Russlands Krieg gegen die Ukraine hat das Schicksal von vielen Millionen Menschen radikal verändert, aber auch die Unternehmen des Landes fanden sich plötzlich in einer ganz neuen Welt wieder. Zum Beispiel Kapelou, ein Hersteller von Logistiktechnik – der in Kiew beheimatet ist, jetzt aber von Bergisch Gladbach aus geführt wird. Inhaber Oleksandr Klymenko lässt das Jahr Revue passieren – und erklärt, warum die Ukraine gestärkt aus dem Krieg hervorgehen wird.
Vor einem Jahr saß Oleksandr Klymenko in seinem Büro in Kiew, leitete den Ausbau seines Unternehmens Kapelou LLC mit einigen Standorten im Nordosten der Ukraine und den Aufbau der Europa-Niederlassung in Bergisch Gladbach. Heute arbeitet der 40-jährige Ingenieur in Bergisch Gladbach. Von hier aus dirigiert er sein Unternehmen in der Ukraine – das auch mitten im Krieg komplexe Anlagen für die Lagertechnik entwickelt.
Im Gespräch in Herkenrath blickt Klymenko auf das Jahr seit dem russischen Angriff auf die Ukraine zurück. Der jugendhafte Unternehmer spricht sehr ruhig, doch sein Gesicht spiegelt Gefühle, die er nicht in Worte fassen will. Oder kann.
Von russischen Raketen geweckt
Am 24. Februar 2022 wurden Klymenko, seine Frau Viktoria Voroniuk und ihre Tochter von den russischen Raketen auf Kiew geweckt. „Wir haben es nicht erwartet, niemand hat es sich vorstellen können“, rekapituliert er heute noch immer ungläubig. Nach dem ersten Schock kümmerte sich das Paar um die gut 200 Kapelou-Mitarbeiter und ihre Familien.
Frauen und Kinder reisten in die damals noch sichere West-Ukraine, einige Männer meldeten sich zum Militär, viele andere begannen, die eigenen Produktionsanlagen abzubauen. Denn die Standorte des Unternehmens lagen plötzlich in Gebieten, die von der russischen Armee besetzt war. Dennoch gelang es, die Anlagen unter Lebensgefahr ebenfalls in die Westukraine zu bringen und an zwei Orten wieder aufzubauen – wo sie auch heute in Betrieb sind.
Viktoria Voroniuk und die kleine Tochter flüchteten nach Deutschland, in Bergisch Gladbach wurden sie von Tobias Frohn, dem Geschäftsführer von Kapelou Europe mit dem nötigsten versorgt, und auch Klymenko folgte bald darauf.
Nicht als Flüchtling, sondern als Unternehmer, der eine sichere Basis für die Rettung seiner Firma benötigte. Kapelou baut und wartet unter anderem die Lagerlogistik für die Pharma- und Lebensmittel-Industrie in der Ukraine. Daher gehört das Unternehmen zur kritischen Infrastruktur, die Mitarbeiter sind vom Militärdienst freigestellt und können reisen.
Nach zwei Monaten Soldat ist die Welt eine andere
Dennoch diente Klymenko zwei Monate lang beim Militär. Nicht als Offizier, sondern als einfacher Soldat, erzählt er. Dabei wird er noch ruhiger, Details will er nicht berichten – aber seither sehe er „viele Dinge mit ganz anderen Augen“.
In Bergisch Gladbach zog Kapelou von einem ersten kleinen Bürostandort in Frankenforst um in das Gewerbegebiet am Braunsberger Feld in Herkenrath. Marc Schwope stellt auf dem Gelände seiner AGS Automation Greifsysteme Schwope GmbH den Teil einer Halle zur Verfügung, in dem sich die zehn ukrainischen und deutschen Mitarbeiter von Kapelou Europe einrichteten.

