Der Haushaltsplan für 2015, den Bürgermeister Lutz Urbach und Kämmerer Jürgen Mumdey an diesem Donnerstag im Stadtrat einbringen, ist ein komplexes Gebilde. Das gilt erst recht, wenn man die Folgen für die mittelfristige Finanzplanung der überschuldeten Stadt betrachtet. Sollte Mumdey den Inhalt mit drei Sätzen auf den Punkt bringen müssen, würden die ungefähr so lauten:
2012 und 2013 hatten wir glückliche Jahren. 2014 und 2015 mogeln wir uns mit allen Tricks noch so eben durch. Aber ab 2016 müssen wir völlig neu planen und die wirklich harten Entscheidungen treffen.
Wörtlich sagt Mumdey das so nicht. Aber genau das steckt hinter seinen Aussagen, die er im Vorfeld der Haushaltsberatungen im Gespräch mit dem Bürgerportal machte. Mumdey wurde gerade erst auf weitere acht Jahre im Amt bestätigt, er muss sich nicht verbiegen.
So komplex die Zahlen und der Etat auch sind: hier wird von der Verwaltung vorgeschlagen und anschließend von den Stadträten beschlossen, wofür die Stadt in den nächsten Jahren Geld ausgibt, wo sie Leistungen kürzt und wo sie höhere Steuern verlangt. Also arbeiten wir uns durch, Punkt für Punkt.
Das HSK: Von minus 18 Millionen in zehn Jahren auf Null
Ende 2011 hatte die Stadtverwaltung ein Haushaltssicherungskonzept (HSK) ausgearbeitet, in dem Zahl für Zahl und Jahr für Jahr festgelegt ist, wie Bergisch Gladbach innerhalb von zehn Jahren das Haushaltsdefizit auf Null zurückfahren will. Das war die Bedingung dafür, dass die Stadt von der Kommunalaufsicht aus dem Nothaushalt entlassen wurde und ein Mindestmaß an Entscheidungsspielraum zurück erhielt.
2012 und 2013 ging diese Rechnung auf. Zwar stiegen einige Ausgaben weit kräftiger als geplant. Aber gleichzeitig erreichten die Gewerbesteuereinnahmen plötzlich nie für möglich gehaltene Höhen. Damit blieb genug Spielraum, die neuen Löcher zu stopfen.

Das amtliche Ergebnis 2012. Seit der Vorlage im Juli können sich Zahlen für Folgejahre schon wieder verändert haben. Zum vergrößern (2x) anklicken.
Das goldene Jahr
2012, als die Politik zu spät von den hohen Einnahmen erfuhr, um noch neue Ausgaben zu beschließen, ergab sich ein erstaunliches Resultat: nicht wie geplant ein Minus von 13 Millionen Euro, sondern ein Überschuss von 2.178.725 Euro.
Ursache dafür war allein die Gewerbesteuer, die von den üblichen 35 auf 45 Millionen hoch schoss.
2013 hielt sich die Gewerbesteuer auf diesem ungewöhnlichen Niveau. Allerdings wurde die Ausgabenbremse ein Stück weit gelockert, auch zwingende zusätzliche Ausgaben wurden aus dem Gewerbesteuerplus gezahlt. So kommt nach vorläufiger Einschätzung von Mumdey am Ende wahrscheinlich ein nur wenig besseres Jahresergebnis als geplant heraus. Nämlich ein Minus von knapp 16 Millionen Euro.
Der harte Einbruch
2014 kommt der harte Einbruch. Die Gewerbesteuer fällt ebenso rasant wie sie gestiegen war zurück, um zehn Millionen auf das Ausgangsniveau von 35 Millionen Euro. Am Jahresende, so die Erwartung, wird die Stadt erneut ein Minus von 16,5 Millionen Euro machen.
Jahresergebnisse in der Übersicht (Millionen Euro)
2010: – 18,9
2011: – 17,2
2012: + 2,2
2013: – 16 (Schätzung)
2014: – 16,5 (Schätzung)
2015: – 18 (neuer Plan, zuvor geplant: – 13,6)
2016: -18,3 (Plan)
2022: +/- 0 (Vorgabe Haushaltssicherungskonzept)
Eine detaillierte Übersicht 2008 bis 2017 finden Sie ganz unten
Exkurs Gewerbesteuer: Die Ursache für Anstieg wie Fall ist anscheinend die allgemeine Konjunkturentwicklung. Zudem kann es sein, dass hohe Investitionen den Gewinn und damit auch die Gewerbesteuer der Unternehmen gedrückt haben. Besonderheiten wie die Abwanderung von großen Firmen oder Pleiten kann Mumdey nicht erkennen.
Geplant hatte die Verwaltung für 2014 und die nächsten Jahre anders. Nämlich mit einer weiteren allmählichen Erhöhung der Gewerbesteuereinnahmen auf 37,9 Millionen Euro. Prompt handelte sich die Verwaltung und vor allem Bürgermeister Urbach Kritik ein, entgegen aller Vernunft die Zahlen für die kommenden Jahre im Vorfeld der Kommunalwahlen schön gerechnet zu haben.
