Die Registrierungseinrichtung des DRK in Bergisch Gladbach

Die Registrierungseinrichtung des DRK in Bergisch Gladbach

Zweimal standen die Helfer des DRK in der neuen Erfassungseinrichtung bereit, um große Gruppen von Flüchtlingen zu empfangen, zu erfassen und zu untersuchen. Und zweimal betraten sehr viel weniger Menschen die große Halle in der Jakobstraße, als angekündigt worden waren. Am Samstag hätten 150 bis 180 Menschen erscheinen sollen, aber es kamen nur 80. Dienstagnacht dann waren es mehr als 200 Personen, von denen sich nur 120 zur Erfassung einstellten.

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Zweimal rund 100 Flüchtlinge, einfach verschwunden? Leichlingens neuer Bürgermeister Frank Steffes, der die erste Gruppe aus der Jakobstraße anschließend in seiner Stadt unterbrachte, rieb sich verwundert die Augen und postete auf seiner Seite: „Liebe Facebooker, leider sind die am Freitag angekündigten 180 Menschen nicht vollständig in Leichlingen angekommen.” Aber egal, die Bezirksregierung werde bald neue Flüchtlinge schicken.

Ähnlich ratlos fallen die Reaktionen auf offizieller Seite aus. Weder das DRK noch der Kreis RheinBerg, die Stadt Bergisch Gladbach noch die Polizei haben eine Ahnung, was in den beiden Nächten in der Jakobstraße passiert ist. Und auch die Bezirksregierung in Arnsberg und das Innenministerium in Düsseldorf können nur plausible Vermutungen liefern. Eine Gefahr sehen die Behörden dennoch nicht. Und damit auch keinen Handlungsbedarf.

Ein DRK-Team bereitet sich auf die Erstaufnahme vor. Archivbild Katterbach

Ein DRK-Team bereitet sich auf die Erstaufnahme vor. Archivbild Katterbach

Zuständig sind viele, aber wer ist verantwortlich

Unmittelbar zuständig ist das DRK, weil es die Registrierungsstraße betreibt. Verantwortlich ist es nicht, betont eine Sprecherin: das Rote Kreuz kümmere sich um die Menschen, das Verfahren regele der Staat.

Die Stadt Bergisch Gladbach ist ebenfalls draußen; denn die Flüchtlinge waren ja für andere Städte im Kreis, für Leichlingen und Kürten bestimmt. In der neuen Erstunterkunft in der Feldstraße übernachteten zwar in der Nacht auf Dienstag die übrig gebliebenen Flüchtlinge aus den Bussen; aber nur solange, bis sie sich ein wenig ausgeruht der Erfassung stellen konnte.

Der Rheinisch-Bergische Kreis organisiert zwar mit seinem Krisenstab, wo die von der Bezirksregierung geforderten Erstaufnahme-Kapazitäten geschaffen werden und führt Buch über die Belegungen. Aber bei den Informationen, was in der Jakobstraße los ist, verlässt sich der Kreis auf das DRK.

Flüchtlinge in der Erstaufnahme Bergisch Gladbach: Per Bus wurden die Flüchtlinge aus Dortmund nach Sand gebracht.

Mit Bussen werden die Flüchtlinge von Unterkunft zu Unterkunft gekarrt. Archivfoto

Bayern-Route wirft einige Rätsel auf

Die Bezirksregierung in Arnsberg ist für die Verteilung der Flüchtlinge im ganzen Land NRW zuständig. Hier werden per Computer die freien Plätze in den Notunterkünften verwaltet und die eintreffenden Flüchtlinge auf die Kommunen verteilt. Allerdings ist die Bezirksregierung im Fall der sogenannten Bayern-Route ziemlich außen vor. Rund die Hälfte der Flüchtlinge werden in Bayern in einen Zug gesetzt und kommen in den zentralen Drehkreuzen Düsseldorf und Köln an; hier hat Arnsberg noch ungefähr den Überblick.

Die andere Hälfte der Menschen kommt in Bussen, die direkt die Notunterkünfte in NRW anfahren. Wer und wieviele Menschen in den Bussen sitzen, weiß auch die Bezirksregierung nicht, räumt ein Sprecher im Gespräch mit dem Bürgerportal ein. In vielen Fällen gibt es noch nicht einmal die bislang üblichen Transferlisten mit Namen und Nationalität.

Das Ergebnis zeigt sich erst vor Ort, zum Beispiel in der Jakobstraße. Arnsberg weiß zwar nicht, ob die Verlustquote der beiden Bergisch Gladbacher Fälle besonders hoch ist, aber das Phänomen sei bekannt. Einmal soll in NRW ein Bus angekommen sein, der völlig leer war. Weil sich die Passagiere schon bei einem Toilettenstop auf einem Rastplatz abgesetzt hatten.

Das Innenministerium NRW berichtet, dass das Verfahren eigentlich inzwischen in einigermaßen geordneten Bahnen verlaufe; dass sich mit der Einrichtung drei großer zentralen Registrierungsstellen in Dortmund, Herford und Bergheim auch die Wartezeiten verringert hätten. Dennoch bestätigt der Ministeriumssprecher auf Anfrage des Bürgerportals, dass immer wieder eine unbekannte Zahl von Flüchtlingen verschwindet. Wohin auch immer.

Flüchtlinge flüchten – und lassen sich nicht aufhalten

Fast gleichlautend bieten Bezirks- und Landesregierung im Gespräch mit dem Bürgerportal zwei Erklärungsversuche an.

