Die Skulptur, die 85 Jahre lang das alte Arbeitsamt an der oberen Hauptstraße zierte, stellt einen nationalsozialistischen Arbeiter dar. Dennoch ist er für unsere Autorin, die er Zeit ihres Lebens begleitet hat, ein „alter Freund“. Mit dem Abriss des Gebäudes verschwand der Mann mit dem Hammer, nun ist er im neuen Arbeitsamt ausgestellt. Friederike Naroska hat ihn besucht, und eine jämmerliche Gestalt gefunden.

1982, vor der Fassade des alten Arbeitsamtes an der oberen Hauptstraße

Als ich im Mai 1945 auf die Welt kam, war er schon da: groß und stark, nur mit Stiefeln und einer Arbeitsschürze bekleidet. Mit freiem, muskulösem Oberkörper präsentierte er stolz einen großen Hammer, den er locker auf der Schulter abgelegt hatte. Sein Blick war jahrzehntelang auf unser Haus gerichtet, genau zu dem Zimmer, in dem ich geboren wurde.

Wenn ich nach Hause kam – ganz gleich ob aus dem Kindergarten, der Schule oder vom Spielen –, er wartete auf mich. Das war auch noch so, als ich schon in Tübingen wohnte und zu Besuchen zu meiner Mutter kam. Und auch als ich Juli 2014 wieder in mein Elternhaus gezogen bin, hat er mich souverän empfangen.

Im Januar 2018, als Prof. Michael Werling in der Villa Zanders den Denkmalpflegeplan für unsere Stadt vorgestellt hatte, war ich davon ausgegangen, dass ihm auch dieser Teil der oberen Hauptstraße aufgefallen ist und das Alte Arbeitsamt als ein Bau von 1936 mit dem Mann mit dem Hammer über dem Eingang (das Hakenkreuz aus seinem Sockel wurde nach 1945 mehr oder weniger erfolgreich entfernt) erhaltenswert erscheinen würde.

Im Denkmalpflegeplan Stadtmitte (Büro Vogt/Werling) ist dann auch das unter 2016-07-2 aufgeführte Verwaltungsgebäude Hauptstraße 310 in jeder der fünf möglichen Kategorien durch ein Kreuzchen ausgezeichnet: als

  • ortsbildprägend,
  • bedeutend für die Ortsgeschichte,
  • schützenswerte Kubatur,
  • schützenswerte Architektur- bzw. Fassadendetails und
  • schützenswerter Bautyp.

Bei einem Besuch von Prof. Werling in meinem denkmalgeschütztenHaus (das er in „Geschichte einer Stadt im Spiegel ihrer Baudenkmäler“ beschreiben wollte) – und auf Augenhöhe mit dem Mann mit dem Hammer – erfuhr ich, dass das Alte Arbeitsamt unter Umständen abgerissen werden sollte.

Da ich befürchtete, dass der Mann mit dem Hammer, obwohl er vermutlich eins der im Denkmalpflegeplan erwähnten schützenswerten Fassadendetails ist, den Abbrucharbeiten zum Opfer fallen könnte, sprach ich Herrn Prof. Werling auf „meinem alten Freund“ an und versicherte ihm, dass ich – falls das Gebäude tatsächlich abgerissen werden sollte – diesem gerne in meinem Garten Asyl gewähren würde.

Wenig später galt nichts am Alten Arbeitsamt mehr bedeutend oder schützenswert und das Gebäude sollte „zur Verwertung freigegeben“, d.h. verkauft und abgerissen werden.

Der Mann mit dem Hammer jedoch (von einem Künstler, der 1939 zum stellvertretenden Direktor der Kölner Werkschule ernannt wurde und 1942 über die Kölner Werkschulen die Plastik „Gastlichkeit“ in der nationalsozialistischen Großen Deutschen Kunstausstellung in München ausstellte. Quelle: Wikipedia) wurde am 14.12.2018 mit großem Aufwand vom Sockel geholt.

Am späten Nachmittag sah ich ihn zum letzten Mal, allerdings zum ersten Mal von hinten. Er wurde von einer Steinmetzfirma abtransportiert. Offensichtlich sind die Mitarbeiter der Steinmetzfirma nicht besonders zartfühlend mit dem Kraftprotz umgegangen, denn – wie Fotos vom Bergischen Geschichtsverein zeigen – kamen in der Werkstatt nur Trümmer an.

Der Mann mit dem (neuen) Hammer im Foyer des Arbeitsamtes.

Die Bruchstücke des einstigen Sinnbilds des nationalsozialistischen Arbeiters sind nach 85 Jahren zu einer erbärmlichen Figur zusammengestückelt worden und werden jetzt im Foyer der Agentur für Arbeit an der Bensberger Straße zur Schau gestellt.

Falls man einen Termin hat, darf man dort die auf Kosten des Bergischen Geschichtsvereins notdürftig reparierte Skulptur aus dem Dritten Reich begrüßen. Ich trauere um diesen einstmals stolzen Arbeiter. Er hätte eine friedliche Ruhestätte in der Nähe seines langjährigen Standortes bekommen können.

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7 Kommentare

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  1. Ich kenne diese Statue auch solange ich im Bergischen lebe, in Bergisch Gladbach
    zur Schule ging und nach der Ausbildung für einen Monat Übergangsgeld beantragen musste. Im alten Arbeitamt. Ja – und mir war immer klar, diese Skulptur war dem Stil nach eine dem Nationalsozialisten genehme Machart/Darstellungsart.

