Mit Oskar Holweck (1924-2007) ist ein Künstler in der Villa Zanders zu sehen, der in puncto Werkstoff eng mit der Stadt Bergisch Gladbach verbunden ist. Holweck gilt als Pionier der Kunst aus Papier – dem Sammlungsschwerpunkt des Kunstmuseum. Ein Genre, das Holweck ganz entscheidend geprägt und sinnlich-provokant zur Meisterschaft geführt hat, wie die Ausstellung eindrucksvoll belegt.

Text: Holger Crump. Fotos: Thomas Merkenich

„Schon früh hat sich Oskar Holweck dazu entschieden, den experimentellen Weg zu gehen“, erklärt die Direktorin des Kunstmuseum Petra Oelschlägel bei der Vorstellung der Ausstellung, die bis 2. Juni 2024 in der Villa Zanders zu sehen ist: „Nicht Kunst auf dem Papier, sondern Kunst mit Papier.“

In den 1950ern experimentiert Holweck noch mit Tuschezeichnungen, spritzt und tropft die Tinte, zieht sie mit Nadeln durch Wassertropfen, bewegt auch mal das Blatt statt der Farbe. Oder schlägt mit dem Graphitstift auf das Blatt, hinterlässt rasante Spuren eines rastlosen Geistes auf der Suche nach dem Neuen.

Schon Mitte/Ende der 1950er verabschiedet er sich von der Farbe und sucht die Reduktion. Eine Abgrenzung vom Informel, der mit Spontaneität, Formlosigkeit, Prozessen des Unbewussten arbeitet. Holweck stellt 1958 bei der Gegenströmung aus, der Gruppe Zero. Die will wie Holweck einen Nullpunkt in der Kunst setzen, forciert eine eher puristische Ästhetik.

Kunst mit statt auf Papier

Holweck untersucht fortan das Papier bezüglich seiner kreativen Möglichkeiten. Das gilt bis dato vornehmlich als Trägermaterial der Kunst. Bei Holweck wird es indes zum Gegenstand der künstlerischen Auseinandersetzung.

Dieser zerknüllt das Papier: Offset von 170 bis 300 Gramm, das er aus industrieller Fertigung bezieht. Er schneidet, ritzt, perforiert, durchdringt, bearbeitet es mit Sägen, Bohrmaschine, verformt es mit Wasserdampf. Klebt Papierbahnen aufeinander, schält sie auseinander. Lässt Schnitte wie Typografie erscheinen.

Das Abbildhafte, das erschöpft sich.

Oskar holweck, zitat nach Christiane Mewes-holweck

Durchdringt Papier mit Graphitstift, kreiert sogenannte Reißgrafiken. Reliefs aus Papier entstehen. Holweck gibt dem Mikrokosmos feinster Risse und Schnitte eine Bühne. Sie erheben sich teils nur millimeterweise aus dem Blatt, und künden gleichwohl im Spiel von Licht und Schatten eindrucksvoll von einem kreativen Kosmos und dem künstlerischen Entstehungsprozess.

Holwecks Kunst: Sie ist ergebnisoffen – ein Spiel mit dem Ausgangsmaterial. Papier – das ist fortan sein kreativer Nullpunkt, dort beginnt sein künstlerisches Handeln.

Stumme Bewunderung

„Die Arbeiten sind seismografische Beschreibungen seines Zustandes“, weiß die Künstlerin Christiane Mewes-Holweck, die den Nachlass ihres Mannes verwaltet. Störungen durch Externe seien in den Arbeiten gut auszumachen. Das Maß an Fähigkeit zur Konzentration, das Vorhandensein von Frust oder Freude bei der Arbeit.

Einmal erzielte Ergebnisse lässt er stehen. „Für viele Reaktionsformen mangelt es mir an Begriffen, um sie zu beschreiben. Es bleibt mir nur, sie stumm zu bewundern“, sagt er einmal dazu.

