
Bürgermeister Lutz Urbach bringt den Etat für 2015 im Stadtrat ein. Foto: Marcel Kreutz
Etatrede von Bürgermeister Lutz Urbach zum Haushalt 2015 (Manuskript)
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen in Rat und Verwaltung,
eins, zwei, drei – im Sauseschritt – eilt die Zeit – wir eilen mit!
Diese Weisheit von Wilhelm Busch ist nicht neu, und dennoch trifft sie immer noch den Kern der Wahrheit. Im Sauseschritt ist auch unser Haushaltsjahr vorbei geeilt, und wieder steht ein neuer Haushalt auf der Tagesordnung.
Kein Doppelhaushalt
Nach den guten Erfahrungen mit dem Doppelhaushalt 2012/2013 wollten wir Ihnen eigentlich wieder einen Doppelhaushalt für die Jahre 2015/2016 vorschlagen. Von dieser Idee sind meine Vorstandskollegen und ich jedoch wieder abgekommen. — Warum?
Der Hauptgrund sind die zu erwartenden Schwankungen bei den Hochrechnungen für zwei Jahre. Wir wissen, dass unsere Zeit und die wirtschaftliche Entwicklung starken Veränderungen unterworfen sind, Veränderungen, die wir nicht zuverlässig über den Zeitraum von zwei Jahren erkennen und beziffern können. Und auf solche Veränderungen zeitnah reagieren – können wir erst recht nicht!
Zwei haushaltsrelevante Bereiche sind aktuell besonders wenig in Zahlen zu fassen. Das ist zum einen der Zustrom von Flüchtlingen aus Kriegsgebieten. Der Zustrom von MENSCHEN, die bei uns Unterschlupf und Sicherheit finden wollen. Menschen, für die wir nicht nur materiell, sondern auch mit Manpower sorgen wollen.
Während wir im Sommer 2012 rund 100 Flüchtlinge zählen konnten, sind es im Sommer 2014 bereits deutlich über 300, monatlich werden es mehr und mehr. Unsere Unterkünfte platzen aus allen Nähten – darauf komme ich später zurück.
Das Land NRW trägt bisher ca. 35 % der Kosten, bald soll es etwas mehr werden. Auf den restlichen ca. 60 % bleiben die Kommunen sitzen. Und bei dieser Rechnung sind Personalaufwand und Folgekosten wie Kindergartengebühren etc. NICHT berücksichtigt. Diese Kosten gehen auch zu unserer Lasten.
Finale #Urbach: #gl1 ist ein kleiner Fischkutter, fängt kleine Fische – und muss einiges an die LVR-Yacht abgeben
— Bürgerportal (@i_GL) October 23, 2014
… und oben auf dem Deck tobt der Sturm. Beten und Hoffen? Ballast abwerfen? Dicke Fische jagen? Wir müssen uns selbst helfen #gl1 #urbach
— Bürgerportal (@i_GL) October 23, 2014
Die zweite Unwägbarkeit ist die Gewerbesteuer. Die Gewerbesteuereinnahmen sinken – erwartungsgemäß. Diese Quelle konnte ja nicht immer so ergiebig weitersprudeln. Der Jahresabschluss 2014 hat den umgekehrten Effekt des Jahresabschlusses 2012. Damals bekamen wir mehr als erwartet, heute werden wir weniger bekommen als erwartet. Auch dazu später mehr.
Fakt ist: Kämmerer Jürgen Mumdey und ich wollen Ihnen realistische Zahlen vorlegen, und das können wir im Moment nur zuverlässig für ein einziges Haushaltsjahr, nicht für zwei Haushaltsjahre.
Lesen Sie mehr:
Die Rede von Kämmerer Jürgen Mumdey im Wortlaut
Das Twitterprotokoll der Ratsitzung
Jürgen Mumdey: 2016 schlägt die Stunde der Wahrheit
Alle Beiträge zum Thema Etat 2015
Hinzu kommt noch ein weiterer Aspekt: Wir prüfen – in Ruhe, mit der nötigen Zeit und mit allen Betroffenen gemeinsam -, ob es Sinn macht, die Eigenbetriebsähnlichen Einrichtungen wie Abwasserwerk, Abfallwirtschaftsbetrieb und Immobilienbetrieb wieder in den städtischen Haushalt zurückzuführen.
