Anna Zanders 1906. Foto: Stiftung Zanders – Papiergeschichtliche Sammlung.

Haus Lerbach und den Lerbacher Park würde es ohne Anna Zanders, geborene Siemens, nicht geben. In einer weiteren Folge unserer Serie lässt unsere Autorin daher das Leben dieser Garten- und Kunstfreundin Revue passieren – die auch über Lerbach hinaus sehr viel für Bergisch Gladbach bewirkt hat: Die Stadtbücherei, die Gartensiedlung Gronauer Wald, das Zanders-Bad und einige andere Dinge verdankt die Stadt dieser starken Frau.

Anna Eleonore Sophie Zanders wurde am 19.12.1858 in Berlin geboren. Ihr Vater war der bekannte Unternehmer Werner von Siemens, der 1888 in den Adelsstand erhoben wurde. Anna Zanders Mädchenname wurde rückwirkend zu „von Siemens“ geändert, so steht es auch auf ihrem Grabstein.

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Ihre Mutter Mathilde verstarb als Anna sieben Jahre alt war. Anna wurde zunächst von Privatlehrern zu Hause unterrichtet. Anna galt von klein auf als eigenwillig, durch-setzungsstark und oftmals verschlossen.

Annas Eltern lebten ihr und ihren Geschwistern Familien- und Gemeinsinn vor, indem sie teilweise über Wochen auf ihrem Anwesen in Charlottenburg Mitglieder der großen Familien und Freunde beherbergten. Ihrem Vorbild folgte Anna Zanders später in Haus Lerbach.

Somit hatte Anna von klein auf regen Kontakt zu ihren Tanten, Onkeln, Cousinen und Cousins. „Die Kinderchen gedeihen so recht», schilderte Werner 1861 seiner Schwägerin in London. „Namentlich Willi und Anna blühen wie die jungen Rosen. Die ganze Vetternschaft war fast den ganzen Tag zusammen und bildete eine recht muntere, flüchtige, kleine Truppe“.

Frau Zanders geb. von Siemens zu Haus Lerbach

Mit fünfzehn Jahren besuchte Anna Zanders ein Mädchenpensionat in Canstatt bei Stuttgart, denn als höhere Tochter sollte sie umfassend gebildet sein.

Seit Ihrer Heirat mit Richard Zanders am 28. Mai 1887 lebte sie in Bergisch Gladbach und ab 1892 in Haus Lerbach. Sie nannte sich fortan „Frau Zanders geb. von Siemens zu Haus Lerbach“. Ihre Adresse lautete Haus Lerbach bei Bergisch Gladbach. Die heutige Straße „Lerbacher Weg“ war ein schmaler unbefestigter Kutschweg, den Anna Zanders oft benutzte.                                                                                 

Anna war zeitlebens sehr mit ihrer Familie verbunden. Besonders mit Hertha aus der zweiten Ehe ihres Vaters verband sie eine innige Beziehung.  Anna Zanders organisierte alle zwei Jahre zu Ostern ähnlich wie ihr Bruder Wilhelm von Siemens auf seinem Gut in Biesdorf ein großes Familientreffen. Sie feierte ihre Geburtstage gern inmitten ihrer Familie im großen Stil. Anna Zanders war kinderlos und hatte daher die Kinder aus ihrer Familie gerne um sich, die frei im Park spielen durften.

Foto: Stiftung Zanders

Zunächst wohnten Anna und Richard Zanders in der oberen Etage der Villa Zanders, der Wohnstätte von Richards Mutter Marie Zanders. 1888 kaufte Maria Zanders den Igeler Hof, in dem das frisch vermählte Paar bis zu seinem Umzug nach Haus Lerbach wohnten. Der langjährige Freund und Musiker Max Bruch war hier häufig zu Gast.

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Vom Wunderkind zum Komponisten

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Igeler Hof um 1870. Foto: Stiftung Zanders
Igeler Hof um 1870. Foto: Stiftung Zanders

Da die Fahrt mit der Pferdekutsche vom Igeler-Hof zur Papierfabrik in der Innenstadt zu beschwerlich war, suchte sich das junge Ehepaar eine Bleibe in der räumlichen Nähe zur Fabrik und erwarb 1893 Haus Lerbach. Annas finanzielle Ressourcen aus ihrer Mitgift und ihrem Erbe des 1892 verstorbenen Vaters ermöglichten den Kauf.

