„Milde Narkose – die Fasziantion des Lesens” nennen Klaus Hansen und Klaus Hansen ihre Ausstellung in der Volkshochschule. Es geht um Lesezeichen als Lebenszeichen, aber auch um eine Philosophie rund um das Lesen.
Eine lehrreiche und humorvolle Werksschau aus Text-Collagen und konzeptioneller Fotografie. Zur Vernissage am Dienstag wird ein ganzes Universum an Lesearten aufgefächert. Wir haben Klaus Hansen vorab befragt und einige fragmentarische Kunst-Leseproben mitgebracht.
Klaus Hansen ist zwar auch Fotograf, aber er arbeite konzeptionell, das betont er gleich zu Anfang. Um ihn und seine Arbeit im Detail zu verstehen, muß man von einem ähnlich komplexen Universum kommen oder zumindest spüren, was ihn geprägt hat und was ihn antreibt. Jemand wie Klaus Hansen der Jüngere, der zweite Künstler der Ausstellung.
Vernissage: Dienstag, 3.9. von 19.30 Uhr
Begrüßung: Michael Buhleier, VHS
Einführung: Prof. Dr. Klaus Hansen: Faszination des Lesens
Einwurf: Dr. Lothar Sütterlin
Klaus Hansen der Ältere hat Design studiert und lange in der Werbung gearbeitet, als Layouter, Bildredakteur, Art Director, Geschäftsführer einer Werbeagentur und später in einer Agentur für soziales Marketing. Er ist um die ganze Welt gereist, hat kulturelle und landschaftliche Eindrücke abgelichtet und Absurditäten gesammelt, er hat imenses Erfahrungswissen angehäuft und er ist weiß Gott belesen.
In Bergisch Gladbach ist er vielen bekannt als engagierter Kritiker, nicht zuletzt mit seinen Beiträgen im Bürgerportal. Wie bei allen Querdenkern äußert sich seine Kommunikation wie eine Übersetzung von einem Genre ins andere, wie eine Mischung aus Aufklärung und Agitation oder Ironie und Provokation.
Immer ist sie auch kreativ-satirisches Amüsement bis zur bissfesten Glosse und durchaus auch Mittel zum Zweck – eine strategische Manipulation aus der Venunft heraus.

Der Kern der Gruppe : ZWEIFELLOS : Lothar Sütterlin (Bergisch Gladbach); Klaus Hansen (der Jüngere, Stommeln), Lesezeichen; Klaus Hansen (der Ältere, Bergisch Gladbach), Fotografie
Die totale Verwirrung
Nicht nur die Namens-Dopplung ist verwirrend. Klaus Hansen, der Ältere, arbeitet in dieser Ausstellung ein weiteres Mal mit Klaus Hansen dem etwas Jüngeren, zusammen.
Der etwas Jüngere lebt in Stommeln und wurde in Pronsfeld/ Eifel geboren. Er studierte Kommunikationswissenschaft und Psychologie und promovierte in Philosophie. Er war Dozent und Leiter einer politischen Akademie, hatte Lehraufträge an den Universitäten Köln und Siegen und war Regierungsdirektor im Bundesinnenmisterium. Es folgten die Professuren für Politik und Kommunikation an der Hochschule Niederrhein und in Krefeld und Mönchengladbach.
Klaus Hansen der Jüngere bezeichnet sich selbst als Geschichtenerzähler und er pflegt vor allem die Gesellschafts- und Wissenschaftssatire.
Die „Lesezeichen” von Klaus Hansen dem Jüngeren sind einerseits pragmatisch. Sie helfen wieder in die Welt der Lektüre einzusteigen. Andererseits hat man das Gefühl, dass sie den Lesefluss kurz stoppen, nur um innezuhalten und sich bewusst zu werden, dass man liest.