Urbach (CDU) und auch Mumdey (SPD) kontern: sie hätten vorsichtig gehandelt, doch schreibe der Gesetzgeber genau diese Steigerungsraten bei den Planungen im Haushaltssicherungskonzept vor. Tatsächlich hatte vor allem Mumdey bei seiner Haushaltsrede Ende 2013 explizit davor gewarnt, von dauerhaft hohen Gewerbesteuern zu träumen.
Griff in die Trickkiste rettet 2015
2015 fehlen auf der Einnahmeseite zehn Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr in der Kasse. Hinzu kommen solche Hiobsbotschaften wie die, dass das städtische Baulandmanagement nicht den geplanten sechsstelligen Betrag einbringt. Sondern nichts.
Allerdings, so Mumdey habe die Stadt 2015 noch einmal Glück im Unglück: höhere Landeszuweisungen sowie höhere Einkommensteuereinnahmen summierten sich auf gut zehn Millionen Euro. Gerade genug also, um die Einnahmelücken auszugleichen.
Aber auch auf der Ausgabenseite droht Ungemach, vor allem durch neue und größere Aufgaben, denen die Stadt nicht ausweichen kann.
Absehbare Ausgabenerhöhungen 2015 gegenüber 2014
+ Versorgung von Asylbewerbern 1,7 Millionen
+ Hilfe zur Erziehung 1 Million
+ Kindertagesstätten 2 Millionen
+ Personal und Versorgung 4,1 Millionen (aufgrund von Tariferhöhungen)
+ Pensionäre 0,63 Millionen
+ Dauerhaft neue Stellen 1,2 Millionen (bei Hilfe zur Erziehung)
+ Befristete Stellen 0,165 Millionen (Asylbewerber, Projekt Straßenleuchten)
Viele Ausgaben waren in der Finanzplanung für 2015 bereits enthalten, unter dem Strich kommen aber rund vier Millionen Euro an Ausgaben hinzu.
Dennoch könne sich die Stadt 2015 noch ein letztes Mal retten, hofft Mumdey. Dazu müssten jedoch alle Tricks und Möglichkeiten der kaufmännischen Buchführung ausgenutzt werden.
Ein Beispiel: Der stadteigene Immobilienbetrieb macht jedes Jahr ein Minus. Eigentlich hatte die Stadt gehofft, dass dieses Defizit auf den reichlich sprudelnden Gewinnen der neuen Beteiligung an der Belkaw gedeckt werden könne – wovon schon lange keine Rede mehr ist. Daher muss Mumdey den Verlust des Immobilienbetriebs aus dem Eigenkapital nehmen. Aber das ist bald aufgebraucht.
Exkurs: Belkaw
Entgegen der bisherigen Planung steht im Haushaltsentwurf 2015, dass die Gewinnüberschüsse der Belkaw bis 2017 in Form von Vorabausschüttungen fließen. Und zwar nicht, wie in der ursprünglichen Modellrechnung, in Höhe von 2,5 Millionen Euro pro Jahr, sondern nach den 3,493 Millionen Euro in 2014 in schrittweise geringer werdenden Summen. Am Gesamtvolumen, so Mumdey, ändere sich dadurch nichts. Der tatsächliche Gewinn der Belkaw, von dem die Stadt 49,9 Prozent erhält, wird später abgerechnet.
Am Ende steht im Haushaltsplan für 2015 ein Defizit von 18 Millionen Euro. Damit wird die Stadt die Vorgaben des HSK knapp erfüllen.
Freiwillige Leistungen verlassen den „Korridor“
Aber den sogenannten Korridor bei freiwilligen Leistungen, der für diesen Bereich nur minimale Ausgabensteigerungen erlaubt, wird die Stadt „auch beim besten Willen“ nicht einhalten können, kündigt der Kämmerer an.
Ein Beispiel: Die Stadt muss in der Musikschule um drei Prozent erhöhte Gehälter zahlen. Drei Prozent auf 1,7 Millionen Euro (so hoch sind die Personalkosten in diesem Bereich) reichen schon aus, den Korridor zu sprengen. Eine Anfrage beim Landrat, der für die Kommunalaufsicht zuständig ist, erneut beide Augen zuzudrücken, ist bereits unterwegs.
Der Etat 2015 wird am Donnerstag, 23.10., im Stadtrat eingebracht.
Beginn 17 Uhr, Rathaus Bensberg, Tagesordnung und Dokumente
Ab 2016 muss völlig neu gerechnet werden
2016 aber, warnt Mumdey, komme die Stunde der Wahrheit. Die letzten Reserven sind aufgebraucht. Gleichzeitig muss das Defizit endlich Schritt für Schritt zurückgeführt werden, damit ein Erreichen der Nulllinie bis 2022 überhaupt noch möglich erscheint. Das Ziel 2021, was im vergangenen Jahr noch von Urbach ausgegeben worden war, hat Mumdey bereits aufgegeben.
