Grafik: Nina Tackenberg

Unterschiedliche Meinungen und Auseinandersetzungen zwischen Eltern sind normal. Manchmal aber nehmen die Streitigkeiten so überhand, dass die Partner:innen zu Rivalen werden. Was dahinter stecken und wie man aus der Situation wieder herausfinden kann, schreibt Nina Tackenberg, Co-Leiterin der Katholischen Ehe-, Familien- und Lebensberatung, in diesem „Familienrat“.

„Du verstehst einfach nicht, was unser Sohn braucht: Er schläft am besten ein, wenn man sich zu ihm legt.“ – „Wenn wir so weitermachen, wie Du es möchtest, wird er noch mit 18 nicht alleine einschlafen können.“

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Unterschiedlicher Meinung zu sein und miteinander eine neue gemeinsame Haltung in Beziehung auf den gemeinsamen Nachwuchs zu entwickeln – das gehört zu den Herausforderungen junger Eltern. Und dass das nicht ohne Streit funktioniert, ist selbstverständlich.

Manchmal wird das Streitthema jedoch der bestimmende Inhalt der gesamten Kommunikation zwischen den Eltern. Die Partner:innen möchten mit ihrer Sicht auf die Dinge „gewinnen“ und werten die Meinung des anderen ab.

Nina Tackenberg

Immer weniger geht es um den sachlichen Inhalt – um Schlaf, Essen, Auswahl des Spielzeugs etc. – und immer mehr um die grundsätzliche Frage: Wer macht es besser? Wer kennt das Kind besser? Wem ist es wichtiger? Und vielleicht auch: Wen liebt das Kind mehr?

Wenn es um den Umgang mit den eigenen Kindern geht, dann trifft das den innersten Kern der Eltern. Die ersten und engen Beziehungen, die die Eltern selbst erlebt haben, werden wieder präsent, mit all ihren positiven und negativen Aspekten – das macht das Erleben oft existentiell. Es wird leidenschaftlich gerungen, und beide Seiten sind oft sehr verletzlich.

Wird der Streit dominant, treten in aller Regel die vom Paarforscher John Gottman als „Apokalyptische Reiter“ benannten Kommunikationsformen auf: Vorwürfe, Gegenangriffe, Rechtfertigungen. Gottman verwendet bewusst den Begriff der Apokalypse, weil diese Art der Kommunikation aus seiner Sicht das Potential hat, in den „Abgrund“, in das Ende der Beziehung, zu führen.

Was kann hinter einer so gelebten Rivalität stecken?

Wunsch nach Abgrenzung

Konkurrenz in der Partnerschaft – ob in Beziehungen mit oder ohne Kinder – tritt oft als Wunsch nach Abgrenzung auf. Und diesem Wunsch liegt häufig ein positives Ziel zu Grunde: die eigene Selbstverwirklichung.

Menschen befinden sich immer zwischen den Polen Autonomie und Bindung, dem „ich-selber-Sein“ und dem „im-wir-Verschmelzen“, und je nach Lebenssituation kann Konkurrenzverhalten das sein, was gelernt wurde, um als zu eng empfundene Bindungen ein Stück weit zu lösen.

Maternal Gatekeeping

Als „maternal gatekeeping“, mütterliches Türstehen, wird ein Verhalten beschrieben, das laut amerikanischen und deutschen Studien jede vierte bis fünfte frisch gebackene Mutter zeigt: Sie entwickelt ein großes Kontrollbedürfnis und schottet das Baby und spätere Kleinkind vor allen anderen Menschen ab, auch vor dem Vater. Sie übt Kritik am Umgang anderer mit dem Kind und übernimmt in Folge alle Aufgaben selbst.

So häufig, wie das Phänomen auftritt, kann man davon ausgehen, dass es für viele Frauen ein ‚normaler‘ Schritt im Prozess der Rollenfindung sein kann.