Innovativer kleiner Player neben Giganten
In der Halle machen zwei junge Ukrainer die Komponenten einer neuen Förderanlage für den Transport fertig, daneben steht eine kleine Demonstrationsanlage. Dahinter drei Büros, ein Konferenzraum. Der große Monitor zeigt eine Karte der Ukraine.
Von hier aus steuert Klymenko Forschung, Entwicklung und Produktion in der Ukraine. Dort gehört Kapelou im Bereich der integrierten Lagerlogistik zu den Marktführern, hier in Westeuropa ist die Firma ein kleiner, aber innovativer Player neben einigen Giganten.
Gerade deshalb habe Kapelou rasch seine Nische gefunden, in der das Unternehmen jetzt rasch wachsen will, berichtet Klymenko. Die Nachfrage sei sehr groß, in der Ukraine sowieso, aber auch im Baltikum, in Ungarn, Polen oder Schweden, die von Bergisch Gladbach aus bearbeitet werden.

Hintergrund: In Bergisch Gladbach betreut Kapelou mit rund zehn Beschäftigten alle Kunden außerhalb der Ukraine; auf dem deutschen Markt, aber auch in vielen anderen europäischen Ländern. Zur Zeit werden hier Bauteile aus der Ukraine vormontiert, in Zukunft soll auch in Bergisch Gladbach eine Produktion aufgebaut werden. Dafür wird es in Herkenrath bald zu eng werden, das Unternehmen will einen Showroom und ein Lager für Standardbauteile aufbauen, um deutlich schneller liefern zu können.
Kapelou Europa macht damit genau dass, was schon 2021, vor dem Krieg geplant war. „Nur geht aus der Not der Ukraine heraus vieles sehr viel schneller“, sagt Geschäftsführer Tobias Frohn. Dabei werden auch Flüchtlinge und Arbeitskräfte aus der Ukraine beschäftigt – auch wenn die Bürokratie in der Ausländerbehörde nicht gerade leicht zu bewältigen sei.
Krieg macht alle Unternehmensziele zunichte
Zunächst aber muss Kapelou den gewaltigen Rückschlag des Kriegsjahrs verkraften. Rund 36 Millionen Euro hatte die Firma in 2021 an Umsatz verbucht, für 2022 war ein starker Anstieg auf 70 Millionen Euro geplant. Nun hofft Klymenko, in diesem Jahr in etwa wieder das Niveau von vor dem Krieg zu erreichen und dann zu expandieren.
Dabei profitiere Kapelou von seiner großen Fertigungstiefe. Es entwickelt und plant die hochtechnisierten Förderanlagen, produziert einige Basiselemente aus Stahl selbst, schreibt die Software für den Betrieb, kauft viele Komponenten hinzu und fügt sie bei den Kunden zusammen.
Am Ende stehen hochkomplexen Anlagen: horizontale Förderbänder oder Rollen und vertikale Aufzüge bilden mit Greifarmen und Robotern ein Ballett, das Bauteile, Waren und Pakete in Produktionsanlagen und vor allem in Lager- und Logistikzentren von A nach B befördern.
Die Bandbreite der Kapelou-Produkte zeigt dieses Firmenvideo:
Ziel ist es dabei nicht, die menschliche Arbeit überflüssig zu machen, erläutert Martin Bena, der seit einigen Monaten für Kapelou arbeitet. Sondern darum, sie bei schweren und monotonen Arbeiten zu entlasten – und für anspruchsvollere Tätigkeiten frei zu machen.
Trotz des Krieges, der Zerstörungen der Infrastruktur, des Mangels an Energie und Arbeitskräfte, kann sich Kapelou auf die eigene Produktion in der Ukraine stützen. Der Stahl komme zwar nicht mehr aus dem zerstörten Asow-Werk – sondern zum Teil aus Deutschland. „Aber die Wirtschaft in der Ukraine ist sehr flexibel. Wir wollen überleben und irgendwie funktioniert es auch,“ sagt Klymenko.