Als weitere Konsequenz haben Mumdey und Urbach auch den Plan fallen gelassen, jetzt einen Doppelhaushalt 2015/2016 aufzustellen. Statt dessen gibt es einen Einzelhaushalt 2015 – und man wartet ab, was sich bei der Gewerbesteuer weiter tut und auf welche Schwerpunkte sich die große Koalition aus CDU und SPD in den laufenden Verhandlungen einigt.
Aber schon 2015 sind Konsequenzen gefordert. Dann nämlich wird der Doppelhaushalt 2016/2017 aufgestellt und die Zahlen des Haushaltssicherungskonzeptes gründlich überarbeitet werden. Das sieht Mumdey so – und das hat auch Bürgermeister bereits angekündigt. Die Zahlen im HSK, so sagt inzwischen auch Urbach, seien völlig unrealistisch.
Im Klartext: 2015 muss festgelegt werden, wo in den Jahren 2016 bis 2022 so hart gespart wird, dass am Ende der Haushalt ohne Defizit auskommt – und somit die Forderungen des HSK erfüllt werden.
Baustelle Kultur
Mumdey hält zum Beispiel den Kulturbereich für eine der Baustellen. Nach mehreren Sparrunden seien Institutionen wie die Bücherei oder die Villa Zanders so weit „angeknabbert“ worden, dass sie nicht einmal mehr den Status quo halten können. Statt weiter alle Kultureinrichtungen tot zu sparen, hatte der Kämmerer schon früher argumentiert, müsse man entscheiden, ob man nicht eine große Einrichtung ganz schließt.
Diese Entscheidungen werden jedoch nicht vom Beamten Mumdey getroffen, sondern vom Stadtrat. CDU und SPD werden sich also mit ihrer erdrückenden Mehrheit darüber klar werden müssen, wo das Messer angesetzt wird. Sei es bei den Ausgaben – oder bei den Einnahmen. Auch CDU-Vertreter hatten am Stammtisch des Bürgerportals bereits zugestanden, dass man an der Erhöhung der Grund- und der Gewerbesteuer wohl nicht mehr vorbei kommt.
Einnahmen erhöhen, Ausgaben kürzen, Defizit reduzieren. Eine Alternative zu diesem Weg, den das HSK vorgibt, existiert nicht.
Was passiert, wenn man das HSK aufgibt
Das heißt … doch, erläutert Mumdey. Die Stadt kann das HSK zwar nicht aufweichen, sie kann es aber völlig aufgeben.
Dann allerdings wird die Landesregierung einen Sparkommissar einsetzen. Ein Beispiel dafür gibt es: in Nideggen sitzt der Sparkommissar im Stadtrat und stimmt über jeden finanzielle Maßnahme ab. Alleine.
.
Zur Info: Zusammenstellen von Ist- und Ansatzzahlen durch Martin Wiegelmann
Kleiner Tipp fürs Zentralkomitee im Bund und der Gemeinde.
Einfach den Gewerbesteuerhebesatz von derzeit 460% (in Bergisch-Gladbach, Durchschnitt in DE liegt bei 300!) auf 1000% erhöhen.
So macht man rein Rechnerisch aus 37,9Millionen 76 Millionen.
Das schafft dann Spielraum zur Abschaffung der Ungerechtigkeit gegenüber denjenigen Eltern die ihre Kinder selbst und mit Hingabe erziehen weil sie sich ihrer Verantwortung als Eltern stellen und dem gerecht werden. Und das eben nicht der Gemeinde, für 1 und 1,2 also zusammen 2,2 Millionen Euro, aufs Auge drücken.
Munter hoch mit Ausgaben, Kuschelkurs und Abgaben. Wenn Geld knapp wird kommt Brüssel mit der Bazuka und Druckt unbegrenzt Finanzmittel.
Pleite gehen völlig unmöglich, Systemrelevant?!
Erwirtschaften und Haushalten ist überholte Religion von gestern.
Heut haben wir Sozialismus da hat jeder Anspruch auf alles. Dass es da freilich nix mehr geben wird weil keiner mehr Bock hat es zu Erwirtschaften ist lang schon egal.
Politik ist Religion zum Anfassen geworden und hat als solche im Zeitalter des www längst nichts mehr mit dumpfen irdischen Realitäten zu tun. Unangenehme Dinge klickt man weg oder man delegiert sie mit dem Auftrag, das zu bezahlen, einfach an den „Staat“. Wer immer das auch sein mag.
Fazit, noch viel mehr CDU, SPD, linke wählen und am besten gleich noch die FDP per Verordnung der Innenminister verbieten für ihre unangenehmen Wahrheiten mit direktem Realitätsbezug.
In Deutschland wird von größerem Geträumt und nur noch vermeintlich Gutes getan.