Wenn die Prüfung grünes Licht ergibt, dann wird diese Änderung möglicherweise schon für den Haushalt 2016 relevant, und darum wollen wir ihn nicht mit einem Doppelbeschluss in diesem Jahr blockieren.
Lutz Urbach: “Die Haushaltssituation macht nicht wirklich Freude” #gl1 #etat15 #urbach http://t.co/r4V72nTwRy
— Lennart Höring (@lennarthoering) October 23, 2014
Single-Haushalt 2015
Kommen wir aber jetzt zu einigen Details aus dem Haushaltsentwurf für 2015. Zwei entscheidende Punkte habe ich bereits genannt: Die Herausforderung durch den zunehmenden Flüchtlingsstrom und die weniger üppigen Gewerbesteuereinahmen.
Auf den letzten Aspekt möchte ich etwas detaillierter eingehen.
Darüber hinaus möchte ich Ihnen drei weitere Punkte besonders an Herz legen:
Wie vor einem Jahr geht es auch 2015 noch einmal um das städtische Personal. Meine Kolleginnen und Kollegen in der Stadtverwaltung sind Leistungsträger und Kostenfaktor zugleich.
Auch möchte ich die Investitionen in 2015 kurz erläutern – der Vollständigkeit halber – und um das Vertrauen auf Seiten der Schulen im Keim weiter zu stärken.
Und zu guter Letzt möchte ich Ihnen meine Meinung und die der anderen Bürgermeister im Rheinisch-Bergischen Kreis zum Kreishaushalt und dem des Landschaftsverbandes erläutern.
Wenn Ihnen die ganze Rede zu lang ist – hier können Sie sich durch unter Twitter-Protokoll klicken, mit den wichtigsten Aussagen und Zahlen.
Gewerbesteuereinnahmen
Bleiben wir zunächst bei den Gewerbesteuereinnahmen – den sinkenden Gewerbesteuereinnahmen. Sie können eine enorme Belastung unseres Haushaltsgefüges werden.
Wir müssen uns aktuell darauf einrichten, deutlich hinter dem Ansatz zurückzubleiben – obwohl: Ganz so schlimm wie ich befürchtet habe, wird es wohl doch nicht.
Wir hatten bei der Aufstellung des Haushaltes 2014 schon vorsichtig agiert und den Gewerbesteueransatz auf 37,9 Millionen Euro festgeschrieben. Wenn die letzten Wochen des Jahres keine unangenehmen Überraschungen präsentieren, dürfen wir hoffen, bei 35 Millionen Euro zu landen. Es würde also knapp 3 Millionen Euro fehlen. Nicht schön, aber noch glimpflich.
Diese Entwicklung überrascht uns alle nicht. Die so üppigen Gewerbesteuereinnahmen 2012 waren die Brücke, um aus dem Nothaushalt herauszukommen und 2022 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen zu können
Uns allen war bewusst, dass die Gewerbesteuereinnahmen wieder sinken würden, wenn die zu erwartenden Konjunkturschwankungen einigen Branchen auch in Bergisch Gladbach zusetzen.
Fakt ist also: Wir müssen jetzt den sinkenden Gewerbesteuereinnahmen und den Konjunkturprognosen Rechnung tragen. Lieber halten wir uns hier auch im Blick auf 2015 zurück, damit wir nicht unangenehm überrascht werden.
So schlagen der Kämmerer und ich Ihnen als Ansatz für 2015 die 35 Millionen Euro vor, mit denen wir aktuell für das Haushaltsjahr 2014 rechnen dürfen. Diese Zahl halten wir auch deswegen für redlich, weil sie ungefähr dem Mittel der Einnahmen der letzten 10 Jahre entspricht.
Wirtschaftsförderung
Was tun wir, um satte Gewerbesteuereinnahmen hervorbringen zu können?
Unsere Verkehrssituation ist – vorsichtig ausgedrückt – eine Herausforderung. Wir machen ein Verkehrsgutachten nach dem anderen, haben aber kaum Ansatzpunkte, den Wirtschaftsbetrieben wirksam zu helfen. Die Bahndammdiskussion ist ein zäher Kaugummi, der aktuell in Düsseldorf gekaut wird.