Erstes sei ein Teil der Flüchtlinge nur auf der Durchreise und habe von vorne herein das feste Ziel, nicht in Deutschland zu bleiben. Sondern nach Schweden, Dänemark oder in die Niederlande weiter reisen wolle. Warum auch immer. Diese Menschen, so der Sprecher im Innenministerium, „sind in aller Regel auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung, die Suchen ein Leben jenseits von Fassbomben”. Wenn die nicht nach Deutschland, sondern nach Schweden wollten, könne man sie  realistischerweise nicht daran hindern. Und das Land will es offenbar auch gar nicht.

Zweitens widersetze sich ein Teil der Flüchtlinge der Zuweisung in ein bestimmtes Bundesland oder in einen bestimmten Ort. Zum Beispiel, weil die Personen Verwandte woanders haben oder verhindern wollen, dass Familien auseinander gerissen werden. Diese Menschen sind sehr gut vernetzt, zum Teil werden sie beim Eintreffen der Busse bereits erwartet und rasch mitgenommen. Ein Recht auf Familienzusammenführung gibt es nur bei Angehörigen ersten Grades; und auch das klappt in der Praxis nicht immer rasch.

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Wie das in Bergisch Gladbach gelaufen ist, wie gesagt, weiß niemand genau. Berichte, die Menschen seien in Privatautos abgeholt worden, konnten bislang nicht bestätigt werden. Nicht einmal die Frage, wieviele Personen in Bergisch Gladbach verschwunden sind, lässt sich beantworten: denn sie können die Busse ja durchaus schon bei einem Zwischenstopp auf der Autobahn verlassen haben.

Probleme für die Planung der Kapazitäten, aber nicht für die Sicherheit

Glücklich sind weder Bezirks-  noch Landesregierung mit dieser Situation. Aber weniger aus Sicherheitsgründen als aus pragmatischen Gründen. Vor allem für die Hilfsorganisationen wie dem DRK oder den Ehrenamtler sei es frustrierend, erst Stunden oder Tage zu Warten – und dann vor einem fast leeren Bus zu stehen. Zudem werde die Planung der Kapazitäten dadurch nicht einfacher.

Rechtlich sei die Lage zwar schwierig, räumt die Bezirksregierung ein. Formal bewege man sich hier zwischen dem Gebot der Freizügigkeit und der Illegalität.

Ein echtes Sicherheitsproblem sehen die Behörden nach eigenen Angaben nicht. Zwar sind diese Flüchtlinge in der Regel noch nicht medizinisch untersucht worden, viele sind in Bayern nicht einmal namentlich erfasst worden. Und solange sie sich der Registrierung entziehen, leben sie illegal in Deutschland.

Registrierung der Flüchtlinge in Sand (Bergisch Gladbach)

Registrierung der Flüchtlinge in der Turnhalle Sand. Archivbild

Nur wer sich registrieren lässt bekommt Asyl – und Geld

Aber Bezirks- und Landesregierung gehen davon aus, dass dieser Zustand immer nur von kurzer Dauer ist. Entweder reisen die Flüchtlinge rasch aus Deutschland aus. Oder aber sie melden sich doch relativ rasch bei einer Erstaufnahmeeinrichtung. Denn diese Menschen haben ja ein Ziel, erläutert der Sprecher der Bezirksregierung: Sie wollen in Deutschland Asyl. Und das – ebenso wie Geld- oder Sachleistungen – bekommen sie nur, wenn sie sich dem System stellen.

Was sie offenbar tatsächlich machen, wo und wann auch immer. Denn nach Angaben der Bezirksregierung kommt nur rund die Hälfte der Flüchtlinge einigermaßen geordnet über die Bayern-Route nach NRW; einige wenige melden sich an der Westgrenze des Landes zu Benelux. Die andere Hälfte der Flüchtlinge aber taucht einfach auf, irgendwo in Nordrhein-Westfalen.

Größere Probleme sind den Sprechern von Bezirks- und Landesregierung in diesem Zusammenhang nicht bekannt geworden. Es läuft alles, irgendwie.

Polizei schreibt Anzeigen – und schickt die Menschen weiter

Trotzdem muss die Polizei handeln, wenn sie auf Flüchtlinge ohne Papiere treffen. Formal, so der Sprecher der Bezirksregierung, müssten die Beamten diesen Straftatbestand zu Protokoll nehmen und Anzeigen fertigen.

Faktisch aber, so der Sprecher der Landesregierung, werden die aufgegriffenen Flüchtlinge häufig zur nächsten Erstaufnahme – und so ins System – gebracht. Das gelte für die Bundespolizei, aber eben auch für die Polizei vor Ort.

Die Kreispolizei in Bergisch Gladbach hält sich an das offizielle Procedere. Illegale Flüchtlinge werden erkennungsdienstlich behandelt und müssen einen Fingerabdruck abgeben, berichtet der Polizeisprecher. Die Beamten schrieben eine Anzeige wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Ausländergesetz auf. Was der Staatsanwaltschaft aber in aller Regel nicht weiter verfolgt.

Früher wurden diese illegalen Flüchtlinge tatsächlich festgenommen und eingesperrt; inzwischen jedoch erhalten sie in RheinBerg nur noch die Aufforderung, sich bei der zentralen Aufnahmestelle in Dortmund zu melden. Wer dort ankommt, ist nicht bekannt.

Das spielt aber keine große Rolle: denn ein solcher Fall kam bei der Kreispolizei RheinBerg in den vergangenen Wochen nur zweimal vor – und dabei ging es sich um zwei Menschen, die sich selbst in der Dienststelle mit der Bitte um Asyl gemeldet hätten.

Vom Verschwinden größerer Gruppen in der Jakobstraße erfuhr die Polizei erst durch das Bürgerportal. Gemeldet worden war nichts.

Journalist, Volkswirt und Gründer des Bürgerportals. Mail: gwatzlawek@in-gl.de.

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