Die Bürgerinitiative Moitzfeld Herkenrath hat im Vorentwurf für den Flächennutzungsplan so viele grundsätzliche Defizite und Fehler entdeckt, dass sie für einen Neustart des gesamten Prozesses plädiert. Am Anfang sollte im Dialog mit den Bürgern geklärt werden, wie Bergisch Gladbachs Zukunft aussehen soll. Erst dann könne man sinnvoll über Flächen für Wohn- oder Gewerbegebiete sprechen.
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Wir nehmen zum Vorentwurf des Flächennutzungsplans Stellung, entsprechend des Kerngebietes unserer Initiative insbesondere im Hinblick auf den Osten von Bergisch Gladbach, entlang der Achse A4 AS Moitzfeld / Moitzfeld/Herkenrath/Spitze. Die nachfolgend identifizierten, zahlreichen strukturellen Defizite des Vorentwurfs sind jedoch aus unserer Sicht nicht auf diesen Bereich beschränkt, sondern finden sich in ähnlicher Form im gesamten Plan wieder.
Allerdings sind die Auswirkungen, die sich aus dem Vorentwurf ergäben, für den Osten von Bergisch Gladbach derart massiv, dass dieser wie kein anderer Bereich der Stadt seinen Charakter und seine Struktur verlieren würde.
Die geplante großflächige Ausweitung der Siedlungs- und Gewerbeflächen steht im krassen Widerspruch zu dem gesetzlich (u.a. §1a, Abs. 2 BauGB) und von den übergeordneten Planungsvorgaben (z.B. dem aktuellen Landesentwicklungsplan LEP) priorisierten Gebot des Freiraumschutzes und der Flächensparsamkeit.
Hinweis der Redaktion: Die Stellungnahme der Bürgerinitiative Moitzfeld Herkenrath auf 28 Seiten dokumentieren wir unten vollständig, bei diesem Text handelt es sich um eine Zusammenfassung der BIMH. Sie hatte sich auch schon zuvor detailliert zu Wort gemeldet. Diese Beträge finden Sie hier:
- Aufruf an die Bürger Bergisch Gladbachs: BIMH macht Bürgerbeteiligung zu Bürgerentscheid
- Offener Brief an alle Bürger von Moitzfeld und Herkenrath
- Bürgerbeteiligung – ein Trauerspiel
- Ein Ruhrgebiet im Gladbacher Osten?
- Alle Beiträge der Bürgerinitiative Moitzfeld Herkenrath
Zudem ignoriert der Vorentwurf völlig die – bereits im Verlauf der letzten Jahre zahlreich durch die Bürger artikulierten Wünsche an die Entwicklungsziele für den Osten von Bergisch Gladbach hin zu einem grünen, familienfreundlichen Lebensumfeld unter Erhalt der dörflichen Strukturen. Diese sind auch in den diversen im Vorfeld erarbeiteten Konzepten (Freiraumkonzept, ISEK 2030) so festgeschrieben, werden durch den vorliegenden Vorentwurf jedoch konterkariert.
Gewerbegebiete im Grünen machen keinen Sinn
Die großflächig vorgesehenen Gewerbegebiete (z.B. G-Mo8, G-As2a, G-Mo6) sind gänzlich abzulehnen – sie widersprechen dem Gebot der Flächensparsamkeit und den vom Rat beschlossenen Entwicklungszielen für den Osten von Bergisch Gladbach.
Der vermeintliche Bedarf für neue Gewerbegebiete ergibt sich zudem nur durch die Verwendung von unsachlichen Annahmen im Rahmen der Prognoseerstellung. Eine Berechnung auf Basis realistischer Trenddaten muss zu dem Ergebnis kommen, dass die vorhandenen Brach- und Reserveflächen in der Stadt ausreichen.
Lesen Sie mehr, debattieren Sie mit:
Der Vorentwurf zum FNP und alle weiteren wichtigen Dokumente
Alle Beiträge zum Flächennutzungsplan
Debatte zum FNP allgemein in der Facebook-Gruppe „Politik in GL”
Debatte zu den Auswirkungen des FNP auf Moitzfeld Herkenrath, FB
Eine Verlagerung von Gewerbe und Industrie aus den angestammten Gebieten an den Stadtrand ins Grüne ist eine längst überholte Politik des vergangenen Jahrhunderts und steht im Widerspruch zu den aktuellen – auch in Köln zu beobachtenden Tendenzen, der Reaktivierung der alten Industriegebiete für innovative neue Unternehmen (siehe Mühlheim/Schanzenstraße, Ehrenfeld/Vulkan-Gelände, …).
Angesichts des sich abzeichnenden Strukturwandels hin zur Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft müssen die vorhandenen innerstädtischen Flächen in Bergisch Gladbach qualitativ ertüchtigt und für neue urbane Arbeitsformen attraktiv gemacht werden. Hier bieten sich aktuell mit dem Zanders-Gelände große Chancen. Diese gesamte Thematik wird vom Vorentwurf des FNP vollständig ignoriert!