Und wenn wir einzelnen Unternehmen helfen wollen oder Bereiche in unserer Stadt auf ihre Tauglichkeit als Gewerbegebiet prüfen wollen, dann gibt es allzu oft lautstarke Bürgerproteste, denen „die Politik“ nicht selten früher oder später nachgibt. Kaum ein Bürger will Gewerbe in der Nähe haben – aber auch kein Bürger möchte für die kommunale Daseinsvorsorge mehr Grundsteuern zahlen müssen.
A und O unseres Wohlstands ist also eine gesunde Wirtschaft. Bergisch Gladbach ist ein Wirtschaftsstandort. Damit die Menschen hier vor Ort Lohn und Brot finden und die Stadtkasse Gewerbesteuern einnimmt – nicht zum Selbstzweck, sondern für die Daseinsvorsorge -, benötigen wir gesunde und expansionsfähige Wirtschaftsbetreibe.
Als Gegenbeispiel mag unser israelische Partnerstadt Ganey Tikva dienen: Dort gibt es kaum Gewerbe, also auch keine Gewerbesteuereinnahmen. Die Menschen arbeiten nicht in Ganey Tikva, sondern meist in Tel Aviv. Die Kommune finanziert sich über die Grund- und Einkommenssteuer. Auch das funktioniert, macht das Wohnen aber sehr, sehr teuer.
Haushaltseinbringung durch BM, Flüchtlingszahlen steigen, GewerbeSt-Einnahmen sinken. @i_GL ist fleißig dabei. #gl1 pic.twitter.com/t0eiZIFpzr
— Marcel Kreutz (@MarcelKreutz) October 23, 2014
Also streben wir in Bergisch Gladbach eine Mischform an – neben attraktivem Wohnen soll es auch hier attraktives Arbeiten geben. In diesem Sinne steht die Wirtschaftsförderung immer noch ganz oben auf meiner persönlichen Agenda.
Das Gewerbegebiet Obereschbach ist unser TOP-Thema – und es ist auch ein erfolgreiches Thema. Drei Bergisch Gladbacher Betriebe haben wir in der Stadt gehalten, einen Kölner Betrieb siedeln wir an. Mit diesen aktuellen Verkäufen werden in dem Gebiet ca. 150 Menschen arbeiten, mit steigender Tendenz. Denn mit weiteren Grundstücksverkäufen wollen wird das Ziel von bis zu 500 Arbeitsplätzen in Obereschbach erreichen. Dazu zählen nicht nur neue Arbeitsplätze, sondern auch bereits in Bergisch Gladbach bestehende, von Betrieben, die abzuwandern drohten.
Die städtische Wirtschaftsförderung erstellt derzeit ein Brachflächengutachten zur Revitalisierung von Flächen. Fertigstellung und Präsentation soll noch in diesem Jahr erfolgen.
Auch im Bereich der Breitband-Versorgung sind wir auf einem guten Weg. In vier Bergisch Gladbacher Gewerbegebieten wird der Breitbandausbau über Förderprojekt gepusht. Ein zentraler Ansprechpartner für Internet und Breitband wird demnächst den Unternehmen zur Verfügung stehen.
Wir tun, was wir können. Aber, was wir darüber hinaus brauchen, ist eine vernünftige Verkehrsstruktur und eine Bürgerschaft, die eine Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Bergisch Gladbach mitträgt.
Personal
Kommen wir zu weiteren harten haushaltsrelevanten Fakten:
Das Personal – Leistungsträger und Kostenfaktor zugleich. — Leistung hat ihren Preis, und „Made in Germany“ war schon immer eine Empfehlung. Das gilt auch für unsere Stadtverwaltung: Hier wird deutsche Wertarbeit geleistet, eine Arbeit, die Sicherheit und Ordnung und das Funktionieren unseres Gemeinwesens garantiert.
Vor einem Jahr habe ich Ihnen angekündigt, dass ich nicht mehr bereit bin, auf Kosten des Personals weiterhin restriktiv und destruktiv zu sparen. Das können wir weder den Kolleginnen und Kollegen gegenüber verantworten, noch den Bürgerinnen und Bürgern, denen wir ordentliche Arbeit und zeitnahe Dienstleitungen schulden.