Beide Hansen gehören mit Lothar Sütterlin, zum Kern der Künstlergruppe Zweifellos, die zuletzt unter dem Titel „Sowohl als Auch – die Kultur des Missverstands“ eine tiefschürfende Ausstellung in der VHS realisiert haben. Hansen der Jüngere referierte dort über „Missverständnisse als Lebensadern unserer Kommunikation“- ein Thema das sicherlich artverwandt ist mit dieser kreativ – forschenden „Faszination des Lesens”.
Die Werks-Serien in der VHS
Initiativ für diese Ausstellung war Hansen der Jüngere und dessen Serie „Lesezeichen“. Laut Definition im Ausstellungskatalog „dienen Lesezeichen dazu eine bestimmte Textstelle nach unterbrochener Lektüre wieder aufzufinden.“
Seine Lesezeichen sind aber kein einfaches Lese-Hilfsmittel, wie man es gewohnt ist. So wie sie sich dem Betrachter der Ausstellung offenbaren, werden sie zum Sinnbild für das Unterbrechen der Lektüre. Es geht um eine Art Deklination des Lesens und um den großen Begriff der „Lesekompetenz”, den wir eigentlich aus der Diskussion in der Schulbildung kennen.
„Denn wer lesen kann , sei ein Lesender, aber noch kein Leser” sagt Hansen der Jüngere, der Philosoph.
Lesekompetenz bedeute, gemäß Pisa (vereinfacht gesagt), geschriebene Texte und auch Diagramme und Landkarten zu verstehen, zu nutzen und darüber zu reflektieren. Für ihn sei dieser Begriff eingeschränkt, denn er besage nichts über die Fähigkeit die Lektüre ästhetisch zu würdigen, sie zu genießen und ein eigenes Stilempfinden zu entwickeln, so Hansen.
Ausstellung: 4.9. bis 2.10., montags bis freitags 8-21 Uhr
VHS, Buchmühlenstraße 12, 51465 Bergisch Gladbach
Auch das Lesen von optischen Material wie beispielsweise Gemälde, Film und Fotografie sei nicht inbegriffen. Frei nach dem theoretischen Ansatz, Lesen fördere die kognitive und emotive Beweglichkeit, betrachtet die Ausstellung das Lesen also aus einem metakommunikativen, einem philosophischen Blickwinkel.
Die Ausstellung hat eine klare Botschaft: Lesekompetenz ist ein Begriff, der nicht nur von Kindern abverlangt wird. Es geht um mehr als nur darum, Buchstaben in der richtigen Reihenfolge zu lesen. Foto: Klaus Hansen
Hansen präsentiert 25 Lesezeichen-Exemplare, eine Art Menü aus dadaistisch-experimentell anmutenden Typografien und satirisch-verspielten Philosophien. Darunter zahlreiche Anagramme, die mit der ursprünglich vieldeutigen Verwendung von Worten spielen. Gerade die deutsche Sprache hat mit ihrer heutigen Begriffsmanie eine Evolution zum einseitigen Wortgebrauch erfahren.
Der kompetente Leser erspürt das in den poetischen Wort-Collagen unterschwelllig, und das, ohne in Medientheorien belesen zu sein.
Der (ältere) Bergisch Gladbacher Hansen hängt den Lesezeichen seine konzeptionell-fotografischen Sichtweisen gegenüber: 25 Serien mit je drei Sinnbildern zum Thema Lesen.
Zum einen sieht man lesende Menschen, wegetreten in vertiefter Lektüre. „Milde Narkose“ nennt das Hansen und bezieht sich auf den Ausdruck von Siegmund Freud.
Ein Drittel der ausgestellten Werke zeigt „Zubehör“, wie es Hansen nennt – Dinge, die nur am Rande mit Lesen zu tun haben. Man erkennt den Bezug zum Titel erst, wenn man den Kontext weiß, wenn man die Serie wie eine Bildergeschichte liest und wenn man die gedanklichen Zwischenräume kreativ auszufüllen vermag. Es seien „heitere, manchmal ironische und nachdenkliche Geschichten”.
