Für diesen Corona-November ohne Kultur und ohne Gastronomie hält die Buchhandlung Funk drei Tipps zur Gestaltung der freien Zeit bereit: Einen Entwicklungsroman über zwei junge Menschen, einen wendungsreichen Schwedenkrimi und einen poetischen, grandiosen Roman.

Sally Rooney: Normale Menschen.
Luchterhand Literaturverlag 2020, € 20,00.

Die irische Autorin, mehrfach ausgezeichnet, legt nach ihrem Debütroman „Gespräche mit Freunden“ nun ihren zweiten Roman vor.

Marianne und Connell leben in derselben Provinzstadt in Westirland und besuchen dort dieselbe Oberschule. Hier hören die Gemeinsamkeiten allerdings schon auf. Er kommt aus einfachen Verhältnissen und ist in der Schule ein kleiner Star, sportlich, gutaussehend, beliebt. Sie, optisch eher unscheinbar, Einzelgängerin und Außenseiterin, belesen und unbeliebt, kommt aus guten Verhältnissen.

Ihre Mutter ist Anwältin und seine Mutter deren Köchin. Diese beiden jungen Menschen werden ein heimliches Paar. Niemand darf von dieser Beziehung erfahren, das wiederum verhindert zugleich, dass sie ein normales Leben führen können.

Zuerst scheint es noch sehr aufregend zu sein so zu leben, mit der Zeit nutzt sich dieses Gefühl zunehmend ab. Es gibt Phasen, in denen sie eher auseinanderdriften, aber durch einen scheinbaren Magnetismus ziehen sie sich immer wieder an.

So begleiten wir die beiden Hauptfiguren über vier Jahre, von den letzten Schuljahren bis zur Uni. Die persönliche Entwicklung beider ist eklatant und total unterschiedlich. Marianne entwickelt im Laufe der Zeit deutlich mehr Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl. Connell packt zunehmend der Ehrgeiz, und er bekommt schließlich sogar ein Stipendium.

Was auf den ersten Blick wie ein literarisch ambitionierter Liebesroman anmutet, ist letztlich viel mehr. Erzählt wird die Entwicklungsgeschichte zweier junger Menschen, die sich gegenseitig befruchten und das Beste aus dem Anderen herausholen. Es geht um Erwachsenwerden, um Selbstfindung und um das Suchen nach einem passenden Platz im Leben.

Ohne Kitsch und Pathos, schnörkellos und unaufgeregt wird diese Geschichte erzählt. Wir lernen eine junge Autorin kennen, die wir uns unbedingt merken sollten. Sie wird im englischsprachigen Raum bereits als Shootingstar der modernen Literaturszene gefeiert, zu Recht, unbedingt Lesen!

(Sylvia Jongebloed)

Hier finden Sie das Buch in unserem Onlineshop. 

Hans Rosenfeldt: Wolfssommer.
Wunderlich 2020, € 22,00.

Rosenfeldt, schwedischer Schriftsteller und Drehbuchautor, ist hierzulande bekanntgeworden durch seine Sebastian-Bergman-Krimis, die er zusammen mit seinem Kollegen Hjorth verfasst hat. Mit diesem Buch startet er eine eigenverantwortliche neue Krimireihe.

Im Umland von Haparanda, einer nordschwedischen Stadt an der Grenze zu Finnland, wird eine vergiftete Wölfin gefunden, in ihrem Magen menschliche Überreste. Den dazugehörigen verstümmelten Toten findet man wenig später in den umliegenden Wäldern.

Relativ schnell ist das Motiv klar: es geht um Drogen. Zeitgleich läuft in Finnland ein Drogendeal völlig schief und hinterlässt ein kleines Massaker von mehreren Toten.

Jetzt treten die beiden weiblichen Hauptfiguren auf den Plan. Auf der schwedischen Seite beginnt die Polizistin Hanna Wester in Sachen Wolf zu ermitteln und in Finnland wird die Profikillerin Katja im Namen eines russischen Drogenbosses nach Schweden geschickt, um Drogen und Geld zurückzuholen.

Unweigerlich bewegen sich die beiden Protagonistinnen aufeinander zu, umkreisen sich wie Satelliten, bis zu einem furiosen Showdown. Die Charaktere dieser beiden starken Frauenfiguren werden minutiös ausgearbeitet. Man erfährt viel über sie, ihre Vergangenheit sowie über ihr Umfeld.