Darum schlagen wir Ihnen zum Stellenplan 2015 22,5 zusätzliche Stellen vor, die für die Aufgabenerfüllung zwingend erforderlich sind. Erstmals sind die dafür zu veranschlagenden Personalaufwendungen im vorliegenden Entwurf bereits in den jeweiligen Produkten eingepreist.
Aus den Fachbereichen lagen Mehrbedarfe in einem weitaus größeren Umfang vor! Nach intensiven Beratungen hat der Verwaltungsvorstand nur diese 22,5 Stellen als zwingend notwendig anerkannt.
Indem wir den Mehrbedarf auf 22, 5 Stellen reduziert haben, schweren Herzens – kommen wir Ihren Sparwünschen, meine Damen und Herren, einen Schritt entgegen.
Von diesen 22,5 Stellen entfallen unter anderem 3 auf die Feuerwehr, 5 auf die Bezirkssozialarbeit und wirtschaftliche Jugendhilfe. Und auch alle anderen Stellen sind notwendig – im Wortsinn.
Zum Beispiel in der Betreuung von vermehrt zureisenden Kriegsflüchtlingen. Hier müssen wir etwas tun. Aber: Auch wenn nicht damit zu rechnen ist, dass die Flüchtlingszahlen in den nächsten Jahren wieder sinken, werden zum Stellenplan 2015 zunächst keine dauerhaften Stellen eingerichtet. Dennoch muss hier Personal zugesetzt werden – leider befristet – was mir persönlich auf einer menschlichen Ebene missfällt.
Für 2 Jahre müssen wir uns im Hausmeisterdienst, der Sozialbetreuung und auch in der Verwaltung befristet verstärken.
Mit diesen befristeten Stellen für die Flüchtlingsarbeit sind insgesamt zusätzliche Personalaufwendungen in Höhe von rund 995.000 Euro geplant.
Tarifsteigerungen
Die handwerklichen Missgeschicke der Landesregierung bei der Beamtenbesoldung kennen Sie ja schon, meine Damen und Herren. Was Sie bislang noch nicht kennen, sind die Auswirkungen für die Stadt Bergisch Gladbach.
Zum Sachstand: Nachdem die Koalition in Düsseldorf eine Niederlage vor dem Landesverfassungsgericht kassiert hat und die Rechtswidrigkeit des Gesetzes zur Änderung des Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetzes festgestellt wurde.
Was wir daher getan haben: Wir haben für diese Steigerungen bei den Personalkosten entsprechende Rückstellungen gebildet.
Bitte beachten Sie, dass die im vorliegenden Entwurf 2015 für den Kernhaushalt kalkulierten Personalkosten auf einer Hochrechnung aus dem Mai 2014 basieren. Bei den Tarifbeschäftigten schlagen sich die Tarifsteigerungen aus dem Frühjahr 2014 nieder.
Außerdem endet der Tarifvertrag des Landes, der dem Besoldungsanpassungsgesetz zugrunde liegt, im Dezember 2014. Für das Jahr 2015 wurde in Anlehnung an den Tarifabschluss für die Beschäftigten des TVöD eine Steigerung von 3 % geplant.
Insgesamt ist durch diese tarifliche Steigerung mit zusätzlichen Personalkosten in Höhe von rund 790.000 Euro gegenüber dem Vorjahr zu rechnen.
Weitere knapp 1,5 Millionen Euro begründen sich durch gestiegene Zuführungen zu Rückstellungen u.a. aufgrund eines aktuellen Gutachtens der Rheinischen Versorgungskasse. Der Versorgungsaufwand steigt insgesamt um rund 630.000 Euro.
Damit schließt der Entwurf 2015 im Personalkostenetat des Kernhaushaltes mit einer Erhöhung von insgesamt rund 4,1 Millionen Euro.
Personalkostenbewirtschaftung
Die restriktive Grundhaltung im Personalbereich der Stadtverwaltung zeigt sich immer noch sehr stark bei der Personalkostenbewirtschaftung. Beförderungen werden grundsätzlich erst mit einem Jahr Verzögerung vorgenommen. Freiwerdende Stellen unterliegen einer ebenfalls einjährigen Wiederbesetzungssperre.
Bei jeder Nachbesetzung wird die Erforderlichkeit geprüft und durch den Verwaltungsvorstand beschlossen. Ebenfalls ist in jedem Einzelfall die Zustimmung der Kommunalaufsicht einzuholen.