    Und trotzdem: dieser Mann gehörte zu Bergisch Gladbach und zum Arbeitsamt. Bergisch Gladbach sollte vielleicht auch zu diesem Teil der Geschichte stehen. Die Generationen von 1914 bis 1945 waren wie sie waren. Nicht alle gut – nicht alle ehrlich – aber ich muss feststellen, es waren unsere Eltern. Ob sie mitgelaufen sind oder nur mitgemacht haben um zu überleben, ob sie überzeugte Nazis waren oder Verfolgte, weil sie andere Werte vertraten – es war die Generation die bis zu zwei Weltkriege miterlebt hat. Die traumatisiert war bis ins tiefste Innere und sie haben uns geprägt. Sie haben uns zum großen Teil das Trauma weitergegeben. Manche haben nicht zu ihrer Gesinnung gestanden. Andere hatten ihren Standpunkt schon lange geändert. Wissen wir wirklich, was in dem Innersten dieser Generation vor sich ging. Ob sie gelitten – gehasst – gleichgültig – überzeugt waren. Nein – viele haben erzählt – haben gewußt – hätten es wissen können. Aber viele haben auch geschwiegen. Es ist schwer zu beurteilen finde ich. Und doch gibt es immer wieder

    Dinge, die uns bis heute begleitet haben. Warum verurteilen wir es erst heute öffentlich und warum nicht schon 1945. Warum stand der nationalsozialistische Arbeiter bis 2018 dort? Warum wurde er nicht schon früher vom Sokel geholt.
    War es Gleichgültigkeit. Scham. Hatte keiner die Courage. Und heute ist diese Skulptur plötzlich negaiv – nationalsozialistisch. Schade. Ich denke diese Erkenntnisse/Hinweise kommen recht spät. Diese Auseinandersetzung hätte 1945 beginnen müssen.

    Ich verstehe aber auch die Autorin dieses Artikels sehr gut. Sie verbindet diese Skulptur nicht mit den Nazis und deren Kunstvorstellung, sondern erlebt ihn jeden Tag, als der, der sie anschaute. Sie hat ja nicht der Gesinnung nachgetrauert sondern einer Figur, die sie ein Leben lang, erstmal unparteisch gesehen, begleitet hat. Halt wie ein Freund, ein Familienmitglied. Weil er einfach da war. In ihr Fenster sah. Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr. Und das drückt sie aus.

    Ich finde nur erstaunlich, dass die Skulptur auf dem Laster völlig instand war. Und dann so zertrümmert ankam. Als hätte einer ihn bewußt zertrümmert. Das finde ich auch sehr unverständlich und auch schade. Für mich wurde das so im Artikel ausgedrückt. Nun ist aber eine Ausdrucksweise herausgenommen. Was auch so gut ist.

    Auch ich fand es schade, dass das Gebäude abgerissen wurde. Viele Menschen haben doch etwas mit ihrem Leben verbunden. Das Arbeitsamt und der Mann der die Arbeit in einer alten Weise verkörperte. Auch wenn diese Arbeit bestimmt sehr anstrengend war und heute noch ist. Ob es der Arbeiter sein sollte, der in der Kriegsindustrie gearbeitet hat, das muss durch Nachforschungen nach dem Künstler geklärt werden. Ich würde darum ernsthaft bitten!

  2. Ich möchte gar nicht den Inhalt Ihres Artikels bewerten und ich habe Verständnis für die Trauer um den vertrauten Anblick. Aber auch wenn die Wortbedeutung richtig ist, halte ich es für sehr unglücklich formuliert, wenn Sie von einer Deportation der NS-Statue schreiben.

  3. Der Mann mit dem Hammer, ist mir in meinem Archiv begegnet. Siehe Foto bei facebook. Ich habe an dieses alte Gemäuer eine besondere Erinnerung. An die Zeit, als dort noch das Arbeitsamt untergebracht war. Lang ist es her. Aber nach meiner Ausbildung wurde ich da vorstellig. Die Dame suchte aus dem Holzkästchen eine Karte heraus. Dort war notiert, dass eine Refrather Werbeagentur eine Bürokraft suchte. Ich bekam den Job und war dort mehr als zufrieden. Positiv wegweisend war diese Arbeitsstelle, würde ich es heute bezeichnen. Danke für den schönene Beitrag.

  4. Da trauert jemand um einen vertrauten Anblick. Das müsste doch jeder, der beobachtet, was in Bergisch Gladbach alles abgerissen wird, verstehen können.
    Das Verständnis für die Ironie, die darin steckt, dass ein Nazisymbol auf Kosten des Bergischen Geschichtsvereins restauriert und präsentiert wird, ist vielleicht nicht bei jedem vorhanden.

  5. Liebe Frau Naroska,
    schön das Sie nette Erinnerungen an ein nationasozialistes Symbol haben. Aber ich wiederhole es gerne: diese Figur ist ein NS-Symbol und was bitte ist ein „nationalsozialistischer Arbeiter“? Für meine Begriffe auch jemand, der in Krupp-Stahlwerken Geräte und Waffen für die Kriegsmaschinerie gebaut hat.
    Und in der nationalsozialistischen Großen Deutschen Kunstausstellung in München ausgestellt zu haben, ist gewiss keine Ruhmeshandlung, da dort nur SS-Regime genehme Werke ausgestellt worden sind. Wem oder was trauern Sie eigentlich nach?