Da das bestehende Renaissance-Wasserschloss feucht und nicht komfortabel war, wurde neu gebaut. Es entstand somit der heutige Herrensitz, der nach englischem Vorbild Landsitz genannt wurde. Erst 1960 in der „Althoff-Ära“ nannte man den Herrensitz Schloss.

Richard Zanders vor Haus Lerbach. Foto: Sammlung Markus Hetzenegger

Anna Zanders, obwohl in der Großstadt Berlin geboren, liebte das Landleben. Sie stand gegen halb sechs auf, machte ihre Gymnastik und noch vor dem Frühstück spazierte sie ausgiebig durch ihren geliebten Park. Sie selbst bezeichnete sich als Morgenmensch, „von dem der Abend nicht viel mehr fordern darf“.

Anna Zanders ließ andere an ihrer Natur und -Kunstfreude teilnehmen, indem sie den Park öffnete und beispielsweise Künstler kostenfrei bei sich logieren ließ. Haus Lerbach war für Anna Zanders eine „Stätte hoher Geistigkeit und künstlerischer Darbietungen“.

Als gläubige Protestantin veranstaltete sie im Park häufig Gottesdienste im Freien. Alexe Altenkirch, Professorin an der Kölner Kunstgewerbeschule und ihre Freundin, unterrichtete ihre Schüler ab 1928 im Park regelmäßig.

Fotos: Thomas Merkenich

Dank Anna Zanders wurde Haus Lerbach zum bekannten und beliebten Mittelpunkt kultureller Veranstaltungen. Musik und -Literaturveranstaltungen gab es häufig, denn das Ehepaar Zanders war sehr musikalisch.  Anna spielte Klavier und Richard Geige; er hatte auch Musikstücke für Violine und Klavier komponierte. Man besaß sogar einen Bechstein Flügel.

Max Bruch und der damals bekannte Geiger Joseph Joachim waren häufig zu Gast. Wie auch der Düsseldorfer Pianist Hülser in Haus Lerbach oft sonntagsmorgens spielte. Für ihre Mitarbeiter und deren Familien veranstaltete Anna Zanders jedes Jahr ein ansehnliches Weihnachtsfest im Foyer des Herrensitzes. Jedes Weihnachten hatten die Kinder ihrer Mitarbeiter Wünsche frei, die Anna Zanders stets am ersten Weihnachtstag erfüllte.

Richard mit seiner Mutter Maria Zanders (um 1885). Quelle: Beatrice Busjan/Yvonne Groß: Anna Siemens und Hertha Siemens, hrsg. von der Werner-Siemens-Stiftung Ch-Zug, Schwerin 2020

Anna Zanders wurde 1906 mit 48 Jahren plötzlich Witwe als ihr Ehemann Richard bei einem tragischen Unglück im Park ums Leben kam. Richard Zanders hatte in seiner Funktion als Rittmeister im Steinbruch in der Nähe des Landsitzes einen neuen Armeerevolver erprobt. Bei seinem Schießversuch löste sich ein Schuss, der ihn in den Kopf traf.

In dieser schweren Zeit bot ihr der Park Trost und „wohltuende Ablenkung“ wie Anna Zanders selbst betonte. Die erste Zeit nach dem tragischen Unglück zog sie sich zurück, bis sie mit ihrer Freundin Alexe Altenkirch für einige Wochen nach Florenz fuhr.

Die erste Italienreise unternahm sie übrigens als Schülerin zusammen mit ihrem Schulkameraden Rudolf und seiner Mutter. „Alle „waren trunken von der Schönheit eines italienischen Spätsommers und des herrlichen Tags in übervollem Schmuck der erwachten Natur jenes gesegneten Landes“, so schwärmte sie noch Jahre später von Italien.

Ihre erste Erfahrung mit einem Garten machte sie im Garten von Rudolfs Eltern. Anna Zanders erinnerte sich stets gerne an diesen Garten. „Der ganze Garten war übersät mit Blumen, auch unter Glas und ein kleines Treibhaus und in Rudolfs Elternhaus roch es nach Quitten“.