Drei Problembereiche
Bevor ich das Kapitel „Personal“ schließe, möchte ich Sie auf drei Problembereiche aufmerksam machen. Zum einen ist das die Altersstruktur der Kollegenschaft. Aktuell sind 45 % der Beschäftigten älter als 50 Jahre. Allein der Anteil der über 60jährigen beträgt 10 %.
Wir haben uns also mit einer altersbedingten Fluktuation auseinanderzusetzen, die mit der Möglichkeit des früheren Renteneintrittsalters weiter verstärkt wird.
Zweitens: Der Bereich des Betrieblichen Gesundheitsmanagements. Wir müssen zum Beispiel die zunehmenden Belastungssituationen wahrnehmen. Durch Krankenstände, Wiederbesetzungssperren oder gestrichene Stellen nimmt die Belastung der Kolleginnen und Kollegen stetig zu. Damit auch die offiziellen Überlastungsanzeigen. Auf Initiative des Personalrates werden aktuell Richtlinien hierzu entwickelt. Ich wiederhole gerne meine Aussage vom letzten Oktober: Die Belastungsgrenzen sind erreicht und werden ständig auch überschritten. Das Ende der Fahnenstange im Personalbereich ist erreicht.
Damit bin ich beim dritten Problem, den Personaleinsparungen:
Sollten Sie, meine Damen und Herren, dieses Thema verfolgen wollen, so verschließe ich mich diesem Anliegen nicht, weil die Personalkosten einen enormen Posten im Haushaltsgefüge bilden.
Aber: Ich wehre mich entschieden, wie schon zuvor nach dem „Rasenmäherprinzip“ zu kürzen. Dies geht – wie ich im letzten Jahr und auch eben ausgeführt habe – auf Kosten unserer Angestellten und Beamten, auf Kosten unserer Wertarbeit.
Wenn Personaleinsparungen diskutiert und angegangen werden, dann nur über eine mutige Aufgabenkritik: Wir können im Personalbereich nur verantwortlich einsparen, wenn wir gemeinsam bereit sind, unsere Aufgabenpalette auf den Prüfstand zu stellen, zu analysieren und abzuwägen und dann auch kluge und weitsichtige Entscheidungen zu treffen. Das kann dann auch heißen, dass wir uns von Aufgaben trennen.
Es erfordert Weitblick und Mut, sich auch an unbeliebte Fragestellungen heranzuwagen. Das aber genau ist unsere Aufgabe und Pflicht.
Investitionen
Zur Aufgabe und Pflicht haben wir uns auch die Schulsanierungen gemacht. Diese Mammut-Investitionen sind natürlich äußerst haushaltsrelevant. Gemeint sind vor allem die Gebäudesanierungen am NCG und im Otto-Hahn-Schulzentrum. Diese bilden über viele Jahre den Investitionsschwerpunkt im Immobilienbetrieb
Zur Erinnerung: Das Gesamtvolumen für das NCG ist mit gut 12 Mio. € veranschlagt, das Gesamtvolumen für das Schulzentrum Saaler Mühle mit 18,0 Mio. €. Diese Mittel sind fest im Haushalt eingeplant und schon in Teilbeträgen 2013 veranschlagt und von Ihnen genehmigt.
Wir alle wollen die Sanierung und werden daran festhalten. Die Vorarbeiten laufen planmäßig. Der Immobilienbetrieb und das Schulamt stehen mit den betroffenen Schulen in engem Kontakt, und aktuell wird fleißig an Entwürfen gefeilt.
Weiter soll ab 2015 die Sanierung der Sporthalle im Schulzentrum Herkenrath abgeschlossen werden. Die Maßnahme wird über mehrere Haushaltsjahre mit einem Gesamtvolumen von 3 Millionen € abgewickelt. Für 15 Monate werden wir die Halle schließen müssen. Dies ist bereits mit den betroffenen Schulen und Vereinen thematisiert.
Die anderen Investitions-Posten sind erforderliche Maßnahmen im laufenden Betrieb – leider aber sehr kostenintensive, insbesondere wenn es um den Brandschutz geht.
