Corona scheint überwunden: Die Zahlen der Schüler:innen, Wettbewerbsteilnahmen und Events an der Max-Bruch-Musikschule zeigen teils deutlich nach oben. Für neuen Schwung will auch Andreas Hempel sorgen, seit Februar Vize-Chef der Musikschule. Der Violinist steht für einen Generationenwechsel. Und stellt mit der Digitalisierung zentrale Weichen für die Zukunft des Hauses.
Die Max-Bruch-Musikschule war einer der größten Konzertveranstalter der Stadt. Mit knapp 700 Konzerten, Vorspielen und Events pro Jahr hatten Dozent:innen und Schüler:innen das Kulturleben der Stadt geprägt. Doch dann sorgte Corona für eine Zäsur: Statt 699 Veranstaltungen in 2019 mit über 87.000 Zuschauer:innen waren 2021 gerade einmal 142 Events möglich (14.505 Zuschauer:innen).
„Das hat sich mittlerweile gedreht, wir sind fast wieder auf dem Niveau von 2019″, sagt Andreas Hempel. Er ist seit Februar Vize-Chef im Haus, unterstützt Schulleiterin Agnes Pohl-Gratkowski unter anderem in den Bereichen Digitalisierung und Controlling. Vergangenes Jahr habe man wieder 524 Events veranstalten können, knapp 70.000 Zuhörende erreicht, berichtet er.

Drang zur Bühne
„Da ist in der Pandemie ein Stau entstanden“, nennt Agnes Pohl-Gratkowski die Hintergründe für die Umkehr. „Unsere Dozentinnen und Dozenten standen in den Startlöchern, um endlich wieder ihre Schülerinnen und Schüler nach vorne zu bringen.“ Das habe sich nun entladen.
Auch die Zahl der Schüler:innen hat – wenn auch moderat – wieder zugenommen. Nach rund 1.700 bzw 2.552 in den Vorjahren verzeichne man nun 2.623 Schüler:innen für das Jahr 2022. „Der Rückgang war durch Corona längst nicht so hoch wie erwartet, der Musikunterricht wurde – wenn auch in Distanz – als willkommende Konstante im Alltag geschätzt“, sagt die Schulleiterin. Daher blieben viele bei der Stange.
Städtische Max-Bruch-Musikschule – Entwicklung wichtiger Zahlen
2019 | 2020 | 2021 | 2022 | |
Events/Zuschauer | 699/87.256 | 101/10.597 | 142/14.505 | 524/69.075 |
Schüler:innen | 2.442 | 1.707 | 2.552 | 2.623 |
Leistungsorientierte Teilnehmende | 356 | 309 | 286 | 379 |
Positiver Trend auch bei den leistungsorientierten Teilnehmenden, also Schüler:innen die Einzelunterricht mit 45 Minuten oder mehr belegen, am Wettbewerb „Jugend musiziert“, teilnehmen oder Konzerte im Rahmen von „Junge Talente“ geben. Hier zeigen die Zahlen auch wieder deutlich nach oben.
Speziell bei den Wettbewerbsteilnahmen sorgten die Rahmenbedingungen während der Pandemie mit Vorspiel per Video eher für Unlust bei den jungen Musikern. Die Rückkehr zur Normalität sorgt auch in diesem Segment für neue Impulse.
Führung neu aufgestellt
Aber nicht nur die Kennzahlen vermitteln im Haus der Musik am Langemarckweg Aufbruchsstimmung. Seit Februar steht – nach einer kommissarischen Doppelspitze – die Führung des Hauses auf neuen Füßen: Schulleiterin Agnes Pohl-Gratkowski wird vom neuen, jüngeren Vize-Chef Andreas Hempel unterstützt.
„Andreas Hempel kümmert sich um Digitalisierung, Controlling und Datenschutz. Mein Schwerpunkt liegt in den Bereichen Personalentwicklung, Netzwerk auch zu städtischen Kultureinrichtungen, Öffentlichkeitsarbeit und Events“, skizziert Pohl-Gratkowski die Aufgabenteilung.

