Iskandar Widjaja, Ingrid Schaeffer-Rahtgens, Marlis Sauer und Stefan Laskowski

Basement 16, die Galerie in der Schlossstraße, und „Klänge der Stadt” präsentieren ein ungewöhnliches Happening: Bei „Bach & Zen” und „Living Colors” gibt es ein Konzert, eine Zen Zeremonie und eine Malerei-Ausstellung. Und einige Überraschungen für die Besucher.

Text: Antje Schlenker-Kortum. Fotos: Helga Niekammer

Wir waren bei der der Klangprobe und haben mit den Initiatorinnen Ingrid Schaeffer-Rahtgens und Marlis Sauer, mit dem Künstler Stefan Laskowski und dem Star-Violinisten Iskandar Widjaja geredet. Soviel sei vorab verraten: machen Sie sich auf eine spannende Eigendynamik gefasst.

Der Titel der Ausstellung „Living color“ verrät es, die Malereien von Stefan Laskowski sind eigendynamisch. „Die haben so viel Kraft, geballte Farbe. Wenn ich die aus meinem Wohnzimmer wieder entfernen würde, es würde zusammenfallen“ schwärmt Kuratorin, Künstlerin und Kunstsammlerin Marlis Sauer.

Musikalisch gerahmt wird die Ausstellung mit einem Konzert von Iskandar Widjaja, der schon von Kindheit an fasziniert ist vom Geigenspiel und von Johann Sebastian Bach. Und die Musikwelt ist fasziniert von ihm und ehrt ihn mit Preisen und Angeboten der großen Musikhäuser der Welt.

Vernissage: Sonntag, 29.9., 17 Uhr
Eintritt frei. Spenden erwünscht. Keine Anmeldung erforderlich.
Sitzplatzreservierung: 15 € (Spende) unter: klaenge@wir-fuer-gl.de

Dauer der Ausstellung: 29.9. – 6.10.2019,
Öffnungszeiten
: täglich von 11-17 Uhr
Ort: Basement 16, Schlossstraße 16 in 51429 Bensberg

Auch Ingrid Schäffer Rattgens ist sichtlich hingerissen, seit elf Jahren verfolge sie Widjajas künstlerischen Entwicklungsprozess. „So wie der Bach spielt  ich habe ihn damals vom Fleck weg für das Schloss engagiert. Anfangs kannte ihn keiner und es war kaum jemand da. Heute stehen die Leute auf den Stühlen, um ihn zu sehen.“

Der Meister – Bach als Muse

Musikexperten sind sich einig – ob geistlich, barock oder modern interpretiert – die Violinkonzerte von Johann Sebastian Bach bieten sich an, immer wieder neu erfunden zu werden, denn Originalaufzeichnungen gibt es wenige. Bach soll sie seiner Zeit als Thomaskantor in Leipzig für ein junges Orchester komponiert haben. Die reinen, verflochtenen Klänge gelten als Herausforderung für jeden Musiker.

Widjaja schert sich nicht sehr um Schubladen und Regelkonformität, er lässt sich auch von zeitgenössischer Musik inspirieren und er erschafft seinen eigenen „Barock-Pop“.  Also wird er, der Berliner mit indonesischen Wurzeln, die Violinsonate in verschieden Variationen spielen und er lässt sie jeweils in ein neues Genre fließen.

Iskandar Widjaja interpretiert Bachs Violinkonzerte – nach allen Regeln der Kunst

3 Sonaten – 3 Tonarten – 3 Mantras

Widjaja beginnt mit einer meditativen Improvisation in E-Dur – „die für Kindlichkeit, Reinheit, Verspieltheit steht”. Es sei ein Versuch, Bachs Musik als plastisch und vielstimmig erlebbar zu machen. Es folge ein Mantra in H-Moll – der Tonart für den Ausdruck von Tod, Schmerz und Verzweiflung. Im Zen Buddhismus würden negative Gefühle nicht verdrängt, sie würden umarmt – denn sonst würden sie noch stärker. Den Abschluss mache „die Reinheit und Vollkommenheit“ eine Improvisation in C-Dur.