Dieser Text ist zuerst im Newsletter „GL Familie“ von Laura Geyer erschienen. Er richtet sich an die Eltern (und Großeltern) jüngerer Kinder, hier können Sie ihn kostenlos bestellen.

Bleibt das Verhalten allerdings erhalten, kann das unterschiedliche Gründe haben: ein defizitäres Selbstwertgefühl, den nach wie vor oft wenig wertschätzenden Blick auf die Mutterrolle in unserer Gesellschaft, oder auch das Austragen eines Machtkampfes in dysfunktionalen Paarbeziehungen.

Unsicherheiten auf Seiten des Vaters können das Verhalten verstärken und aufrechterhalten.

Stresserleben

Stresserleben kennen alle Eltern: Auf der körperlichen Ebene führen Schlafmangel, permanente Geräuschkulisse etc. in der Lebensphase mit jungen Kindern häufig zu einem Zustand von Dauerstress. Hinzu kommen Erwartungen von außen und von sich selbst, die das Stresserleben ebenso hervorrufen und/oder verstärken können.

Stressreaktionen im menschlichen Organismus kann man als  „Überlebensmodus“ beschreiben. Hier nimmt natürlicherweise unsere Fähigkeit zur Empathie ab, wir schauen auf uns und versuchen uns zu „retten“. Tritt dieses Verhalten dauerhaft auf, geraten wir in die Isolation, die ihrerseits Stresserleben bereitet – ein Teufelskreis kann beginnen.

Empfinden von Bedrohung und Angst

Konkurrenz wurzelt häufig in der Empfindung von Bedrohung, und die kann ihrerseits Ursache und Folge von Stresserleben sein. Die möglicherweise auftretende Eifersucht auf die Partner:in im „Kampf um die Liebe“ des Kindes kann in der Angst vor Verlust von Liebe wurzeln. Möglicherweise ist hier ein geringes Selbstwertgefühl die Ursache.

Unabhängig vom Erklärungsansatz ist es hilfreich darauf zu schauen, welche Bedürfnisse hinter der erlebten Konkurrenz und dem gezeigten Konkurrenzverhalten steckt.

Wie kommt man aus der Rivalität heraus?

Ein erster Schritt ist – wie so oft – ein Gespräch zu suchen, in dem man die eigenen Gefühle schildert. Hier geht es darum, keinen Vorwurf zu formulieren (und zu hören),  sondern das Schildern auf die eigene Wahrnehmung zu richten.

Vielleicht gelingt es, für sich und auch gemeinsam herauszufinden, welche gerade unerfüllten Bedürfnisse hinter den aktuellen Gefühlen stecken: ein Bedürfnis nach Selbstbestimmung, nach Gesehen-Werden, nach körperlicher Nähe, nach Ruhe…

Oft bedarf es etwas Übung, für sich herauszufinden, um was es „eigentlich“ geht, und dann den Mut aufzubringen, es mit der Partner:in zu besprechen.

Bei einem geringen Selbstwertgefühl gilt es, die eigene Selbstliebe zu stärken. Je nachdem, als wie festgefahren der Umgang miteinander und mit sich selbst erlebt wird, kann in Erwägung gezogen werden, Unterstützung in Beratung und Therapie zu suchen.

Wenn es gelingt zu erkennen, dass hinter unterschiedlichem Verhalten oft ein sehr ähnliches Ziel steckt, und man es schafft, ein Verständnis für die eigenen Bedürfnisse und die des/der anderen zu entwickeln, kann das der erste Schritte aus der Rolle der Rivalen heraus sein.


Haben Sie selbst eine Frage an unsere Expertinnen im Familienrat? Dann schreiben Sie uns bitte: redaktion@in-gl.de

Nina Tackenberg leitet als Elternzeitvertretung die Katholische Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle in Bergisch Gladbach. Sie hat einen M.A. in Arbeits- & Organisationspsychologie sowie ein Diplom in Sozialer Arbeit, ist Systemische Coachin (DGSF), Gesundheits- und Krankenpflegerin.

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