Ein Hauhechel-Bläuling auf Wundklee, Foto: Markus Bollen

Insekten sind systemrelevant. Doch die Zahl der Arten und die Menge der Insekten nimmt dramatisch ab. Und die fehlen dann zum Beispiel in der Nahrungskette und als Bestäuber von Pflanzen. Mit der Aussaat von Wildwiesen kann man ganz konkret etwas tun, um Insekten eine Lebensgrundlage zurückzugeben und damit gegen das Verschwinden anzukämpfen. Tiere pflanzen – das geht auch in der Stadt.

„Die sogenannte Krefelder Studie aus 2017 zeigt: Der Insektenschwund ist massiv“, sagt Hobby-Imker Markus Bollen. Rund 30 Jahre lag war der Bestand in Naturschutzgebieten wissenschaftlich untersucht worden. Die Zahl der Arten und die Menge an Insekten hätten in der Zeit um 80 Prozent abgenommen. Als Gründe für das Insektensterben nennt er industrialisierte Landwirtschaft und Pestizide.

„Flächenversiegelung und artenarme Privatgärten spielen ebenso eine Rolle“, ergänzt Martina Klupp. Zusammen mit Bollen kümmert sie sich bei der Initiative Blühendes GL um mehr Biodiversität in Bergisch Gladbach.

Sie verschenken Saatgut für Blühwiesen. Oder betreuen Bienenbotschafter:innen, die sich um die Lebensgrundlage für Wildbienen kümmern. Martina Klupp war mit einer ihrer Pflanzaktionen im Vorgarten auch bereits im Fernsehen.

Markus Bollen und Martina setzen sich bei Blühendes GL für mehr Biodiversität und die Lebensgrundlage von Bienen ein, Foto: Holger Crump

Insekten seien wichtig für das Ökosystem. Als Nahrungsgrundlage vieler Tiere wie Vögel, Igel oder Fledermäuse, so die beiden Umweltschützer. Den Schwund der Insekten müsse man daher stoppen. Und da könne jeder etwas tun.

Zum Beispiel mit der Anlage einer Wildwiese: Als Wohnstube für Insekten, als Nahrungsgrundlage für Wildbienen. „Tiere pflanzen“ nennen die beiden das.

Ackerhummel auf Balsamine (eine invasive Pflanze), Foto: Markus Bollen

Lokales Pflanzenangebot

Über 570 Arten an Wildbienen gibt es laut der Naturschutzorganisation BUND in Deutschland. 80 Prozent der Wildpflanzen und 150 verschiedene Nutzpflanzen sind von deren Bestäubung abhängig. Auch sie verschwinden langsam von der Bildfläche. Mit bestimmten Pflanzenarten kann man sie indes in den Garten locken.

„Die klassische Honigbiene fliegt bis zu 5 Kilometer weit. Die Wildbiene hingegen hat nur einen Radius von 200 bis 300 Metern“, erklärt Bollen. „Sie ist auf das passende Nahrungsangebot im Garten angewiesen, sonst siedelt sie sich nicht an“.

Ergo: Wer die Tiere im Garten pflanzen will, muss die dazu passenden Pflanzen ansiedeln.

Literaturtipps

Welche Pflanze zu welcher Wildbiene passt, kann man nachlesen in dem kleinen Buch „Der Wildbienen-Schaugarten“ von Mandy Fritzsche (ISBN 978-3-9818803-1-1).
Der Verein NaturGarten gibt regelmäßig Themenhefte heraus, wie zum Beispiel zu Wildbienen (3/2022) oder zu naturnahen Balkonen (1/2022). Bestellung im Online-Shop.

Im Garten, auf dem Balkon

Grundsätzlich kann man mit einer Wildwiese loslegen. Wer einen Garten besitzt, hat dazu zwei Möglichkeiten: „Einfach den Garten oder einen Teilbereich verwildern lassen“ schlägt Bollen vor. Das gehe aber nur, wenn kein Rollrasen liege. Aus diesem würden keine Blumen und Kräuter sprießen.

Am besten lässt man die Wiese in Ruhe. „Nur einmal im Jahr mähen, möglichst von Hand, den Rest besorgt die Natur!“

Alternativ lasse sich auch eine Wildwiese aussäen, „als feinkrümeliges Saatbeet„. Wie es geht, erklären die Macher:innen von Blühendes GL auf ihrer Webseite. Sie stellen dazu auch das Saatgut bereit.