Wohngebiete würden dörfliche Strukturen zerstören
Die vorgesehenen großflächigen Wohngebiete (z.B. Hr12a-d, Hr10a, Hr2d, Hr6a, As2) stehen im direkten Widerspruch zu den im ISEK 2030 benannten Entwicklungszielen des Osten von Bergisch Gladbachs und würde zur vollständigen Urbanisierung von Herkenrath und Umgebung führen.
Ein behutsames, qualitativ gesteuertes Wachstum unter Erhalt der dörflichen Strukturen entsprechend der Entwicklungsziele für den Osten von Bergisch Gladbach ist durchaus vorstellbar. Der Siedlungsdruck aus Köln sollte dabei gezielt als Chance zur selektiven, qualitativen Entwicklung genutzt werden, nicht als unabwendbares Naturgesetz.
Hierzu wäre zunächst klar festzulegen, welche Zielgruppen in Köln angesprochen werden (z.B. junge Familien mit dem Wunsch nach „Grünem“ Umfeld) und dann hierfür zielgerichtete Flächen bereitzustellen. Die Bebauungsdichte hat sich dabei an der vorhandenen Besiedlung anzupassen, einer Verstädterung der dörflichen Strukturen ist vorzubeugen!
Bereits bestehenden Verkehrsprobleme berücksichtigen!
Grundsätzlich sind bei allen Planungen im Osten von Bergisch Gladbach die aktuellen Grenzen der verkehrlichen Erschließung zu berücksichtigen: Die jetzt schon bestehenden Verkehrsprobleme an der L289 sprechen klar gegen eine weitere Entwicklung, zumal aufgrund des Freiraumschutzes und zum Erhalt der Alleenstraße Verkehrswege nur noch sehr begrenzt ausgebaut werden dürfen.
Unrealistische Wunschträume wie eine Anbindung von Herkenrath/Spitze an die Linie 1, die bereits gutachterlich als unrentabel identifiziert wurden, können und dürfen keine Grundlage für die Planung sein.
Priorität für Freiraum-, Landschafts- und Naturschutz
Dem Freiraum-, Landschafts- und Naturschutz ist im Osten absolute Priorität einzuräumen. Gerade im Osten von Bergisch Gladbach finden sich große Landschafts- und Naturräume, die wichtige Freiraumfunktionen für die Bevölkerung, die Natur und auch nicht zuletzt für das Bild von Bergisch Gladbach als Grüne Stadt an der Grenze zum Bergischen Land prägen.
So ist die Landschaftsbild-prägende, überregionale Grünachse zwischen Moitzfeld und Herkenrath in Gänze zu schützen und zu erhalten. Auch zeigt sich, dass der Vorentwurf bei der Flächenausweisung bei allen großflächig ausgewiesenen neuen Flächen existierende Landschafts- oder Naturschutztatbestände systematisch ignoriert.
Flächenausweisung „auf Vorrat” ist nicht zulässig
Generell verbietet das Gebot der Flächensparsamkeit eine Ausweisung „auf Vorrat“. Es ist mitnichten so, dass Freiraum ein Residuum ist, das halt „übrig bleibt“, nach dem Wohn-/Gewerbe- und Sondergebiete eben umgesetzt wurden oder nicht.
Vielmehr ist es ein gleichwertiges Planungsziel und muss entsprechend planerisch festgelegt werden. Hierzu sind entsprechende Räume/Korridore mit ihren Freiraumfunktionen wie Biotopvernetzung, Frischluftentstehung und Landschaftsbild in den Plan aufzunehmen und entsprechend als Entwicklungsziel zu definieren.
Defizite des Entwurfs machen Neustart des gesamten Prozesses sinnvoll
Diese Defizite des Vorentwurfs sind so gravierend, dass es aus unserer Sicht zielführend wäre, den aktuellen Prozess abzubrechen und einen Neustart zu wagen.
Am Anfang sollte hierzu eine im ausführlichen Dialog mit den Bürgern geführte Zielfestlegung ausgehend vom ISEK 2030 und dem Freiraumkonzept stehen: Wohin soll sich Bergisch Gladbach qualitativ entwickeln?
Erst im Anschluss wären diese qualitativen Ziele auf Basis detaillierter Abwägungsprozessen unter Berücksichtigung des Primats der Flächensparsamkeit, dem Vorrang der Innenentwicklung und unter Aufrechterhaltung des aktuellen Landschafts- und Naturschutzes quantitativ in Flächenkonzepte zu übersetzen.
Grundsätzliche Forderungen an einen neuen Entwurf
Grundsätzlich ist die großflächige Ausweisung von Vorratsflächen nach dem „Gießkannenprinzip“ im Osten von Bergisch Gladbach zurückzunehmen:
- Die im Vorentwurf enthaltenen Flächen für Siedlungsflächen im Außenbereich wären auf ein Minimum zu beschränken und in der Siedlungsdichte an die Umgebung anzupassen.