Aber: „17 Jahre führten wir das Haus zu dritt, nun liegt die Leitung bei zwei Personen – das merkt man“, unterstreicht sie. Aber man kennt sich, Andreas Hempel arbeitet bereits 2008 an der Schule. Als vergleichsweise junger Lehrer und Leiter steht er für einen Generationenwechsel, den man auch auf Ebene der Fachbereichsleiter vollzogen habe, macht die Leiterin deutlich.
Digital-Agent
Für frische Impulse soll der neue Vize-Chef sorgen, und hat als so genannter „Digital-Agent“ der Schule bereits wichtige Weichen gestellt. Mit 70.000 Euro (55.000 vom Land, 15.000 von der Stadt) wurden iPads für die Dozent:innen sowie Smart Boards als digitale Tafeln gekauft. Hinzu kamen Technik für Videokonferenzen, Bluetooth-Boxen sowie ein Ton- und Video-Studio für die Musikproduktion.
„Die Kolleginnen und Kollegen werden mit Workshops an den Einsatz der Technik im Unterricht herangeführt“, macht Hempel klar. Da geht es um den Einsatz von Apps, den kombinierten Einsatz von iPad und Smart Board, oder die Nutzung der Bluetooth-Lautsprecher als Begleitung für Solisten.
Baustelle Akustik
Dank der Technik könne man nun ganz offiziell im Bedarfsfall Distanzunterricht in guter Qualität anbieten. Ob die Digitalisierung auch zu neuen Unterrichtsangeboten wie Home Recording oder Produktion elektronischer Musik führe, ist offen. Hierzu sammle man Ideen aus dem Kollegium, „das ist besser als ein Konzept der Leitung überzustülpen und die Realisierung durchzudrücken“, so die Musikschulleiterin.
Passend dazu verfügt die Musikschule seit November 2022 über einen optimierten Breitbandanschluss. „Wir hatten 50 Mbit/s, mit 250 Mbit/s verfügen wir dank des Einsatzes des Fachbereichs vier nun über eine tragfähige Zwischenlösung“, so Hempel. Auch wenn es noch kein Gigabit-Anschluss ist, wie im nahegelegenen Nicolaus Cusanus Gymnasium.

Da die Infrastrukturprobleme an den Schulen der Stadt zugenommen haben, sei die Musikschule in der Prioritätenliste weit nach hinten gerutscht, beklagen die beiden Leiter. Das mache sich auch beim wichtigen Projekt der Akustiksanierung bemerkbar, also der Renovierung der Schallisolierung einzelner Räume.
Das sei wichtig, um die einzelnen Unterrichtsräume akustisch voneinander zu trennen. Während der Keller bereits seit 2020 saniert sei, warte man für die beiden Obergeschosse nach wie vor auf einen Termin.
Symphonie-Orchester möglich
Neu im Angebot ist Instrumentalunterricht auf dem Fagott. Ob es weitere neue Angebote gibt bleibt abzuwarten. „Wir wollen die Ensemble-Arbeit nach vorne bringen“, so Pohl-Gratkowski, „Damit unsere Schülerinnen und Schüler auch das gemeinsame Musizieren erfahren können.“ Hier müsse man indes schauen was geht, Angebot und Nachfrage ausbalancieren, neue Produkte müssten sich refinanzieren.
Bei einem Defizit von 1,3 Millionen Euro (Haushaltsplan 2023) ist Maßhalten angesagt. Auch wenn die Musikschule bei der Deckung ihrer Ausgaben durch Gebühren einen Wert von rund 42 Prozent erreicht, und damit neun Prozentpunkte über dem NRW-Schnitt liegt.
Gleichwohl könne man sich vorstellen, im kommenden Jahr ein Symphonie-Orchester auf die Beine zu stellen. Die Fachbereiche Streicher und Bläser würden dann nach langer Zeit wieder gemeinsam in einem Ensemble musizieren.

Kooperationen immer wichtiger
Immer wichtiger würden daher Kooperationen und Netzwerke, um Angebote realisieren zu können. Wie das Projekt JIP (Jazz, Improvisation, Pop). Die Initiative der Jazzhausschule Köln vereint erstmals sieben NRW-Musikschulen unter einem Dach. Hierdurch lassen sich einfacher Landes- und Verbandsmittel akquirieren. Die Max-Bruch-Musikschule bietet auf dieser Basis seit 2022 Jazz-Workshops für Interessierte und Dozent:innen an.
Zudem werden im Rahmen von JIP musikschulübergreifende Ensembles gebildet, die Interessenten das Musizieren im Band-Kontext ermöglichen. Eines dieser „large ensebmles“ wird im August 2023 am der Max-Bruch-Musikschule gastieren.
„Solche Kopperationen sind extrem wichtig“, macht Hempel deutlich. Und Pohl-Gratkowski ergänzt: „Das wird Nachfolger haben!“ Aber nicht nur musikschulübergreifend.
Auch in der Stadt wolle man sich verstärkt für Kooperationen mit der freien Kulturszene einsetzen. Die engere Zusammenarbeit zwischen dem Stadtverband musikausübender Vereine, dessen Geschäftstelle in der Musikschule angesiedelt und die von Pohl-Gratkowski geleitet wird, und dem Stadtverband Kultur steht bereits.