Ende einer Idylle

Sonnenaufgang über Refrath, aus meinem Fenster blicke ich auf den orangegefärbten Himmel, davor friedlich grasende Pferde. Bald wird es mit diesem schönen Anblick vorbei sein, die Stadt Bergisch Gladbach brütet mit Hochdruck über einem Bebauungsplan.

UPDATE 26.11.2010:
Der Planungsausschuss hat Kritik am
Bebauungsplan mit den Stimmen der Linken
abgewiesen. Planung schreitet voran.
Quelle: Pebaco, Planungssplitter, iGL; Ende einer Idylle, iGL

Siedlung mit Tiefgarage

War vor Jahren noch von ein paar Einfamilienhäusern die Rede, so erfuhren zwei meiner Nachbarinnen bei einem Besuch im Planungsbüro der Stadt das Elend in seinem kompletten, hässlichen Ausmaß: Ein 4-Familienhaus, ein 6-Familienhaus und drei Einfamilienhäuser werden von der Alten Markstraße aus angefahren. Macht etwa 25  Fahrzeuge mehr in einer ruhigen Sackgasse, die bisher hauptsächlich von kleinen Bobbycar-Fahrern ausgelastet wird.

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Eine Tiefgarage macht uns Anwohnern besonders große Sorgen, da wir bei mittelschweren Regenfällen ständig mit Wasserschäden im Keller zu kämpfen haben. Das Grundwasser steht hier extrem hoch. Dass eine Bebauung in unmittelbarer Nähe des Klärwerks laut Abstandserlass NRW unzulässig ist, wird mittels eines in Auftrag gebenen, garantiert unabhängigen ;-) “Geruchsgutachtens” umgangen.

Viel Verkehr durch kleine Straßen

Weitere 5 Einfamilienhäuser werden von der Straße “Im Holz” angefahren. Auf die Frage, ob es nicht viel einfacher sei, eine Straße vom Beningsfeld aus zu bauen, auch um zu verhindern, dass der ganze Verkehr sich durch die ohnehin hochbelasteten Schleichwege Im Meiler/Im Bruch/Kuckucksweg zu Autobahn quält, erfuhren meine Nachbarinnen: Die Stadt sei nicht bereit, die Kosten einer neuen Straße zu tragen. Pech für uns und für alle, die vom zusätzlichen Verkehr betroffen sind. Ist der Stadt doch egal.

“Aus für neues Bauland”

Diese Überschrift las ich hocherfreut in der GL-Kompakt-Ausgabe Oktober 2010. Baurat Schmickler sprach sich dagegen aus, weitere neue Baugebiete auszuweisen. Studien zur Stadtentwicklung beweisen, dass das eine vernünftige Entscheidung ist, auch die Bevölkerungsentwicklung spricht dagegen. Laut der Aussage meines Schornsteinfegers stehen in Refrath sowieso 102 (!) Häuser leer. Außerdem wird gebaut wie verrückt: Brandroster: 40 neue Grundstücke, Hasselstraße 6 neue Einfamilienhäuser, Auf der Kaule stehen Häuser zum Abriss bereit, auf riesigen Grundstücken. Wer soll da eigentlich alles wohnen?

Kniefall vor dem Investor – auf Kosten der Bürger.

Warum nur wird die Bebauung der Pferdeweide zwischen Alter Marktstraße und Im Holz so vorangetrieben? Man bekommt unweigerlich das Gefühl, dass dieser Bebauungsplan jetzt möglichst schnell unter Dach und Fach gebracht werden soll, bevor die Ergebnisse der Studien zur Stadtentwicklung an die Öffentlichkeit dringen. Bevor vielleicht zu viel Widerstand in der Bevölkerung entsteht, bevor die nächste Wahl ansteht, bevor der Investor abspringt …

PPP – Private Public Partnership heißt das Zauberwort, mit dem die Stadt ihren Einfluss auf die Art der Bebauung abgibt an einen Investor. Der lässt sich nun einen Bebauungsplan nach seinen Vorstellungen erstellen. Warum lässt die Stadtplanung sich das Heft aus der Hand nehmen? Unbegreiflich? Durchaus nicht, denn der marode Haushalt der Stadt Bergisch Gladbach profitiert anteilig von dem erhöhten Grundstückswert durch optimierte Bebauung.