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Nach dem Tod Ihres Mannes musste Anna Zanders nun das große Gut alleine mit 37 Beschäftigten bewirtschaften. Zu ihrem Hausstand gehörten unter anderem eine Hausdame, ein Verwalter, eine Sekretärin, diverse Küchenmädchen und Kammerzofen, einige Gärtner für die hauseigene Gärtnerei, Mitarbeiter für die Wäscherei und Schreinerei, für die Remise sowie eine eigene Hausschneiderin.

„Et Lierbächer Ännsche“

Die seit 1926 in Haus Lerbach tätige Hausdame Helene Börner beschrieb Anna Zanders als jemand, die ein strenges Regiment führte. Trotz ihrer Strenge, ihren wechselnden Stimmungen und ihrer couragierten Art nannten die Bergisch Gladbacher Bürger sie liebevoll „et Lierbächer Ännsche“.

Es war in der Bevölkerung allgemein bekannt wie aktiv sich Anna Zanders sozial und kulturell für Andere einsetzte. Zu ihrem 75. Geburtstag erschien im Stadt-Anzeiger für Köln vom 21.12.1933 ein Artikel, der sie als Dame ehrte, „die sich mit Geist und Geschmack anregend, helfend und fördernd betätigt und das heutige Stadtbild ihrem Einfluss vieles zu verdanken hat.“

Haus Lerbach wird in diesem Artikel als „ein schöner Landsitz im stillen Waldwinkel“ beschrieben, „der den Wanderer durch die Anmut seiner Lage und den feinen Geschmack erfreute.“

Henrik von Siemens

Henrik von Siemens sagt über seine Urgroßtante, dass diese ein besonders gutes ästhetisches Empfinden hatte. Wie sonst, so Herr von Siemens, sei es zu erklären, dass sie sich einen der damals renommiertesten Gartenschöpfer Albert Brodersen nahm.

Anna Zanders war die Großtante seines Vaters Wendelin von Siemens, Sohn von Hermann von Siemens. Hermann war der Sohn ihres ältesten Bruders Arnold, also Anna Zanders Neffe und ihr Erbe.

Das Ehepaar Zanders prägte das gesellschaftliche Leben der Stadt Bergisch Gladbach maßgeblich und nahm aktiv daran teil. Richard Zander wurde 1892 Stadtverordneter und 1897 kaufte das Paar Land an, um nach dem Vorbild der englischen Gartenstadt, die Richard in England kennenlernte, die Gronauer Waldsiedlung zu gründen.

Es entstand eine grüne Einfamilienhaussiedlung für die Arbeiter ihrer Fabrik mit hoher Wohnqualität. Beide unterstützen den 1881 gegründeten Verschönerungs-Verein Bergisch Gladbach. Nach dem Tode Ihres Mannes setzte Anna Zanders dieses Engagement im Sinne von Richard fort.

Zwei „Zwitscherkisten“ in der Gartensiedlung erinnern an Anna und Richard Zanders.

1906 stiftete sie zum 50-jährigen Stadtjubiläum den Marmorbrunnen im Flur des Rathauses, die Fenster des Sitzungssaals und die Einrichtung des Bürgermeisterzimmers.

1907 gründete Anna Zanders zum Gedenken an ihren Mann eine der ersten deutschen Volksbüchereien, eine öffentliche Bücherei und Lesehalle der Richard Zanders Stiftung, die spätere „Richard Zanders Bücherei“. Bis 1919 trug die Stiftung die Betriebskosten und ab 1919 die in der Vereinigung Richard-Zanders-Bücherei vertretenden Firmen und die Stadt Bergisch Gladbach. Die 1907 ebenfalls gegründete Lesehalle wurde 1919 geschlossen.

fAnna Zanders 1906. Foto: Stiftung Zanders – Papiergeschichtliche Sammlung.

Die Leiterin der Bücherei in den 20-er Jahren, Fräulein Emelie Franke, erhielt von Anna Zanders eine Festanstellung mit Pensionsanspruch. Diese Bücherei, in der Kindervorlesungen, Heimatabende, Dichterabende, wissenschaftliche Vorträge, Frauenabende und Literaturabende angeboten wurden, war religiös und politisch neutral und „gehässige Trendschriften“ waren verboten.

