Für das Familienzentrum in der Innenstadt hat die AWO neues Personal einstellen können, damit zeichnet sich eine Entspannung der Lage an, teilt der Träger mit. Der strukturelle Fachkräftemangel sei allerdings alles andere als gelöst, bei Engpässen müsse das Personal geschützt werden. Daher führt die AWO jetzt u.a. ein Ampelsystem ein. Die Stadt kündigt erneut „konkrete Pläne“ für Verbesserung des Platzangebots an.
Nachdem das AWO Familienzentrum „Kunterbunt“ in Bergisch Gladbach im Herbst und Winter durch eine Unterschreitung der Personalstunden in der Kindertagesstätte zu einer Einschränkung der Betreuungszeiten übergehen musste, zeichnet sich nun eine Entspannung der Lage ab.
„Wir konnten im März eine neue Kollegin einstellen und im April werden zwei weitere neue Fachkräfte folgen. Außerdem hat sich ein weiterer Dual- Studierender für unsere Einrichtung entschieden“, so Einrichtungsleitung Dunja Brala. Zwischenzeitlich sei das Kita-Team auch durch Mitarbeiter*innen verschiedener Zeitarbeitsfirmen verstärkt worden, diese standen jedoch nur für kurze Zeit zur Verfügung.
Bei zwei Elternvollversammlungen gab es einen intensiven Austausch zwischen Eltern, Einrichtungsleitung, der AWO Rhein-Oberberg als Trägerin sowie dem städtischen Jugendamt. Die Situation wurde gemeinsam besprochen und verschiedene Lösungsvorschläge erörtert, um die schwierige Betreuungssituation für die Eltern abzumildern.
Bei der zweiten Zusammenkunft Ende Februar konnte der Träger mitteilen, dass neues Personal für die Kita gewonnen werden konnte und somit die Maßnahme der Betreuungsstundenreduzierung endet.
Eindringliche Appelle des Elternbeirats
Der Elternbeirat brachte dem Team des AWO Familienzentrums „Kunterbunt“ in der ganzen Zeit großes Vertrauen entgegen, richtete aber auch eindringliche Appelle an den Träger in dieser für alle sehr schwierigen Situation.
Alwine Pfefferle, stellvertretende Geschäftsführerin der AWO Rhein-Oberberg, hatte die Angelegenheit gegenüber den Eltern dann kurzerhand zur „Chefsache“ erklärt, weist aber auch darauf hin, dass bundesweit ein Fachkräftemangel besteht, welcher durch wissenschaftliche Veröffentlichungen untermauert wird.
Ampelsystem soll bei Engpässen vorwarnen
Die AWO, so erklärt Pfefferle, versuche auf verschiedenen Wegen und mit Unterstützung einer Recruiterin Personal zu akquirieren, leider nicht immer mit dem erwünschten schnellen Erfolg.
Gemeinsam mit dem Elternbeirat wurden als Ergebnis der zweiten Vollversammlung Kriterien erarbeitet, die zukünftig bei Personalnot greifen sollen. Da Engpässe oftmals unvorhergesehen eintreten können, wurde ein Ampelsystem entwickelt, welches Familien schon vor Eintritt des Personalengpasses verdeutlicht, was bei Unterschreitung der Mindestbesetzung an Fachkräften passiert.
Personal muss vor Überlastung geschützt werden
Der Fall des AWO Familienzentrums „Kunterbunt“ zeigt, dass bei einer unzureichenden personellen Besetzung kein „Normalbetrieb“ laufen kann. Es ist für die AWO als Träger wichtig, dass in personell schwierigen Situationen gut und wertschätzend auf die Bestandsmitarbeiter*innen geschaut wird, damit diese nicht in die dauerhafte Überlastung gehen.
Der Mangel an Fachkräften im Bereich des Sozial- und Gesundheitswesens und speziell in der Kita ist ein gesellschaftliches Problem, das dringend gelöst werden muss, so Alwine Pfefferle. Insbesondere die Landespolitik ist dabei in der Pflicht.
