Marita Vonk (links) und Michaela Fahner. Foto: Stolzenbach

Der Verein Frauen stärken Frauen in Bergisch Gladbach existiert seit 40 Jahren. Schon bei der Gründung 1985 war häusliche Gewalt der häufigste Grund für Frauen, Hilfe und Beratung zu suchen. Das ist auch heute noch so, allerdings sind weitere Themen hinzu gekommen. Die Anzahl der Beratungen steigt stetig.

Die Themen haben sich in 40 Jahren kaum geändert, der Bedarf ist allerdings kontinuierlich gestiegen: Der Verein Frauen stärken Frauen e.V. feiert sein 40-jähriges Bestehen. Seine drei Einrichtungen Frauenberatung, Mädchenberatung und Frauenhaus haben sich im Laufe der Jahrzehnte zu einem festen Bestandteil der Hilfsangebote im Rheinisch-Bergischen Kreis entwickelt.

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„Unser Kernthema war und ist es, Mädchen und Frauen vor Gewalt zu schützen, sie zu stärken und das Thema öffentlich zu machen“, sagt Vorständin Michaela Fahner. Der Bedarf an Beratung und Hilfsangeboten sei riesig, die Anzahl der Beratungen steige jährlich.

Häusliche Gewalt ist häufigstes Thema

Fahner gibt einen Einblick in die Statistik des vergangenen Jahres: In der Frauenberatungsstelle führten die Fachkräfte 755 Beratungsgespräche mit 430 Frauen. „Manchmal findet nur ein einzelnes Gespräch statt, viele Frauen kommen aber auch mehrmals.“ Die Mehrheit der Frauen, die in die Beratung kommen, hat Kinder. 20 Prozent der Frauen waren alleinerziehend. 

Der häufigste Grund für das Aufsuchen der Beratung ist Fahner zufolge häusliche Gewalt: 64 Prozent der Gespräche wurden zu diesem Thema geführt. Trennung (43 Prozent) und psychische Gesundheit (30 Prozent) spielen ebenfalls eine große Rolle. Weitere Themen sind Migration, Erziehung und finanzielle Sicherheit. 

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„Häufig gibt es mehrere Themen, die miteinander vernetzt sind. Eine Frau, die Gewalt ihres Mannes erfährt, entwickelt beispielsweise psychische Probleme und braucht Unterstützung für eine geplante Trennung“, erklärt Fahner, langjährige Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Bergisch Gladbach. Auch die Anzahl der Seniorinnen nehme zu. Auch diese erlebten häusliche Gewalt, anderen mache die Einsamkeit zu schaffen.

Anfänge im „Hexenkessel“

Schon bei der Gründung stand das Thema häusliche Gewalt im Mittelpunkt.1985 gründeten fünf Frauen einen Verein, um Frauen vor Gewalt zu schützen und in Krisensituationen zu beraten. Zunächst hieß der Verein „Frauen helfen Frauen“. 

1986 eröffneten die Gründungsmitglieder das Frauenzentrum „Hexenkessel“ in Bensberg (es wurde 1994 neutral in „Frauenzentrum“ umbenannt). Angeboten wurden dort Einzelgespräche, Gruppentreffen und Vorträge. „Es kamen immer mehr Frauen in die Beratung und auch die Anzahl der Beraterinnen wuchs“, berichtet Fahner.

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Seit 1992 wird das Frauenzentrum durch das Land NRW gefördert und gilt als anerkannte Frauenberatungsstelle. Schwerpunkte sind physische, psychische und sexualisierte Gewalt gegen Frauen, Trennung und Essstörungen. 1995 zieht das Frauenzentrum in neue Räume in der Gladbacher Fußgängerzone.

Die Frauenberatung ist zugleich auch Interventionsberatungsstelle: Das bedeutet, sie ist erste Anlaufstelle für Frauen, denen häusliche Gewalt widerfährt, und arbeitet dafür eng mit der Polizei im Kreis zusammen. 

Das Frauenhaus

1990 startete das Projekt „Schutzwohnung für misshandelte Frauen“; aus der eigens dafür angemieteten Wohnung wird 1992 das offizielle Frauenhaus. Das Haus stellt die Stadt dem Verein zur Verfügung. Es bietet Platz für neun Frauen und deren Kinder. Die Adresse ist geheim. 

„Frauen, die hierherkommen, wagen einen Neuanfang“, sagt Vorständin Fahner. „Sie lassen ihr altes Leben hinter sich, leben in Anonymität.“ Daher stammen die Frauen, die im Gladbacher Frauenhaus untergebracht werden, nicht aus der Umgebung. „Sie dürfen von ihrem gewalttätigen Mann oder anderen Familienangehörigen nicht gefunden werden.“ 

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„Das Frauenhaus ist ein Neuanfang“

Dass es so etwas wie Frauenhäuser gibt, dürften die meisten Menschen wissen. Vielleicht auch, dass es in Bergisch Gladbach eines gibt – wo genau ist streng geheim, denn die Frauen müssen geschützt werden. Wovor genau? Wer sind diese Frauen? Wie leben sie im Frauenhaus, für wie lange? Und wer bezahlt das alles? Darüber haben wir mit Ruth Bernhardt gesprochen, der Leiterin des Frauenhauses Bergisch Gladbach.