Zwanzig Jahre lang war Anna Zanders Vorsitzende der Maria-Zanders-Stiftung und betreute den von Maria Zanders gegründeten Cäcilien-Chor. Sie war unter anderem Mitglied im Vaterländischen Frauenverein und im regionalen Geschichtsverein.

1912 trat sie der Deutschen Gartenbaugesellschaft bei und wusste daher stets gut Bescheid über die jeweils aktuelle Park- und Gartenpflege, die sie in ihrem eigenen Park praktizierte.

Um zu verhindern, dass die gebauten Häuser in der Gronauer Waldsiedlung mit Gewinn weiterverkauft wurden, gründete Anna Zanders 1913 die Gemeinnützige Gartensiedlungsgesellschaft Gronauer Wald (GGG).

1914 schenkte sie der Stadt die Badeanstalt an der Bensberger Straße mit einem 150 qm großen Schwimmbecken und rund zehn öffentlichen Wannenbädern. Zu dieser Schenkung zählten das Grundstück, die Architektenpläne und sämtliche Baukosten unter der Bedingung, dass die Stadt die Kosten für den Badebetrieb übernahm.

Das Zanders-Bad bei der Eröffnung.

Anna Zanders gehörte einem Ausschuss der Vereinigung zur Erhaltung deutscher Burgen an und nahm an vielen Studienreisen teil. Hier begegnete sie interessanten Menschen, die sie wie auch die Mitglieder dieser Vereinigung zu sich nach Haus Lerbach einlud.

Am 27. Juli 1939 starb Anna Zanders unerwartet mit 80 Jahren, fünf Wochen vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges. Einen Tag vorher besuchte sie noch zusammen mit ihrer Hausdame Fräulein Börner eine Ausstellung über Siedlungen in Köln und abends eine Generalprobe des Cäcilien-Chores. Sie hielt dem von ihrer Schwiegermutter gegründeten Chor bis zuletzt die Treue und nahm regelmäßig an den Proben teil.

Cäcilien-Chor von 1939. Foto: Stiftung Zanders

Bis zum letzten Tag war die naturverbundene Anna Zanders mit Verbesserungen in ihrem Park beschäftigt. „Sie war zwar oft müde und nicht mehr bei allzu bester Gesundheit, doch hatte niemand mit ihrem schnellen Ableben gerechnet“, so schreibt ihre Schwester Käthe, die unverzüglich ihren Urlaub auf Langeoog abbrach und zur Beerdigung nach Bergisch Gladbach eilte.

Käthe fiel nicht nur der der Abschied von ihrer Schwester Anna schwer, sondern auch von Haus Lerbach, denn sie verbrachte hier wie sie selbst erwähnte „viele herrliche Frühlingswochen“. In den Nachrufen und der Trauerrede würdigte man die Verstorbene als eine Dame, „bei aller Güte ihres Herzens streng in der Pflichterfüllung, die andere und in erster Linie sich selbst forderte“.

Man bezeichnete sie als einen Menschen mit einer großen Liebe zur Natur, Musik und Kunst und einem ausgeprägten sozialen Verantwortungsgefühl. Sie wurde in verschiedenen Nachrufen als durchsetzungsfähig, eigenwillig und schlagfertig mit einem entschlossenen Willen beschrieben, die auch schon mal aufbrausen konnte: „Jede Behörde, die mit ihr im Briefwechsel stand und in Konferenzen verhandelt hat, kennt den Willen dieser Frau, der unerschütterlich war.“                                  


Die Autorin Annette Voigt ist eine Kennerin des Gartenstil des englischen Landschaftsgartens, Autorin des Buches „Gartennatur im Stil eines englischen Landschaftsgartens“, Freizeitgärtnerin, ehrenamtliche Helferin in den historischen Parks zu Wörlitz und zu Branitz und Veranstalterin von Bildvorträgen. Sie recherchiert seit längerem zur Geschichte des Parks Haus Lerbach. Die Ergebnisse stellt sie nun in dieser Serie vor.

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2 Kommentare

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  1. Liebe Annette, sehr interessant und faszinierend zu lesen, was du über Anna Zanders schreibst.

    Vielen Dank! Herzliche Grüße, Uta