Lang- und mittelfristige Lösungen wurden im sogenannten „Sofortprogramm Kita“ formuliert, aber kurzfristig greifen diese vorgeschlagenen Maßnahmen nicht.
Grundlegende Reform des Systems Kita erforderlich
An dieser Stelle beschreibt das sogenannte „Aachener-Modell“ noch weitere Lösungsmöglichkeiten, wie zum Beispiel den Einsatz von nicht-pädagogischen Kräften zur Unterstützung der Fachkräfte mit dem Ziel, diese sukzessive mit Fortbildung und enger Begleitung an pädagogische Prozesse heranzuführen oder gar bestenfalls für eine pädagogische Ausbildung zu motivieren.
Viele Auszubildende wollen den Beruf gar nicht erst ergreifen, sondern streben im Anschluss an ihre Ausbildung einen akademischen Abschluss an. Daher kommen viele neu ausgebildete Fachkräfte gar nicht erst in den Kitas an oder wenn doch, sind sie nach kurzer Zeit oft desillusioniert, weil der Kita-Alltag unter Personalmangel u.a. nicht das ist, was man sich vom Beruf erhofft oder erwünscht hat.
Eine der AWO-Auszubildenden sagt dazu: „Es herrscht Frust darüber, dass viele Vorhaben und Angebote nicht mehr so umgesetzt werden können wie man es gewollt und geplant hat.“
„Alle müssen mitwirken“
Einrichtungsleiterin Brala ergänzt: „Der Fachkräftemangel ist, auch wenn wir nun wieder gut mit Personal ausgestattet sind, nicht gelöst. Fachkräfte, die nun bei uns ihre neue Wirkungsstätte gefunden haben, fehlen in anderen Einrichtungen.“
Alwine Pfefferle schätzt die Gesamtlage so ein: „Die personelle Situation kann sich in jeder Einrichtung von heute auf morgen dramatisch verschlechtern. Daher geht das Thema uns alle an: Träger, Elternschaft, Jugendämter, Politik auf landes- und kommunaler Ebene, Gewerkschaften und Arbeitgeber. Alle müssen mitwirken, dass es hier bald Lösungen gibt, die das System Kita wieder auf sichere Füße stellt. Das betrifft sowohl das Platzangebot als auch die pädagogische Qualität, die ein hohes Gut in der frühkindlichen Bildung ist und im Kinderbildungsgesetz NRW (KiBiz) einen hohen Stellenwert hat.“
Die AWO Rhein-Oberberg geht aber parallel auch im Thema Qualifizierung weiter voran: Das Bildungswerk der AWO Rhein-Oberberg hat bereits den zweiten Vorbereitungslehrgang für die „Externenprüfung“ gestartet. Mitarbeiter*innen, die zum Teil schon seit Jahren in Kindertagesstätten oder OGS arbeiten und andere Berufsabschlüsse oder Studiengänge abgeschlossen haben, können sich neben der Arbeit auf die Prüfung zum*zur Erzieher*in vorbereiten.
Stadt kündigt erneut „konkrete Pläne“ an
Ragnar Migenda, Dezernent für Klimaschutz und Stadtentwicklung bei der Stadt Bergisch Gladbach, der auch für den Jugendbereich verantwortlich ist, zeigt sich erleichtert über die Entspannung der Situation in der Kita Kunterbunt. „Die AWO ist in meinen Augen eine sehr verlässliche Partnerin, die in Bergisch Gladbach 14 Kindertagesstätten betreibt. Dass das Personalproblem so kurzfristig behoben werden konnte, bestätigt meine Auffassung.“
Dass damit die generellen Defizite der Kindertagesbetreuung nicht vom Tisch sind, steht für Migenda außer Frage. Er bekräftigt die Aussage der AWO, dass das Problem ein grundsätzliches ist und auch die Stadt als gesetzliche Trägerin der Kindertagesbetreuung in der Pflicht steht: „Wir packen jetzt unseren Teil an und legen in Kürze konkrete Pläne vor, wie das Platzangebot in unserer Stadt möglichst zeitnah verbessert werden kann.“