Allein für die notwendigen Brandschutzmaßnahmen haben wir nicht nur zwei Stellen im Hochbau zusetzen müssen. Wir müssen auch den Finanzbedarf über mehrere Jahre kalkulieren. In 2015 veranschlagen wir 1.580.000 €. Im Klartext heißt das: Neben den genannten Sanierungsmaßnahmen am NCG, OHG und im Schulzentrum Herkenrath wird der Brandschutz an öffentlichen Gebäuden, insbesondere an den Schulen, die meisten Investitionsmittel binden.
Es gibt so gut wie keinen Spielraum für andere Wünsche oder Ideen, aber auch hier geht nun mal die Sicherheit vor.
Kreishaushalt
Die Investitionen in die Schulen sind gesetzte Zahlen. Wir haben sie freiwillig gesetzt. Unfreiwillig gesetzt sind die Umlagen für den Kreis und den Landschaftsverband.
Es macht mir keine Freude, hier kritische Anmerkungen machen zu müssen. Aber die Dinge müssen Jahr für Jahr erneut beim Namen genannt werden. Unsere übergeordneten Behörden leben auf unsere Kosten. Das ist eben so festgelegt – das müssen wir akzeptieren. Aber die Frage ist doch: Wie sie auf unsere Kosten leben
Gemeinsam mit meinen Kollegen aus den kreisangehörigen Kommunen haben wir zum Entwurf des Kreishaushalts Stellung genommen.
Wir Bürgermeister fordern die Reduzierung der Kreisumlage, sollte es noch Verbesserungen aus dem Gemeindefinanzierungsgesetz 2015 geben. Wir erkennen aber auch an, dass durch die Ausgleichsrücklage ungeplante Ergebnisverbesserungen des Kreises den Kommunen mittelbar wieder zugute kommen. Uns würde es aber eher helfen, wenn wir erst gar nicht so viel Umlage zahlen müssten.
Aber verstehen Sie mich nicht falsch: Das Verhältnis zwischen Kreis und kreisangehörigen Kommunen ist in Rhein-Berg ein sehr gutes! Der Kreis hilft uns, wo es eben möglich ist!
So wurde 2013 erstmals eine Stundung von Umlagezahlungen praktiziert, die allen kreisangehörigen Kommunen etwas geholfen hat, über das Haushaltsjahr zu kommen. Diese Vorgehensweise wünschen wir Bürgermeister uns auch – wenigstens für die Monate Januar, Februar und März 2015, gerne länger. Der Liquidität des Kreises wird das nicht schaden
Zum Haushalt des Landschaftsverbands haben wir Bürgermeister uns in diesem Sinne ebenfalls sehr kritisch geäußert. Die Einzelheiten erspare ich Ihnen. Natürlich werden wir dort kaum gehört werden, aber vielleicht haben ja die Kreistagsabgeordneten ein Einsehen. Sie sind näher an uns Kommunen ‘dran.
Schluss: Unser kleiner Fischkutter
Die Haushaltssituation der Stadt Bergisch Gladbach macht nicht sehr viel Freude. Hier gilt das Sprichwort: mehr schlecht als recht. Wir kommen gerade so hin. Und doch bin ich optimistisch: Unser Fahrplan für 2022 ist noch im Lot – und das soll er auch bleiben. Dazu müssen wir gemeinsam handeln. Aber welche Handlungsmöglichkeiten haben wir?
Bleiben wir einmal bei dem Bild des kommunalen Bootes, in dem ja angeblich auch Kreis und Landschaftsverband sitzen.
Ich empfinde die Situation leider als eine andere. Wir sind – die Stadt Bergisch Gladbach ist eher eine Art kleiner Fischkutter. Wir ernähren uns vom Fischfang. Manche Fische sind immer da – die Grundsteuerfische z.B. Andere Fische sind mal mehr, mal weniger da – die Gewerbesteuerfische. Von unseren Fischen müssen wir an den größeren Kutter des Kreises und noch viel mehr an die stolze Yacht des Landschaftsverbands immer einen großen Anteil abgeben.
Wenn wir dabei mal auf das Leben auf diesen Yachten schauen, dann stellen wir fest, dass die Crews dort viel besser ausstaffiert sind als unsere eigenen Leute.