Nun wird der extravagante Revoluzzer Widjaja sehr ernst: „Ich wollte, dass ein Mönch das Publikum vorbereitet. Die Leute kommen kurz vorher, von ganz woanders her. Ich merke den Unterschied, wenn das Publikum richtig da ist. Es zu öffnen, das ist eine Kunst.“

Sanfte Disziplinierung des Publikums

Vor dem eigentlichen Konzert wird der Hörer also mental eingestimmt. Das passiert durch Jion Blonstein, spiritueller Therapeut und Zenmeister, welcher mit Shrutiorgel und Obertongesang die Improvisationen begleite, die vorher lange geprobt wurden.

Diese sanfte Disziplinierung des Publikums mag im ersten Moment radikal klingen, dennoch ist die Schaffung der optimalen Wahrnehmung nur konsequent. Denn schon Claude Debussy soll gesagt haben, dass die Schönheit der Bachschen Violinkonzerte so groß sei, dass man ernstlich nicht mehr wisse, wie man sich hinsetzen und verhalten solle, um des Anhörens würdig zu sein.

Ein Popstar wie aus dem Bilderbuch. Iskandar Widjaja ist ein extravaganter und wandlungsfreudiger Künstler. Zugleich ist er ein bekehrter Musiker, der schon aus Tradition mit Konventionen bricht.

Wear as litttle as possible!*

Hinzu kommt sicherlich die veränderte Erwartungshaltung gegenüber Zeremonien im Allgemeinen. Zu Bachs Lebzeiten erlebten die Menschen Konzerte vornehmlich in Kirchen – in Andacht und Ehrfurcht.

Ursprünglich sind die Violinkonzerte also für Orte komponiert worden, die viel Hall erzeugen können. Der Galerieraum Basement 16 sei wie geschaffen für das Violinkonzert, er klinge fast wie eine Kirche, sagt Widjaja, während er rufend und spielend den noch menschenleeren Raum auf die Probe stellt.

Ideal wäre es, wenn jedweder klangstreuende Störfaktor vermieden werden könne. Eigentlich seien sogar Teppich und Kleidung ungünstig …

* Deshalb will er das Publikum herausfordern, es solle nur das Nötigste an Kleidung tragen.

Beim Vorgespräch macht sich eine rebellische Stimmung im Basement aus. Die Teilnehmer philosophieren, was man vom Gladbacher Kunstpublikum erwarten könne.

Nun mischt sich auch Marlis Sauer ein, Kuratorin der Galerie Basement 16: „Wir brauchen Inseln mit Kissen und Stühlen und ausreichend Cleanex.“

Mercy heißt das neue Album und es ist inspiriert „von der Gnade” seiner Vorbilder. Es ist minimalistisch interpretiert und experimentell kombiniert mit ungewöhnlichen, elektronischen Klängen beispielsweise aus dem Weltraum.

Und was ist mit Charity?

Widjaja und sein Team engagieren sich für Straßenkinder. Die „Be sharp foundation” fördert kostenlosen Unterricht und Musikinstrumente für indonesische Straßenkinder. „Wenn man ein Instrument lernt, schafft man es leichter der Armut zu entkommen,” beschreibt er das Ziel.

Nicht nur das, durch Musik bekäme man ein anderers Mindset, einen Begriff von Würdigung, ja eine ganz andere Lebensanschauung. Und das schaffe Selbstbewußtsein, sagt der Voilinist, der selbst zwar waschechter Berliner ist, dessen Eltern aber aus Indonesien kamen und ganz ähnliche Projekte verfolgten. Möglich sei das erst durch seine Popularität. Er lebe in beiden Welten und genieße den Kontrast zwischen Asien und Europa.