Politik macht wütend

Ich habe mich bisher wenig für Politik interessiert. Ich weiß jetzt wieder warum. Politik macht einfach wütend. Egal ob Stuttgart 21, Merkels Atomkraftverlängerung oder die Stadt Bergisch Gladbach – es ist das Gefühl der Machtlosigkeit, was mich so wütend macht. Das Gefühl, dass überall komplett am Bürger und am gesunden Menschenverstand vorbei, aus rein finanziellen Beweggründen gehandelt wird.  Die Stadt hat eine Stadtplanersozietät beauftragt, die sich ausdrücklich gegen die Zersiedelung von Randgebieten und die Ausweisung neuer Baugbiete ausgesprochen hat.  Warum befolgt die Stadt deren Rat in unserem Fall nicht? Ist die Stadtplanersozietät möglicherweise reine Kosmetik?

Wir brauchen keine neue Siedlung, die diese schöne Ecke Refraths für immer verschandelt. Wir brauchen eine vernünftige, ökonomisch und ökologisch motivierte Politik, eine Stadtplanung, die die vorhandenen Strukturen berücksichtigt und ihre seit Jahren ansässigen Bürger und Wähler nicht mit rein finanziell motivierten Entscheidungen vor den Kopf stößt.

Birgitte Linzenich

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10 Kommentare

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  1. Micha: was kann mann dagegen tun?.
    In einem solchen Fall,gibt es nur eine Möglichkeit,diese Partei mit all ihren Ratsmitgliedern
    nicht mehr wählen.
    Politiker die sich gegen die Mehrheit der Bürger entscheiden,haben die Stimmen der Wähler nicht mehr verdient!!!.
    Wenn ich eine entscheidung gegen meinen Chef treffe,schmeißt der mich auch raus.

  2. Na klar, und wo bleibt die Natur.
    Hauptsache die Stadt macht Kasse !,die können so oder so nicht mit Geld umgehen.
    Wenn sie wenigstens mit den Einnamen die Schulden tilgen würden.

  3. Alles nicht so einfach.

    Sicher gibt es Leerstand in Refrath, aber welche Immobilien sind das? Häuser aus der unmittelbaren Nachkriegszeit sind dank steigender Energiepreise und des ständig steigenden Komfortbedürfnis nicht gefragt. Wer heute in Bensberg oder Refrath kauft, ist typischerweise ein Doppelverdienerhaushalt der nach Köln pendelt und keine bzw. wenig Kinder haben. D.h. die Autos müssen irgendwo parken -> Tiefgarage, weil man sonst ja kaum noch Parkplätze findet. Diese Käuferschicht möchte auch lieber im Latte macchiato-mäßigen Lounge Haus bzw. Eingentumswohnung leben und nicht erst einen Altbau sanieren, auch wenn dazu ein „Projektierer“ zwischengeschaltet ist und gegen Bezahlung das Planen und Denken übernimmt.
    Wäre die Nachfrage der Bürger nicht da, könnte dien Politik bei diesem Geschäft nicht mitmachen…

  4. Den Kommentar des Herrn Baeumle-Courth als Ratsmitglied finde ich sehr gut, zeigt er doch deutlich, wie solche Dinge zustande kommen. Dazu habe ich zwei Anmerkungen:

    Ad Eins: Die Politiker werden gewählt, weil man ihnen als Bürger vertraut. D.h. heißt im Klartext, ich möchte nicht meine Zeit damit zubringen müssen, deren Schalten und Walten ständig überwachen zu müssen, indem ich den Sitzungen beiwohne. Da würde ich doch gleich anregen, eine Webcam mit Mikrofon im Sitzungsaal zu platzieren – ein Vorschlag, der völlig abwegig erscheint, aber es bei genauerer Überlegung (Stichwort „öffentlich“) gar nicht ist.

    Und trotzdem: Jeder weiß, die wirklich kritischen Sachen werden eher in Nebenabsprachen entschieden – über Parteigrenzen hinweg, denn „man kennt sich ja“ im Rat. Wie solche Dinge im Rheinland laufen, wurde schon 1992 eindruckvoll von Professor Scheuch dokumentiert (siehe „Cliquen, Klüngel und Karrieren: Über den Verfall der politischen Parteien“, Reinbek: Rowohlt, 1992 ISBN 3-4991-2599-4).

