und dem Staat sinnvoll ist. Die Befürworter glauben, dass dies zu einer neuen Stufe von Ermittlungsmöglichkeiten führt, zu mehr Sicherheit und zu einer frühzeitigen und zuverlässigen Verhinderung von Terrorangriffen und Amokläufen.
Anthony McCarten: Going Zero.
Diogenes 2023, € 25,00.
Übersetzt von Manfred Allié
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Durch hochentwickelte Technologien und Algorithmen, Sicherheitslücken in digitalen Alltagsgegenständen und Ressourcen von CIA & Co kommt ein unermesslicher, nicht versiegender Strom an Informationen zustande. Geopfert wird dafür die Privatsphäre, da durch „Fusion“ der Zugriff auf praktisch alle Gewohnheiten, Geheimnisse und Tagesabläufe von jedem Menschen gewährleistet ist.
„World Share“ ist ein Mega-Konzern, eine fiktive Mischung aus Facebook, Tesla und anderen Tech-Giganten. Der Konzernboss Cy Baxter lebt in unvorstellbarem Luxus und ist von überragender fachlicher Intelligenz. Auf der anderen Seite hat er extreme soziale Defizite und eine etwas pathologische Persönlichkeitsstruktur. Seine Gegenspieler sind ein paar wenige Zweifler vor allem unter den staatlichen Kooperationspartnern.
Die Testpersonen sind ganz unterschiedlich: Amateure wie ein technikferner Senior, aber auch Profis aus dem Bereich Datenschutz und Privatsphäre bis hin zu Kopfgeldjägern, die wissen, mit welchen Tricks Menschen unentdeckt bleiben können.
Doch eine Testperson, nämlich die unscheinbare Bibliothekarin Kaitlyn, fällt Cy schnell auf. Sie legt besonders clevere falsche Fährten und entkommt dem Zugriff der „Fusion“-Teams immer wieder. Schnell entwickelt sich der Test zu einem Duell zwischen Kaitlyn und Cy. Und dann nimmt die Geschichte noch eine überraschende Wendung, von der hier nichts verraten werden soll. Nur so viel – es bleibt spannend bis zum Schluss.
In diesem Roman geht um das Recht auf Privatsphäre, um Spionage, die sich gegen die eigenen Bürger richtet, um Grundrechte und deren Verletzung und um die Frage, wohin eine Gesellschaft steuert, in der die Privatwirtschaft staatliche Aufgaben wahrnimmt, ohne dazu demokratisch legitimiert zu sein. Es ist sehr gut zu lesen, sehr spannend und man möchte es nicht mehr aus der Hand legen, bis man das Ende kennt. Ein tolles Buch, das nachdenklich stimmt.
(Birgit Lingmann)

Doreen Cunningham: Der Gesang in den Meeren
In ihrem Reisebericht begleitet die Umweltingenieurin Cunningham Grauwalmütter auf ihrer beschwerlichen und gefährlichen Reise von den Küsten Mexikos bis in den hohen Norden von Alaska und den Gletschern des Nordpolarmeeres. Whale Watching der ganz besonderen Art und aus der Feder einer Beobachterin, der nicht nur aus beruflichem Interesse die Umwelt am Herzen liegt.
Im Jahr 2013 beschließt die Autorin und alleinerziehende Mutter, sich mit ihrem zweijährigen Sohn auf eine ganz besondere Reise zu machen. Sie befindet sich in einer deprimierenden Lebenssituation, als sie eine Dokumentation über Grauwale sieht. Beeindruckt davon, welche Kräfte diese großen Säuger jedes Jahr mobilisieren müssen, um ihre Jungen zu ernähren, reflektiert sie ihr eigenes Leben.
Doreen Cunningham: Der Gesang in den Meeren.
Rowohlt Verlag 2022, € 23,00.
Übersetzt von Karen Witthuhn
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In diesem Moment großer Verzweiflung fasst sie den Entschluss, es den Walen gleichzutun. Diese Initialzündung reißt sie aus ihrer Lethargie und sie wird aktiv, besorgt Visa, Tickets und arbeitet eine Reiseroute aus. Darüber hinaus liest sie alles über Grauwale, was sie in die Finger bekommt. Sie muss einen Kredit aufnehmen, um diese Reise zu finanzieren, schnappt sich ihren kleinen Sohn und das Abenteuer beginnt.
Grauwale legen pro Jahr bis zu 20.000 Kilometer von Mexiko nach Alaska zurück und wieder retour. Kein anderes Säugetier lässt mehr Strecken hinter sich. Sie bringen ihre Jungen in den warmen Lagunen Mexikos zur Welt und wandern mit ihnen dann zu den sattmachenden Gewässern des Nordpolarmeeres, sozusagen ein Schlaraffenland für Grauwale. Die Anzahl der auf der Welt noch lebenden Exemplare hat sich durch Überfischung, Öl- bzw. Gasbohrungen sowie den Klimawandel im Laufe der Jahre stark dezimiert. Hinzu kommen immer häufigere Walstrandungen an den Küsten ihrer Wanderungen.
Die Autorin bricht in ihrem beeindruckenden Reisebericht eine Lanze für diese faszinierenden Tiere. Hochemotional und spannend erzählt sie von ihren Erlebnissen und dem Gefühl der Ehrfurcht und Solidarität, die sie gegenüber diesen Säugern empfindet. Den Lesern und Leserinnen beschleicht einerseits ein Gefühl von großem Respekt für diese eindrucksvollen Lebewesen und andererseits von großer Wut auf alle jene, die aus reiner Profitgier den Lebensraum der Tiere systematisch abgraben. Ein großartiges Buch, dass den Finger voll in die Wunde legt!
(Sylvia Jongebloed)
Viel Spaß beim Lesen,
Ihre Pia Patt und Birgit Lingmann

Die Buchhandlung Funk existiert seit vielen Jahrzehnten in Bensberg und ist seitdem Bestandteil des kulturellen Lebens von Bergisch Gladbach. Mehr als zehn Jahre waren Pia Patt und Birgit Lingmann (geborene Jongebloed) bereits in der Buchhandlung Funk beschäftigt, als sie im Oktober 2015 das Geschäft von Almut Al-Yaqout übernahmen.
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