Vorher – nachher: Auf einem feinkrümeligen Saatbeet in einem Privatgarten ist eine Wildwiese entstanden, Fotos: Markus Bollen

Billiges Saatgut aus dem Discounter eignet sich für eine Wildwiese kaum. „Die Pflanzen müssen genetisch betrachtet aus der Region stammen“, so Bollen. Der Fachausdruck lautet „autochthones Saatgut“. Nur dann würden sie genau zu jener Jahreszeit blühen, wenn es zeitlich für hiesige Insekten passt.

Wildblumenwiesen sähen – so geht´s

Damit die Wildwiese gedeiht, gilt es ein paar Punkte zu beachten: Von der Auswahl des Standortes über den Zeitpunkt der Aussaat und der Bodenvorbereitung bis zur Pflege. Hilfreiche Tipps gibt es auf der Webseite von Blühendes GL oder bei der Deutschen Wildtier Stiftung im Flyer „Wildblumen säen“, den Sie hier downloaden können.

Auch auf dem Balkon lassen sich jene Pflanzen sähen, die Insekten Nahrung bieten. Sowie Unterschlupf. „Blattschneiderbienen zum Beispiel bauen ihre Höhlen im Erdreich“, erklärt Klupp. Selbst in Blumenkübeln im dritten Stock könne man Insekten eine Möglichkeit zum Nisten bieten.

Mehr Tipps für mehr Artenvielfalt gibt es beim World Wide Fund For Nature – der Welt-Naturstiftung auf der Webseite. Der BUND liefert ebenfalls Informationen, wie Garten oder Balkon Wildbienen-freundlich gestaltet werden können.

Bienenbotschafter:innen gesucht

Was tun, wenn weder Garten noch Balkon vorhanden sind? Von der unkontrollierten Aussaat diverser Blumen und Kräuter in freier Wildbahn raten die beiden ab. Dadurch komme es zu einer sogenannten Florenverfälschung, „da werden möglicherweise Pflanzen in Gebiete eingetragen, wo sie normalerweise gar nicht wachsen“, weiß Bollen.

Wer sich engagieren wolle, aber weder Garten noch Balkon habe, der könne sich an ihre Initiative Blühendes GL wenden. Sie vermitteln Interessent:innen gerne an lokale Naturschutzinitiativen, die Unterstützung benötigen.

Und es geht noch mehr: „Unser Ziel ist es, in jedem Stadtteil Bienenbotschafter:innen zu etablieren.“

Sonnenhut mit Schwebfliege, Foto: Markus Bollen

Was machen die genau? „Sie sorgen vor allem dafür, dass passendes Saatgut für Wildwiesen in ihrem Viertel verteilt wird“, macht Martina Klupp klar. Also an Freunde, Bekannte, Nachbarn.

Sie organisieren zudem Verteilstellen in Geschäften, an stark frequentierten Punkten in der Öffentlichkeit. So würde das Saatgut, welches Blühendes GL kostenlos anbietet, in der Stadtgesellschaft verbreitet.

Ziel: Bienenfreundlichste Stadt

Markus Bollen ergänzt: „Dazu gibt es von uns ein Starter-Set: Mit Saatgut, Flyern, Büchern. Und natürlich unserem T-Shirt mit dem Logo drauf.“ Ziel sei es, Bergisch Gladbach zur bienenfreundlichsten Stadt Deutschlands zu machen. Für das Saatgut habe man Spenden gesammelt.

Das Starter-set von Blühendes GL, Foto: Holger Crump

„Nächste Stufe ist die Förderung von Anpflanzungen von Büschen und Bäumen, die für Insekten wichtig sind.“ Eine Liste der Pflanzen und der damit angelockten Insekten befindet sich unten am Ende des Beitrags. Sie kann auch als Anhalt für jeden Gartenbesitzer dienen.

Wer Interesse hat, als Bienenbotschafter:in aktiv zu werden, kann sich gerne mit Markus Bollen in Verbindung setzen, per Mail m.bollen@t-online.de oder telefonisch unter 02204 – 22 22 0.