    Ad Zwei: Die möglichst nicht-öffentliche, bzw. unauffällige Bekanntmachung der Bebauungsplanvorhaben erinnert zynischerweise an Douglas Adams‘ „Per Anhalter durch die Galaxis“: Die Erde wird von gelben Raumschiffen gesprengt, weil sie einer intergalaktischen Hochgeschwindigkeitsstraße weichen muss. Als Legitimation wird angeführt, dass die Erdlinge schließlich vorab die öffentlichen Pläne des Vorhabens auf Planet XYZ hätte einsehen können…

    Es wäre lustig, wenn es nicht so nahe an der Realität wäre…

  5. Ich finde es prima, dass sich hier eine Diskussion entfaltet, denn mir geht es – auch wenn ich selbst ebenfalls im Stadtrat sitze – oft genug ebenfalls so, dass ich mich zu bestimmten Themen nicht hinreichend informiert fühle. Die Verwaltung liefert manchmal sehr gute Vorlagen, manchmal sehr dünne Vorlagen. Manchmal sind die Vorlagen aber auch so umfangreich, kleine Bücher, dass man sich fragen muss, wann man dies als ehrenamtlicher Kommunalpolitiker alles lesen (und hinterfragen) soll.

    Denn die Kommunalpolitik wird von Menschen gestaltet, die sich zwar einbringen (wollen), aber in alle Regel den lieben langen Tag einem Beruf nachgehen. Vom zunehmenden Arbeitsanfall her liegt es daher nahe, auch in der Kommunalpolitik hauptamtliche Politiker/innen zu fordern. Dem hier in einem Kommentar formulierten Vorwurf, die Politik in Bergisch Gladbach könnte bestechlich sein, würde das aber sicher nicht abhelfen. Hier kann ich nur allen Bürgerinnen und Bürgern empfehlen: schauen Sie sich die Ratsvertreter an. Die leben ja nicht auf dem Mond, auch wenn manchem die Entscheidungen so vorkommen mögen, sondern hier vor Ort.

    Dass bei CDU und SPD über viele Jahre die gnadenlose Verdichtung in den Aussenbereichen, die konzeptionslose Ansiedlung von Gewerbe u.ä. betrieben wurde, wird selbst dort mittlerweile kritisiert. Inwiefern sich vor allem die Vertreter dieser beiden Parteien in den kommenden Jahren daran halten werten, nur noch mit Augenmaß weiterzuentwickeln, muss beobachtet werden.

    Einfluss nehmen können Interessierte ein kleines Stück immer, denn die Fraktionen des Stadtrates tagen meist öffentlich. Ausschusssitzungen ebenfalls. Hier kann man nach einer Sitzung auch mit dem einen oder anderen Ausschussmitglied ins direkte Gespräch kommen.

    Was die Mitentscheidung durch die Bürgerinnen und Bürger angeht, so gibt es (mindestens) zwei Probleme: das eine ist, dass die Kommunalwahlen nur alle fünf Jahre stattfinden – und die Ratsvertreter in der Zwischenzeit offiziell ihrem Gewissen unterworfen sind – und nur ihrem Gewissen.

    Das andere, vielleicht viel tiefergreifende Problem, ist die Art und Weise, wie insbesondere Planungsvorhaben bekanntgemacht werden. Die ersten (öffentlichen) Schritte macht die Verwaltung in Richtung Politik und spricht traditionell vor allem die Vertreter der beiden größeren Fraktionen CDU und SPD an. Dann kommt eine Vorlage in die Ausschüsse. Und erst wenn ein Bebauungsplan- oder ähnliches Verfahren mehr oder weniger spruchreif ist, dann wird auf der vorletzten Seite eine beliebig unscheinbaren Ausgabe der Tageszeitung in Schriftgröße 7 Punkt direkt neben der Ankündigung einer Kaffeefahrt angezeigt, dass der B-Plan 9911 „Unter’m morschen Broich II“ nun öffentlich für zwanzig Werktage ausliegt.

    Das bedeutet: um Bürgerinnen und Bürger stärker direkt zu beteiligen, muss die Informationsweitergabe deutlich modernisiert und verbessert werden. Ich jedenfalls lese nicht regelmäßig die vorletzte Seite der Tageszeitung.

    Ich freue mich über Bürgerinnen und Bürger, die sich mit uns Ratsmitgliedern austauschen wollen!