Auch die Nebencharaktere werden genauestens beschrieben. So dass man sich relativ schnell ein gutes Bild über die Figuren und ihren Bezug zueinander machen kann. Vieles ist nicht so, wie es auf den ersten Blick scheint.

Hochspannend und auf mehreren Ebenen erzählt beginnt dieser Thriller, hochspannend geht es weiter. Durch die multiperspektivische Erzählweise ist der Leser den Figuren immer einen Schritt voraus, was die Spannung noch zusätzlich antreibt. Viele lose Fäden werden gesponnen, einige davon werden am Ende gelöst, andere nicht, was förmlich nach einer Fortsetzung dieses Romans schreit.

Der Autor legt hier einen wendungsreichen, sehr komplexen und sprachlich ambitionierten Krimi vor, der große Lust auf eine baldige Fortsetzung macht. Sehr empfehlenswert!

(Sylvia Jongebloed)

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Iris Wolff: Die Unschärfe der Welt.
Klett-Cotta 2020, € 20,00.

Die mehrfach ausgezeichnete Autorin war mit ihrem aktuellen Roman u.a. für den Deutschen Buchpreis nominiert. Selbst in Siebenbürgen geboren, erzählt sie hier von Menschen im Banat/Rumänien und liefert zugleich ein Zeitzeugnis der wechselvollen und bewegten Geschichte des 20. Jahrhunderts in Europa ab.

Es geht um sieben Menschen im Banat, miteinander verwandt oder freundschaftlich verbunden, deren Lebenswege sich immer wieder kreuzen. Episodenhaft werden die Geschichten um Johann und Karline erzählt.

Deren Sohn, der Jungpfarrer Hannes, tritt in einem kleinen Dorf seine erste Pfarrstelle an und gründet dort mit Florentine eine Familie. Hier kommt auch ihr Sohn Samuel zur Welt. Dessen Freund Oz will Rumänien verlassen, doch er bekommt keine Ausreisegenehmigung. Eine nicht unwesentliche Rolle spielt auch das homosexuelle Paar Bene und Lothar, aber dieser Part löst sich erst später im Buch auf.

So sind die Lebensgeschichten dieser und anderer Personen irgendwie miteinander verwoben. Sie begegnen einander, manche bleiben und andere entfernen sich wieder. Irgendwann entsteht aus diesen einzelnen Episoden kaleidoskopartig ein ganzes Bild.

Entstanden ist eine aufwühlende Geschichte vor dem Hintergrund des zusammenbrechenden Ostblocks und anderer zeitgeschichtlicher Ereignisse. Oft ist der reale Zeitbezug unscharf gezeichnet, dieses wiederum verleiht dem Leben der einzelnen Hauptfiguren mehr Schärfe und stellt sie äußerst plastisch dar. Hieraus erschließt sich auch Titel des Buches.   

Was diesen Roman so besonders macht, ist die poetische, fast lyrische Sprache einhergehend mit einer prägnanten Charakterzeichnung. Kunstvolle Landschaftsbeschreibungen und eine fast sinnliche Darstellung von Essen sowie dessen Zubereitung runden dieses Gesamtbild ab und vermitteln dem Leser das Gefühl, sich mitten in der Geschichte zu befinden. Ein grandioses Buch, eines der besten dieses Jahres, einfach Lesegenuss pur!

(Sylvia Jongebloed)

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Viel Spaß beim Lesen.

Ihre Birgit Lingmann und Pia Patt

Birgit Lingmann und Pia Patt führen die Buchhandlung Funk

Die Buchhandlung Funk existiert seit vielen Jahrzehnten in Bensberg und ist seitdem Bestandteil des kulturellen Lebens von Bergisch Gladbach. Mehr als zehn Jahre waren Pia Patt und Birgit Lingmann (geborene Jongebloed) bereits in der Buchhandlung Funk beschäftigt, als sie im Oktober 2015 das Geschäft von Almut Al-Yaqout übernahmen.

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Pia Patt, geboren 1974 in Köln, verheiratet, 2 Katzen, wohnt in Lindlar. Sie wurde in der Buchhandlung Funk zur Buchhändlerin ausgebildet und interessiert sich besonders für Kinderbücher, Krimis, und Belletristik. Wenn sie nicht gerade liest, kümmert sie sich um ihren Garten oder feilt an ihren...

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