Im Überblick: Pflanzen geplanter Aktionen von Blühendes GL
Quelle: Mandy Fritzsche, Wildbienen-Schaugarten, zusammengestellt von Markus Bollen


Hinweis der Redaktion: Mit diesem Beitrag setzen wir die Serie mit konkreten Tipps fort, mit man mit Klimaveränderungen in GL besser klar kommt – und vor allem, was man selbst hier vor Ort machen kann, um die Klimakrise zu bekämpfen. Wenn Sie Hinweise oder eigene Tipps haben, melden Sie sich gerne bei der redaktion@in-gl.de.

image_pdfPDFimage_printDrucken

ist Reporter und Kulturkorrespondent des Bürgerportals.

Reden Sie mit, geben Sie einen Kommentar ab

5 Kommentare

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

  1. Was aber ist mit den „heiligen Rasen“? Ist er für die Insektenwelt tatsächlich nur „grüner Beton“, wie einige Ökos behaupten?

    Meinen kleinen Reihenhausgarten habe ich bereits vor einigen Jahrzehnten „verwildern“ lassen. Das heißt: kein Düngen, kein künstliches Beregnen, selten Mähen. Das Ergebnis: „Die Wüste lebt!“. Alles was dort blüht, hat sich von selbst ausgesäht. Er wird auch nie gesprengt. Kaum zu glauben, wie schnell bei langen Trockenphasen nach den ersten Regenfällen aus Gelb wieder Grün wird. Die Natur hilft – wie immer – sich selbst.

    Fast hätte ich es vergessen: unterschiedliche Insektenarten, die ich hier früher nie gesehen hatte, sind Dauergäste geworden, auch dank eines kleinen Teiches (der sich übrigens auch selbst überlassen ist).

    Was nun kann ein jeder Reihenhausgartenbesitzer aktiv zur Insektenvermehrung beitragen? Da halte ich mich an die Empfehlung von Peter Wohlleben für einen gesunden Wald: Hände und Füße stillhalten – der Natur einfach Zeit geben.

  2. Und dann soll auf der Lena Wiese – Bienen Wiese eine Kita gebaut werden und immer noch viele Gärten und Flächen aus Beton und Steinen ! Aber die Flächen !! Die schon bepflanzt sind – Wunderschön ! Kräuter sind auch gut ! Wilder Majoran !

  3. Danke für Eure wertvolle Arbeit für ein insektenfreundliches Bergisch Gladbach!

    Dabei ist noch einmal hervorzuheben: Insektenschutz ist kein Prestigeprojekt, sondern eine Notwendigkeit, wenn wir unsere Nahrungsmittelversorgung langfristig sicherstellen möchten. Ein Großteil unserer Kulturpflanzen ist von der Bestäubung durch Insekten abhängig. Fehlen diese (wie in den riesigen Monokulturen in China, oder den Tomatenplantagen in Australien), müssen die Pflanzen von Hand bestäubt werden, oder gar nicht.

    Ergebnis davon wären keine Engpässe, sondern ein großes Ernährungsproblem. Und noch weiter: Insekten stehen in der Nahrungskette weit unten. Kaum ein Vogel oder Kleinsäuger ist nicht von Insekten abhängig. Schützen wir also unsere Insekten, schützen wir damit direkt unser heimisches Ökosystem und unsere Natur!

    Es ist wirklich wertvoll, dass Blühendes GL sich so stark um den Erhalt von Insektenlebensräumen einsetzt.

    Aber es ist eine Anstrengung, die wir alle für unsere Stadt vornehmen können und müssen. Besonders heißt das: keine Insektizide mehr verwenden (die wirken leider nicht nur lokal), kein chemischer Dünger (dann wächst Gras schneller als Blumen), keine 5cm-Wiesen mähen (dann kann da mehr blühen). Privatpersonen, Verwaltung und Landwirtschaft sollten sich alle dieses Thema vornehmen.

    Es ist schön zu sehen, dass sich das Grünflächenamt dieses Jahr mit dem Mähen mehr zurückgehalten hat. Aber auch auf städtischen Grünflächen ist noch einiges Verbesserungspotential!

  4. Vielen DANK auch an Dr. Renate Beckmann, die sich seit Jahren mit viel Zeit und Engagement für Blühendes-GL einsetzt. Vielen DANK auch allen anderen, die das Projekt gefördert und allen, die Blühwiesen angelegt haben!

  5. Besonderer Dank gilt dem Team von Mira Kerkmann und Thomas Heyer bei der Lebenshilfe in Refrath, die von Beginn unserer Initiative an das Saatgut mit Gebrauchsanleitung in ansprechende Tüten verpackt haben! Vielen DANK dafür!