In der Regel werden Frauen über andere Einrichtungen und Institutionen ans Frauenhaus vermittelt – von der Polizei oder dem Jugendamt etwa. Im Jahr 2024 hat das Frauenhaus 62 Frauen mit 33 Kindern Schutz geboten. Sie blieben zwischen einigen Wochen und Monaten bis zu einem Jahr.

„Die Frauen bleiben länger bei uns. Denn wie alle anderen auch, haben wir Schwierigkeiten Wohnraum für die Betroffenen zu finden“, berichtet Fahner. Die längere Verweildauer habe aber zumindest den positiven Nebeneffekt, dass die Frauen anschließend stabiler seien für ihr neues Leben. 

Die Mädchenberatung

Der Bedarf für die Beratung von Mädchen und jungen Frauen steigt im Laufe der Jahre. Seit 2010 gibt es die Mädchenberatungsstelle, die sich an Mädchen und Frauen im Alter zwischen 12 und 27 Jahren richtet. Ein Bestandteil neben der Beratung ist die Präventionsarbeit: Die Beraterinnen arbeiten dafür mit Schulen in Rhein-Berg zusammen, organisieren Fortbildungen für Lehrkräfte.

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Nach einer Vergewaltigung oder einer anderen sexualisierten Gewalterfahrung sind viele Betroffene nicht in der Lage, sofort Anzeige zu erstatten. Deshalb gibt es die Möglichkeit der Anonymen Spurensicherung: So können Beweismittel gleich nach der Tat gesichert und bis zu zehn Jahre anonym gelagert werden. Die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Bergisch hat jetzt einen Kurzfilm produziert, um diese Möglichkeit bekannter zu machen.

Neben Gewalterfahrungen und Essstörungen spielten die Themen digitalisierte Gewalt und Mobbing inzwischen eine immer größere Rolle, stellen Fahner und ihre Kolleginnen fest. „Es ist erschreckend zu sehen, dass es für viele Mädchen normal und alltäglich ist, dass sie gemobbt werden oder Fotos von ihnen ungefragt verbreitet werden“, sagt Vorstandsmitglied Marita Vonk. 

„Digitale Gewalt ist ein ganz drängendes Thema, das wir noch stärker in den Fokus nehmen wollen“, kündigt Vonk an. Der Vorstand hofft auf Mittel für eine Stelle, die sich ausschließlich diesem Thema annimmt. 

Auf Spenden angewiesen

„Und wo wir gerade bei Wünschen sind: Wir brauchen dringend Räume, die barrierefrei sind“, sagt Fahner. Aktuell befindet sich die Beratungsstelle im dritten Stock, der nur über ein enges Treppenhaus ohne Aufzug zu erreichen ist. Frauen mit Kinderwagen oder Rollstuhl können diese nicht erreichen. 

Frauen stärken Frauen e. V.
Hauptstraße 155, Bergisch Gladbach
Internetseite

Frauenberatungsstelle:
02202/ 45 112
frauenberatungsstelle-bgl@t-online.de
Mädchenberatungsstelle:
02202/ 989 11 55
maedchenberatungsstelle-bgl@t-online.de

IBAN: DE13 3706 2600 3634 4860 10
VR-Bank Bergisch Gladbach-Leverkusen

Seit 2021 heißt der Verein „Frauen stärken Frauen“: Die fünf Gründungsmitglieder, die teilweise über mehrere Jahrzehnte auch im Vorstand aktiv waren, sind mittlerweile alle in Rente. Insgesamt sind in den drei Einrichtungen zwölf Mitarbeitende (Sozialarbeiter:innen und Pädagog:innen) und drei Vorstandsfrauen beschäftigt. 

Finanziert werden die Beratungsstellen und das Frauenhaus größtenteils über Mittel des Landes, des Kreises und der Gemeinden des Kreises. „Aber wir müssen auch einen Eigenanteil aufbringen, daher sind wir auf Spenden angewiesen“, sagt Fahner. 


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ist seit 2024 Redakteurin des Bürgerportals. Zuvor hatte die Journalistin und Germanistin 15 Jahre lang für den Kölner Stadt-Anzeiger gearbeitet. Sie ist unter anderem für die Themen Bildung, Schule, Kita und Familien zuständig und per Mail erreichbar: k.stolzenbach@in-gl.de

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  1. Danke!
    so soo sooo wichtig!!
    (leider.., dass es diese Institution immer noch geben muss!)
    ..ich kenne, damals noch
    “Frauen helfen Frauen”
    seit den Anfängen
    Im Herbst 2023 war ich zu einer Veranstaltung im Rahmen der
    “Gegen Gewalt gegen Frauen” Woche und war erschüttert, dass sich die Thematik kein bisschen verbessert hat..im Gegenteil..

    diese Institution braucht Spenden und es ist gut, dass sie auch öffentlich gefördert und unterstützt werden.

    “Frauen stärken Frauen”
    Dankeschön