    Herzlichst
    Peter Baeumle-Courth
    peter.baeumle-courth@gruene-gl.de

  6. Stuttgart, Köln … – schön und gut. Aber hier geht es um Refrath, Bensberg, Schildgen, Gladbach, etc.

    Herrschen hier tatsächlich solche Verhältnisse. Kann die Behauptung unwidersprochen lassen, unsere Lokalpolitiker seien bestechlich!?!

    Und wenn bei den Bebauungsplänen tatsächlich etwas aus dem Ruder gelaufen ist – wie können/sollten sich die Bürger effektiv dagegen wehren?

  7. Es ist wirklich unglaublich, wie eine Idylle nach der anderen zugebaut wird!
    Ich kann mich der Sicht des Artikels nur anschließen: Die Investoren können machen, was sie wollen, die Politik wird notfalls geschmiert – „man kennt sich“ ja.

    Der neueste Trend ist die Gewinnmaximierung der Investoren, indem Bauland nicht mehr einfach im Auftrag verkauft, sondern zunächst billig aufgekauft und gleich mit einer „luxuriösen Villa für Individualisten“ schlüsselfertig angeboten wird. Natürlich wird erst gebaut, wenn ein Käufer angebissen hat (der dann mitnichten noch individuell gestalten kann). Damit wurde schon Mallorca zugepflastert – deutsche Maklerfirmen verkaufen so an deutsche Betuchte im Ausland.

    Die Stadt Köln macht es übrigens genauso: Jeder kleine Platz in der Innenstadt wird zugepflastert oder mit dem xten Museum verplant, welches keine Sau interessiert. Dass die Anwohner viel lieber einen kleinen Erholungspark mit alten Bäumen hätten (wie z.B. in Paris), interessiert nicht, denn die haben ja keine finanzkräftige Lobby.

    Aber unsere Steuergelder nimmt man ja gerne für so wahnsinnige Projekte an – und fährt immer weiter in die roten Zahlen: Die Stadt ist eigentlich völlig pleite (mit oder ohne Messehallen), aber man plant schon mal eine Sanierung des Opernhauses für 360m€. Privatleute wandern für solch Finanzgebahren in den Knast! Eigentlich sollten die Kölner Bürger solange ins Düsseldorfer Opernhaus gehen müssen, bis sie sich ein eigenes wieder leisten können. Köln steht hier nur synonym für andere Städte – wie Bergisch Gladbach… oder Refrath.

    Dass das Ganze am Stadtrand im Grünen weitergeht, macht es nur noch perverser. Es wird Fläche für Gewerbe und Privatleute zugebaut, obwohl es riesige Leerstände gibt. Die Pillenknick-Generation (der letzte geburtenstarke Jahrgang war 1968) hat sich längst mit dem Nachwuchs häuslich eingerichtet – der Bedarf wird also rapide (der demographischen Struktur folgend) abnehmen. Dem kann auch der „Singletrend“ nicht entgegenwirken, denn die wohnen lieber zentral in der Stadt und nicht auf der ehemaligen Pferdekoppel, die nun betoniert wird. Es ist einfach sinnlos und traurig.

    Die Frage ist nur – wie können wir uns dagegen wehren??? Ein Benzinlager würde ich nun nicht gerade besetzen müssen. Die Politiker sind selbst schuld, dass sie die Liste der am wenigsten angesehenen Berufe noch vor den Fernfahrern und Versicherungsvertretern anführen, denn sie stehen nicht mehr für Moral und Ethik, sondern für Vorteilsnahme und Machtaneignung.

  8. Okay, ich wohne nicht in Refrath und habe auch keinerlei Pläne die in diese Richtung gehen. Aber eines (auch im Zusammenhang mit Stuttgart) würde mich interessieren:

    Welche Stadt kann es sich leisten bei derartig vielen Gegenstimmen mit „Gewalt“ ein Programm durchzuziehen, welches offensichtlich kaum einer wirklich will resp. überhaupt braucht??

    Mir ist klar, das man es nie allen Recht machen kann….. aber in meinen Augen ist es ein kleiner Unterschied, ob sich eine Hand voll Leute gegen eine Entscheidung stellen, oder gar hunderte resp. tausende!?!?

    Wer trifft solche Entscheidungen bzw. was tut man dagegen??