Die Asiaten nähmen sich selbst nicht so unglaublich ernst. Die Gruppenmenthtalität fasziniere ihn– niemand ist allein. Hingegen sei die  Faszination von Bach eine deutsche Prägung: Bach habe eine analytische, strukturelle Seite und er hat Emotion – in perfekter Ballance wie Yin und Yang.

Widjaja ist ein Kind seiner Zeit, er ist gesellschaftlich aktiv und er lebt in mindestens zwei Welten. Er betont, er nutze seine Popularität zur Schaffung von Öffentlichkeit für verschiedene Hilfsprojekte. Um die musikalische Bildung von Kindern zu fördern, gründete er die “Be sharp foundation.” 

Bildungstrieb der Stoffe

Es heißt, Zen Meditation werfe auf sich selbst zurück, auf das eigene Denken und Empfinden im Augenblick. Ein spannender Gedanke, was Violine und Zen mit dem Betrachter machen, wenn er vor den Gemälden von Laskowski steht. Marlis Sauer erzählt, sie könne immer wieder Neues darin entdecken. Der Maler erschafft biomorphe Strukturen – „gezeugt auf Schellack”.

Laskowski erkärt sein Vorgehen selbst. Er arbeite wie ein Biologe, der seine Zellstrukturen ansetze. Nährboden sei das Eigenleben von vergossenem Lack und der Spieltrieb des Künstlers. Zurück bleibe ein Code in zusammenhängenden Strukturen, die sich beinahe wie Schriftzeichen formieren.

Living Colour – Malereien von Stefan Laskowski. Eigendynamische Prozesse, gezeugt durch künstlerisch-wissenschaftlichen Spieltrieb auf der Leinwand.

Sein malerische Technik entspreche seinem Forschertrieb, denn jedes Malmittel finde auf dem Träger seine eigene Formen. Besonders inspiriert habe ihn der Bildungstrieb der Stoffe, ein Gedanke und gleichnamiges Buch von Ferdinand Runge – es ginge um Selbstorganisation, eigendynamische Prozesse der Natur, die komplexe Strukturen und immer wieder ähnliche Formen ausbilde.

Dieser eigendynamisch entstandene Code wird wiederum Laskowskis Vorlage für eine räumlich gemalte Struktur im Bild. Mit dieser Wiederholung im Bild erzeuge es seine eigene scheinbare Wirklichkeit.

Konzept und Technik zielen spielerisch auf eine allgemeine Medienkritik, sagt Laskowski. „Wir glauben, wir sehen eine Wirklichkeit, die wir für Eigenschaften des Gegenstandes halten. Wir berücksichtigen nicht, wie viel Eigenbestandteil des Mediums ist.“

Die Wissenschaft übersetze eine eigentlich unsichtbare Wirklichkeit in technisch erzeugte Bilder, wie beispielsweise die Bilder vom Mikro und Makrokosmos. Ob sie abstrakt oder realistisch sei? Seine Malerei sei weder das eine noch das andere, sie sei beides zugleich.

Stefan Laskowski hat zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen aber auch Auftragswerke für Firmen und öffentliche Auftraggeber in ganz Deutschland realisiert. Der gebürtige Kölner hat an der Fachhochschule in Aachen im Fachbereich Design studiert und in Malerei abgeschlossen.

Auf seiner Webseite kann man viele Details nachlesen. Beispielsweise zu seinem „Gestaltungsfindungsprozess“ und auch sehr persönliche Gedanken zu Medien und anderen Bilderwelten.

Vernissage: Sonntag, 29.9.2019, 17 Uhr
Eintritt frei. Spenden erwünscht. Keine Anmeldung erforderlich.
Sitzplatzreservierung: 15 € (Spende) unter: klaenge@wir-fuer-gl.de

Dauer der Ausstellung: 29.9. – 6.10.2019,
Öffnungszeiten
: täglich von 11-17 Uhr
Ort: Basement 16, Schlossstraße 16 in 51429 Bensberg

Mehr Informationen: Basement 16, Klänge der Stadt

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