Leser oder Lesender? Inwiefern sind wir nachdenklich, wenn wir einen Obdachlosen, ganz weltmännisch Zigarre rauchend, ein Buch lesen sehen? Foto: Klaus Hansen
Die Forschung
Lesen diene der Orientierung – mehr denn je im digitalen Zeitalter, sagt Hansen der Ältere. Heute ermöglichen Apps sogar weltweites Nachschlagen und aktuellste Informationsbeschaffung in Echtzeit. Das sei für die meisten Mitmenschen unserer Kultur mittlerweile selbstverständlich, wir hinterfragen das kaum noch.
Warum auch, unser Hirn sei dafür ausgelegt, fehlende Informationen automatisch zu vervollständigen. Mit unserer Gewöhnung an digitale Wegweiser und bildliche Hilfsmittel würden es sogar mehr Automatismen werden, die unser Lesen prägen und unser Hirn formen. Das sei eine höchst spannende Entwicklung, sagt der Hansen, der aus der Medienwelt kommt und keine Angst vor neuen Technologien habe.
Ein Blick in die Kognitionswissenschaften ist ein ebenso spannendes Thema: Mehr Informationen zur „Hchöstlistenug früs Hrin.“ gibt Lothar Sütterlin im Katalog und in seinem Referat zur Vernissage.
„Lesen ist ein Zeichen, eine Ikone, man braucht nur noch Fragmente um den Sinn zusammenzusetzen.“ Hansen der Gladbacher zeigt viele Fundstücke, unterschiedlichste Fragmente von Schildern, die ehemals Hinweisschilder waren. Einige sind schlicht verwittert, andere wurden pragmatisch recycelt und sinnentleert zusammengesetzt.
Andere sind bis zur Unkenntlichkeit aufgelöst, wie beispielsweise eine Bahnhofsanzeige. Ganz automatisch ordne man die Dinge ein, nach dem was man kennt, sagt Hansen, während er die Bilder nach Verwandtschaft sortiert.
Eine kryptische Landkarte? Kunst? Hätten Sie es gewusst? Dies zeigt einen Code der Straßenbauarbeiter, die unterirdische Rohre markiert. Lesen kann, wer ES lesen kann. Foto: Klaus Hansen
Man sieht, was man kennt. Genau da ist auch schon die Grenze des gewohnten Lesens und die Serie geht seicht über in eine latente Gesellschaftsktitik. „Lesen kann, wer ES lesen kann, wer dazu gehört“, betont Hansen, der lange Marketing für soziale Unternehmen gemacht hat. Eine differenziert ausgebildete Sprache ist immer auch einem spezifischen Milleu vorbehalten, einer sogenannten Bildungsschicht.
Andererseits, viele Texte und auch Bilder leben vom Chiffre für Eingeweihte, was auch sein Gutes hat. Gerade das nicht Erklärbare, die offenen Fragen, die Zwischenräume wecken unseren Forschungstrieb, sie amüsieren uns, sie sind ein essenzieller, ein kommunikationsfördernder Teil unserer Kultur.
Kompetentes Lesen ist eine Fähigkeit, die in Zeiten der schwarzweiß-denkenden, populistisch spaltenden Worte, mehr als nur wünschenswert ist. Diese Fähigkeit will individuell ausgebildet und gesellschaftlich kultiviert werden. Dazu braucht es Aufklärung, Agitation und Kunsträume wie diese Ausstellung.
In bestimmten Momenten der Ausstellung hat man den Eindruck, daß Bildung an sich noch keine Lösung ist, sondern erstmal ein Unterscheidungsmerkmal. Foto: Klaus Hansen: „Business class“
Ausstellung:
vom 4.9. bis 2.10., montags bis freitags 8-21 Uhr
VHS, Buchmühlenstraße 12, 51465 Bergisch Gladbach
Vernissage:
Dienstag, 3.9. von 19.30 Uhr bis 21 Uhr
Begrüßung: Michael Buhleier, VHS
Einführung: Prof. Dr. Klaus Hansen: Faszination des Lesens
Einwurf: Dr. Lothar Sütterlin