Habte Abrahle durchquerte die Sahara in einem vollen Transporter mit viel zu wenig Wasser und Essen, um nach Deutschland zu gelangen. Er ist einer von mehr als 1000 Flüchtlingen, die ab 2015 nach Bergisch Gladbach kamen. in Schildgen gründeten damals rund 100 Einheimische eine Willkommens-Initiative, die Unglaubliches geleistet hat. Zum 10. Jubiläum erzählen fünf ehemalige Flüchtlinge, wie es ihnen ergangen ist.

+ Anzeige +

In einer kleinen Serie lassen wir fünf Flüchtlinge zu Wort kommen. Sie berichten von ihrer Flucht, ihrer Aufnahme in Schildgen, den Schwierigkeiten und Erfolgen ihrer Integration – und wie sie sich heute in Deutschland fühlen.

Hier berichtet Habte Abrahle (35, aus Shahate, Eritrea)

Habte Abrahle. Foto: Philipp J. Bösel

„In Eritrea haben wir seit 34 Jahren denselben Diktator. Ich habe zwölf Jahre die Schule besucht, dann musste ich zum Militär gehen, so wie mein Vater und mein älterer Bruder. Eine andere Wahl hat man als Mann in Eritrea nicht. Beide kommen einmal im Jahr nach Hause, wenn sie Glück haben. Und sie verdienen so wenig Geld, dass sie meiner Mutter und den kleineren Geschwistern nichts schicken können. Ich wollte das nicht, also bin ich geflüchtet.

Auf dem Weg durch die Sahara war ich mit vielen anderen Menschen in einem LKW-Transporter, wir hatten eine Woche lang nicht genug zu essen und trinken, es waren ungefähr 50 Grad. Viele sind vor meinen Augen gestorben.

Der Anfang in Deutschland war schwierig, ich habe viel Rassismus erlebt. Aber ich habe mich immer gewehrt, und jetzt habe ich keine Probleme mehr.

2015 bin ich in Deutschland angekommen. Ich war acht Monate im Zelt und vier Monate in einem Container. Ich habe den Deutschkurs von „Willkommen in Schildgen“ besucht und dort viele nette Menschen kennengelernt. Eine der Helferinnen hat mir ein Zimmer vermietet, da habe ich vier Jahre gelebt.

Ich habe ein Praktikum als Bäcker gemacht und dann ein Praktikum als Greenkeeper auf dem Golfplatz. Das hat mir gefallen, und dort arbeite ich immer noch, mittlerweile seit vielen Jahren mit einem festen Vertrag.

Der Anfang in Deutschland war schwierig, ich habe viel Rassismus erlebt. Aber ich habe mich immer gewehrt, und jetzt habe ich keine Probleme mehr.

Hintergrund: Willkommen in Schildgen

Zehn Jahre ist es her, dass die ersten Flüchtlinge nach Schildgen kamen. Über 100 Menschen gründeten damals die ökumenische Initiative „Willkommen in Schildgen“. Sie begleiteten die Syrer, Eritreer und Iraker, die in Schildgen landeten, bei Amts- und Arztbesuchen, brachten ihnen Deutsch bei, halfen ihnen in Rechts- und in Berufsfragen, um nur eine kleine Auswahl zu nennen.

Nach zehn Jahren sind 72 Prozent der Flüchtlinge von damals in Arbeit, 15 Prozent in Ausbildung oder Studium. (Zu den restlichen 13 Prozent besteht kein Kontakt mehr.) Die meisten sprechen fließend Deutsch, viele habe deutsche Freunde. Eine Erfolgsstory der Integration.

Denn bei der Bewältigung der Krise ist in Schildgen etwas Besonderes passiert: Die Menschen, die sich zusammengeschlossen hatten, um zu helfen, sind zusammengewachsen. Eine neue Gemeinschaft ist entstanden. Darüber habe ich schon 2018 ausführlich geschrieben: „Was die Flüchtlinge mit Schildgen gemacht haben“.

„Angekommen“: Die Fotos der Geflüchteten stammen aus der Jubiläums-Ausstellung von Philipp J. Bösel im Himmel un Ääd. Die 21 farbigen Porträts sind bis 6. Dezember im Café zu sehen (Altenberger-Dom-Str. 125).

Eine weitere Veranstaltung findet am 28. November im Himmel un Ääd statt: „Angekommen – Erfahrungen und Leben in Deutschland/Schildgen“. Im Talk-Format „Auf dem Sofa“ berichten zwei der Flüchtlinge über ihre persönlichen Erfahrungen. Moderation: Margret Grunwald-Nonte, Online-Anmeldung über Himmel un Ääd

Ich habe das B1-Zertifikat an einer Sprachschule gemacht, danach hatte ich keine Zeit weiter zu lernen, weil ich viel arbeiten musste. Ich musste meine Familie in Eritrea unterstützen und meine Frau in Äthiopien. Sie hat dort darauf gewartet, dass ich sie nach Deutschland nachhole. Aber es gab Probleme mit unserer Heiratsurkunde.

Es hat sechs Jahre gedauert, bis es geklappt hat. Das war eine sehr, sehr schwere Zeit. Aber 2021 ist sie endlich gekommen. Jetzt haben wir drei Kinder und ich bin glücklich. Ich hoffe, dass ich irgendwann noch besser Deutsch lernen kann.“

ist freie Reporterin des Bürgerportals. Geboren 1984, aufgewachsen in Odenthal und Schildgen. Studium in Tübingen, Volontariat in Heidelberg. Nach einem Jahr als freie Korrespondentin in Rio de Janeiro glücklich zurück in Schildgen.

Reden Sie mit, geben Sie einen Kommentar ab

4

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

  1. Hier habe ich ein Interview mit Jenny Ouédraogo (Rosa-Luxemburg-Stiftung) gefunden.
    Gut, dass Herr Abrahle aus diesem Land (autoritäres Regime, Zwangsrekrutierung, politischer Verfolgung, extreme Armut) entkommen konnte und hier zumindest die Möglichkeit hat, sich und seine Familie finanziell über Wasser zu halten.

    Weiterhin viel Glück für Sie und Ihre Familie

    https://www.saechsischer-fluechtlingsrat.de/2025/05/08/eritrea-terrorvorwurf-entwertet-berechtigten-widerstand-interview-jenny-ouedraogo/

  2. Lieber Habte,
    Ich hoffe dass du für immer hier bleiben kannst. Du wirst hier gebraucht. Da ich einer deiner Lehrer in Willkommen in Schildgen war duze ich dich. Ich hoffe dass es dir weiterhin gut geht. Und du auch eingebürgert wirst und Deutscher wirst. Was du erlebt hast bevor du hier her gekommen bist, macht einen traurig. Gut dass du es geschafft hast.
    Liebe Grüße Angela

  3. Willkommen und alles Gute! Der Golfclub braucht Greenkeeper wie Sie, die ihre Aufgabe mit Leidenschaft erfüllen!

  4. Es freut mich sehr, dass Herr Abrahle so gut bei uns angekommen ist. Ich wünsche ihm alles erdenklich Gute für seine Zukunft und die seiner Familie hier in Deutschland.