- Für eine Neuausweisung von Gewerbeflächen im Außenbereich gibt es zurzeit keinerlei Gründe, so dass diese vollständig aufzuheben wären. Dies betrifft im Osten insbesondere das Gebiet „Voislöhe Ost“ (G-Mo8), aber auch die anderen großflächigen Gebiete wie Moitzfeld/Steinacker (G-Mo6) und Spitze (G-As2a).
- Neu sollte hingegen eine detaillierte Freiraumplanung aufgenommen werden, die den Erhalt der zentralen Grünkorridore, Frischluftschneisen, Gebiete zur Biotopvernetzung und die Landschaft als grüner Lebensraum für die Bewohner und Gäste als Schutzziele langfristig sichert.
In der im folgenden dokumentierten vollständigen Stellungnahme belegen wir die einzelnen Aspekte unserer vorangegangenen Zusammenfassung im Detail.
Herr Iffland scheint noch nie von Güter-Straßenbahnen gehört zu haben, von denen wir in Zukunft sicherlich mehr sehen werden, da Elektro-LKW (zumindest bisher) nur mit Oberleitungen möglich scheinen.
Und: Der Bau von Straßenbahnen ist keine ökonomische, sondern eine stadtplanerische, mithin politische Frage. Wie werden unsere Städte wieder lebenswert, und wie wird eine nachhhaltige Mobilität aussehen in 25 Jahren?
Sehr geehrte/r Frau/Herr UK,
wie Sie schon selbst richtig erkannt haben, sollte neuer Wohnraum möglichst nah an den Stadtkernen durch Nachverdichtung geschaffen werden. Dies ist aber im vorliegenden FNP Entwurf gerade nicht der Fall. Es werden gigantische neue Flächen an den Rändern ausgewiesen – ohne Lösungen für den Verkehr. Dies gilt für die geplanten 50ha Industriegebiete analog. Auch hier haben wir die moderne Lösung angemahnt: Aktivierung und Qualifizierung von Bestandsflächen wie es am Beispiel Zanders auf 36ha gerade geschieht.
Eine Trasse über den alten Bahndamm, die Sie ansprechen, ist und bleibt ohne Autobahnanschluss reine Fiktion. Das gleiche gilt – hier aus ökonomischen Gründen – für eine Bahnverbindung bis Herkenrath. Die wird es noch in 30 Jahren nicht geben. Gäbe es sie denn müsste dennoch gezeigt werden, wie denn der Güterverkehr aus über50ha Industrie- und Gewerbegebieten über die Straßenbahn abgewickelt werden soll. Haben Sie da eine Idee?
Es ist zwar nicht Aufgabe der Bürger, FNP Alternativen zu entwickeln, sondern Aufgabe der gut bezahlten Verwaltung und deren noch besser bezahlten Berater. Dennoch gibt es sehr wohl reichlich Alternativvorschläge von vielen Seiten aus der Bürgerschaft, und diese sind allemal realistischer, ökonomischer und besser für die langfristige Entwicklung unserer Stadt als der gegenwärtige FNP Entwurf.
Bevor wir an dieser Stelle wieder in eine sinnvolle Diskussion einsteigen können, müsste allerdings die Zielfrage geklärt werden: Wo und wie wollen unsere Bürger denn in 20 Jahren leben? Ebenfalls müssten die schon grotesk frisierten Basiszahlen und Annahmen des FNP wieder die Realitäten abbilden und eine tatsächlich wissenschaftliche Grundlage geschaffen werden. In diesen beiden zentralen Punkten ist der FNP Entwurf völlig ungenügend und bleibt daher ohne Wertung.
Auch wenn Vieles zutrifft, so fehlt bei dieser Stellungnahme doch etwas die konstruktive Alternative. Ausnahme: Die Thematisierung des (früher oder später ehemaligen) Zanders-Geländes in der Innenstadt, das neue Gewerbeflächen weitgehend überflüssig macht.
Ja, Grünflächen sind schützenswert – aber aus diesem Text spricht doch arg die berüchtigte NIMBY-Haltung (’not in my backyard‘).
Dass angesichts steigender Mieten mehr Wohnraum benötigt wird, steht m.W. außer Frage. Dieser sollte so nah wie möglich an den Stadtkernen liegen (Nachverdichtung!) und verkehrstechnisch gut angeschlossen sein. Um Letzteres zu verbessern, werden wir außer der Verbindung nach Herkenrath noch weitere neue Straßenbahnlinien brauchen, z.B. über den alten Bahndamm, aber auch nach Schildgen oder Heidkamp. Als einzige Großstadt ohne Fernzughalt sollte das wohl das Mindeste sein!