Ein Prozess, den er auch Büchern aussetzt. Zunächst gedruckte Werke, später Bücher aus weißen Blättern (Blindbücher), die er eigens produzieren lässt. Er will damit dem ungerechtfertigten Vorwurf entgegnen, er torpediere den Inhalt.

Nein, Holweck geht es immer nur um das Papier, das er neugierig erforscht. Er zerreisst Bücher in zwei Hälften, lässt fragile Papierkaskaden daraus fließen, die Blätter sprießen wie knospende Blüten, Federn oder Tierkörper aus den Buchdeckeln.

Zur Person: Oskar Holweck (1924 bis 2007)

Der Bildhauer und Kunstpädagoge studierte an der Staatlichen Schule für Kunst und Handwerk in Saarbrücken bei Boris Kleint. Hier wurde er 1956 zum Leiter der Klasse „Grundlehre“, zudem lehrte er an der Staatlichen Werkkunstschule in Saarbrücken sowie an der Fachhochschule des Saarlandes im Fachbereich Design.

Ab 1958 Ausstellungen mit der Künstlergruppe Zero. Holweck lehnte später Berufungen auf diverse Lehrstühle an Kunsthochschulen genauso wie Einladungen zur Documenta ab.

Geprägt durch seinen Lehrer Boris Kleint ging es Holweck darum, die Sinneseindrücke des Alltags größtmöglich zu reduzieren. Als Pionier der Kunst aus Papier fanden seine Werke früh Eingang in die Bergisch Gladbacher Sammlung „Kunst aus Papier“.

Publikation und Rahmenprogramm

Während der Ausstellungsdauer erscheint im Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König (Köln) ein zweibändiges Werkverzeichnis mit Dokumenten Holwecks sowie Texten von Siegmund Grewenig, Antoon Melissen, Christiane Mewes-Holweck, Petra Oelschlägel und Ulrike Schmitt.

So 25.02.2024, 15 Uhr
Oskar Holweck – Leben und Werk: Petra Oelschlägel im Gespräch mit Christiane Mewes-Holweck

Mehr Infos auf den Webseiten des Kunstmuseums

Über 70 Werke

Die Ausstellung in der Villa Zanders, die über 70 Werke aus Privatsammlungen, aus dem Nachlass sowie aus der Sammlung des Kunstmuseums präsentiert, dokumentiert diese schier grenzenlose Kreativität (es tauchen stets noch neue Arbeiten von Holweck auf!) anhand der Werkgruppen Tuschezeichnungen, Reißgrafiken und Buchobjekten.

Stellt Bezüge her, wenn es etwa um das Thema „Punkt“ oder „Horizontale“ geht. Bringt Werke zueinander in Beziehung, die nur auf den ersten Blick wie Kopien anmuten.

Die den Besucher fordern, der bei akribischer Betrachtung mit der Erkenntnis über Holwecks Denk- und Arbeitsweise belohnt wird.

Was sehen Sie? Sie sehen kein zerknülltes Blatt, Sie sehen Formen.

Oskar Holweck im gespräch mit einem betrachter, zitiert nach christiane Mewes-holweck

Transformation statt Destruktion

Die umfassende Ausstellung zeigt: Bei Holweck wird das scheinbar Brachiale zum Sinnlichen. Es geht nie um Destruktion, sondern stets um Transformation. Darum, den Werkstoff in Bearbeitung und künstlerischer Aussage an seine Grenzen zu bringen. Eine künstlerische statt physische Zerreißprobe.

„Man sollte hinsehen, nicht sein Wissen abrufen, sondern sich auf das konzentrieren was auf dem Papier entsteht“, so Mewes-Holweck. Man erlerne das Sehen, indem man die Begriffe zu einem Objekt lerne. „Holwecks Arbeiten zwingen uns dazu, sich von diesem Prozess zu lösen.“

Die Untersuchung habe Holweck gereizt: „Was geschieht, wenn ich was wie mache.“ In der Ausstellung mit dem Titel „Meister der Reduktion“ sind künstlerisch wertvolle Antworten auf die Fragestellung zu finden.

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Zerreißprobe

ist Reporter und Kulturkorrespondent des Bürgerportals.

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