Dmytro, 17 Jahre, ist mit seiner Mutter und seiner Schwester aus Dnipro nach Bergisch Gladbach gekommen. Hier erzählt er von der Flucht – und davon, was er zurückgelassen hat.
Ich lerne Dmytro am Freitagnachmittag in einem Refrather Garten kennen. Die Familie Kellermann hat in den letzten Tagen drei aus der Ukraine geflüchtete Frauen mit ihren Kindern aufgenommen, jetzt hat sie zu Kaffee, Kuchen und einem ersten Treffen der in der Nachbarschaft gestrandeten Ukrainer:innen eingeladen.
Es sind viele Frauen und noch mehr Kinder und Jugendliche. Die Kommunikation ist schwierig, die Erwachsenen können nur Ukrainisch oder Russisch, ich kann beides nicht. Bei den Jugendlichen habe ich mehr Glück: Der 17-Jährige Dmytro spricht gut Englisch. Er beantwortet meine Fragen sehr freundlich, bedächtig. Wenn ein Wort fehlt, hilft das Smartphone.
Ich bin beeindruckt, wie ruhig und gefasst er wirkt. Er ist erst am Donnerstagmorgen mit seiner Mutter Natalia und der kleinen Schwester Anna in Bergisch Gladbach angekommen.
Nachdem ich seine Antworten aufgeschrieben habe, schicke ich sie seiner „Gastmutter“, damit er sie lesen und eventuell ändern oder ergänzen kann. Es ist ihm sehr wichtig, dass seine Geschichte erzählt wird. So wichtig, dass er sie selbst noch einmal auf Ukrainisch aufschreibt, per Translator auf Englisch übersetzt und mir über seine Gastmutter zuschicken lässt. Hier ist die deutsche Übersetzung seines Texts:
„Ich komme aus Dnipro, Ukraine. Wir mussten unsere Stadt wegen des Krieges verlassen, den Russland in meinem Land entfesselt hat. Wir haben drei Tage gebraucht, um nach Bergisch Gladbach zu kommen. Mit dem Zug, mit dem Bus, zu Fuß. Es war eine schwierige Reise, aber wir haben sie bewältigt.
Wir haben ein paar warme Kleidungsstücke mitgebracht, Hygieneprodukte, Handy-Ladekabel und Essen.
Mein Vater, der nach dem Kriegsrecht das Land nicht verlassen durfte, ist in der Ukraine zurückgeblieben. Ich vermisse ihn sehr und kann es kaum erwarten, ihn wiederzusehen.
Ich vermisse auch mein Zuhause, meine Haustiere, meine Freunde und Verwandten, meine Schule, meine Muttersprache und so viel mehr.
Ich möchte ein Riesen-Dankeschön aussprechen an all die Menschen, die uns Ukrainern helfen.“
Dmytro
Anmerkung der Redaktion: Wir werden in den kommenden Tagen und Wochen weitere Geschichten von in Bergisch Gladbach aufgenommenen Ukrainer:innen erzählen. Einige von ihnen werden wir ein Stück begleiten und darüber berichten, wie sich ihr Leben hier weiter entwickelt.
In einem ersten Beitrag hatte Laura Geyer die Familie Pushkarov porträtiert, die es dank der Entschlossenheit der Mutter Anna und der Freundschaft zu dem Deutschrussen Oleg Stark nach Bergisch Gladbach geschafft hatte.
Wieviel unermessliches Leid hinter den kargen, übersetzen Worten des 17-Jährige Dmytro steckt, kann man erahnen und mitfühlen, wenn man die Kriegsbilder in den Nachrichten sieht. Ein aufschlussreicher Artikel von Laura Geyer.