Unsere eigenen Leute sind viel zu wenig. Sie müssen hart arbeiten, viele Überstunden machen, damit wir über die Runden kommen. Ist mal etwas an unserem Boot kaputt, müssen sie das Leck notdürftig flicken. Oft helfen dabei die Passagiere ehrenamtlich mit, sonst wären wir vom Untergang bedroht.
Mühsam versuchen wir, unsere Schätze in den Kajüten zu retten: In der einen hört man Musik, dorthin gehen viele Kinder, um ein Instrument zu lernen. In der nächsten finden sich viele Bücher und Medien. Dort gehen unsere Passagiere gerne ein und aus. Die nächste größere Kajüte ist ganz rostrot. Dort finden Theateraufführungen, Konzerte und Musicals statt. Und dann gibt es noch drei weitere Kajüten. Die eine sieht aus wie eine alte Schule, die andere besteht aus Fachwerk und alten Werkzeugen und die dritte, größte beherbergt viele Kunstwerke – viele aus Papier. Überall sieht man unsere Passagiere freudig herumgehen.
Doch oben an Deck ist weniger Freude. Dort kämpfen viele Menschen beherzt gegen einen tosenden Sturm, der immer größere Schäden an unserem Boot anrichtet, der unsere Kombüse mit den Vorräten angegriffen hat und immer mehr auch in die Kajüten eindringt. Die Menschen auf unserem Boot merken mehr und mehr, in welcher Gefahr sie schweben.
Und jetzt nehmen wir immer mehr Schiffbrüchige auf, deren Lebensgrundlage schon längst in fernen Ländern durch Terror und Krieg verloren gegangen ist.
Was tun wir? Beten und hoffen? Löcher stopfen? Bullaugen abdichten? Ballast abwerfen? Eine Kajüte leer räumen? Damit unser Schiff wieder leichter wird? Oder dorthin fahren, wo wenigstens die Grundsteuerfische schwimmen? Damit wir wenigstens genug zum Leben haben?!
Wir brauchen Mut – Tabuthemen diskutieren
Was will ich damit sagen? Wir Bergisch Gladbacher sitzen allein in dem Boot. Alleine. Wir dürfen nicht auf Hilfe von außen warten. Damit ist nicht zu rechnen. Obwohl sie bitter nötig wäre – diese Hilfe! Wir müssen uns selbst helfen. Das war ja schon immer so!
Unser Ziel für 2015 und die Folgejahre muss es sein, das Haushaltssicherungskonzept weiter konsequent zu verfolgen und es stressresistent zu machen. Dabei sind kreative Köpfe und mutige Herzen gefragt. So wie auf dem Boot. Ich fürchte allerdings, die mutigen Herzen sind bald wichtiger als die kreativen Köpfe. Wir haben kaum mehr Spielraum für Kreativität.
Also: Wir brauchen Mut! Ich bitte Sie, in den Fraktionen auch Tabuthemen zu diskutieren:
Wollen wir alle Einrichtungen erhalten? Können wir uns das leisten? Müssen wir Aufgabenkritik betreiben und uns von freiwilligen Leistungen verabschieden, auch wenn uns das langfristig einen ideellen Schaden zufügt?
Ich weiß, ich bringe mit diesen Fragen Unruhe in unsere Stadt, aber Unruhe – das ist unsere Realität. Die Entwicklung unseres Gemeinwesens reduziert sich immer mehr auf Notwendigkeiten, auf die Grundlagen. Wenn das nicht beunruhigend ist…
Was ich persönlich heute allerdings sehr begrüße, ist die Tatsache, dass dieser Haushalt 2015 – wie auch der BELKAW-Beschluss – auf einer breiten Mehrheitsbasis beruhen wird. Die Verantwortung ist parteipolitisch breit verteilt und wird von vielen Schultern getragen. Von Ihren Schultern, meine Damen und Herren! Nun sind Sie an der Reihe….
Ich wünsche Ihnen und uns gute Haushaltsberatungen. Diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die sich nun ehrenamtlich in eine für Sie neue und sehr komplexe Materie einarbeiten sind ebenso eingeladen, alle Arten von Fragen an die Fachleute in der Verwaltung zu richten, wie diejenigen, die schon in den Vorgängerräten saßen.
Lassen Sie uns gemeinsam unser schönes Boot Bergisch Gladbach auf Kurs halten!