Investitionen in der Ukraine
Kapelou selbst investiere nicht nur in Bergisch Gladbach, sondern auch in der Ukraine. In robotergesteuerte Schweißtechnik sowie in neue Maschinen, mit denen man die viele Rollen für die Förderbänder selbst herstellen kann.
Damit ist Kapelou keine Ausnahme, viele Unternehmen in der Ukraine sind umgezogen, bauen zum Teil neue Lagerhäuser im Westen auf, einheimische und auch ausländische Konzerne investierten neu. Die Logistik, mit möglichst automatisierten Prozessen, spiele dabei eine immer größere Rolle.
Hohe Nachfrage
Und das auch bei mittelständischen Unternehmen, für die Kapelou groß genug, aber nicht zu groß ist. Die ukrainischen Spezialisten nehmen auch Aufträge unter zwei Millionen Euro an, die für die Branchengrößen viel zu klein sind – und liefert maßgeschneiderte Anlagen.
„Unsere Stärke ist der Systemgedanke“, erläutert Europa-Chef Frohn, „wir denken ganzheitlich, in einem überschaubaren Rahmen“. Dafür gebe es viel Nachfrage, inzwischen gehörten auch sehr bekannte Logistik- und Industrieunternehmen zu den Kunden.
Mehr Informationen:
Kapelou Europe GmbH
Mail – Website – LinkedIn
Solange es um sein Unternehmen oder die Technik geht, ist Unternehmenschef Klymenko hoch konzentriert. Das sei einfach hoch spannend, sagt der Ingenieur und schaut sich selbst im Vorbeigehen noch die Konstruktionszeichnung an, die bei den verpackten Anlagen in der Halle in Herkenrath liegen.
„Gegen Russland gewinnen wir sowieso“
Doch wenn man ihn nach der Ukraine fragt, wird er still. Im September war er zuletzt in Kiew. „Es sah aus wie immer, als ob es keinen Krieg gebe“, erzählt der 40-Jährige. Doch der Eindruck sei sofort vorbei, wenn die Sirenen aufheulen.
Oder wenn er zu seinen Eltern und Schwiegereltern fährt, die im Umland von Kiew, in der Nähe von Butscha, leben. Einige der Bewohner seien tot, sehr viele geflohen. Was die Russen in seinem Heimatland anrichten, sei ein Genozid, ein Völkermord. Mehr sagt Klymenko nicht – aber die Gedanken bewegen sich sichtbar hinter seiner Stirn.
Im Moment sei es für ihn wichtig, Frau und Kind in Sicherheit zu wissen; zudem werde er selbst am Standort Bergisch Gladbach am dringendsten gebraucht. Dennoch ist für ihn klar, sagt Klymenko, dass er so schnell wie möglich in die Ukraine zurück geht. Und er sagt: „Ich will, dass dieser Krieg sehr bald zu Ende ist. Jeder hat diesen Traum. Aber wir wissen auch, dass diese Erwartung falsch ist.“
Dennoch bleibe er optimistisch. Langfristig sei die Entwicklung für die Ukraine positiv. Der Krieg habe dafür gesorgt, dass seine Landsleute sehr viel zielstrebiger geworden seien – und dass die Ukraine noch weiter an Europa heran rücke.
„Gegen Russland gewinnen wir sowieso“, sagt Klymenko, „und jetzt nehmen wir auch noch zum ersten Mal den Kampf gegen die Korruption auf.“ Auch die vielen Flüchtlinge, die in Deutschland und anderen westlichen Ländern lebten, würden dazu beitragen – wenn sie „die europäische Mentalität in die Ukraine mitnehmen“.
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Wunderbar, dieser Mut, diese Tatkraft, diese Ideen und deren Umsetzung! Eine Bereicherung für unsere Stadt!
Für die Ukraine können wir auch in eigenem Interesse nur das Beste wünschen und jede mögliche Unterstützung nicht nur mit Waffen, sondern auch auf diplomatischem Feld leisten.
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen!!!
Lang lebe die tapfere demokratische UKRAINE und solche Unternehmer