Wie geht Bergisch Gladbach mit der Energiekrise und den steigenden Kosten um? Wie können die Bürgerinnen und Bürger die Belastungen stemmen? Und was macht das mit der Stadtgesellschaft? Antworten auf diese drängenden Fragen gab Bürgermeister Frank Stein im Bürgerclub – unterstützt von weiteren wichtigen Akteur:innen.

Nach Corona, der Flut und dem Klimawandel sieht Bürgermeister Frank Stein die Stadt mit weit mehr als einer Krise konfrontiert – im Online-BürgerClub des Bürgerportals spricht auch er von einer Zeitenwende. Gemeint sind die Auswirkungen des Ukrainekriegs und der Energiekrise, mit anziehenden Preisen und der noch nicht gebannten Gefahr eines Blackouts. Mit unabsehbaren sozialen Folgen.

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Im Fokus des BürgerClubs steht zunächst die Kosten. Stein nennt ein Beispiel: Im Haushalt seien zuletzt 5 Millionen Euro für Gas und Strom eingestellt worden, gebraucht würden nunmehr jedoch mehr als 14 Millionen Euro. Das stellt die Stadt vor enorme Herausforderungen.

Moderator Georg Watzlawek benennt die großen Themenblöcke: Was macht die Stadt, um mit der Krise umzugehen? Was können die Bürgerinnen selbst tun? Und was bedeutet die Energiekrise für die Stadtgesellschaft, für ihren Zusammenhalt?

30 Leute haben sich online zugeschaltet und diskutierten mit Stein, aber auch mit anderen wichtigen Akteur:innen: Vertreten waren u.a. Brigitte Becker (Verbraucherzentrale), Felix Bertenrath (Schulleiter Otto-Hahn Realschule / Stadtverband Sport), Hendrik Beuning (Kreissportbund), Thore Eggert (Stadtkämmerer), Manfred Habrunner (Belkaw), Raphaela Hänsch (Caritas) und Sabine Merschjohann (RBS).

Hinweis der Redaktion: Dieser Text gibt die 90-minütige Gesprächsrunde nur in einigen Schlaglichtern wieder, Sie können den ganzen BürgerClub aber im Video oben nachverfolgen – oder als Podcast anhören.

Was macht die Stadt

Frank Stein sieht generell zwei Herausforderungen:

Ausfall der Energieträger, also den Komplettausfall von Strom oder Gas. „Ich bin optimistisch, dass uns dieses Szenario erspart bleibt“, so Stein. Dennoch müsse die Stadt sich darauf vorbereiten, ihre Aufgaben auch in diesem worst-case Szenario zu bewältigen.

Energie wird teurer – dies stelle die Stadt vor gewaltige ökonomische Herausforderungen. Nun gelte es, Energieverbrauch zu reduzieren. Erstrebenswert seien Einsparungen von 20 Prozent. Ob die Marke erreicht werden könne sei aber offen.

Potentiale gebe es bei der Straßenbeleuchtung, hier nutze man zwar bereits modere LED-Technik. Eine Steuer- und Regelanlage fehlt aber noch, könnte im Winter kommen. Sparen könne man auch beim Heizen der Gebäude, die indes noch nicht über moderen Regelsysteme verfügen. Bei der Beheizung von Schulen rechnet Stein mit Vorgaben des Landes.

Auch mit den Sportvereinen wolle man über Energieeinsparungen sprechen. Eine Schließung der Hallen sei eine Ultima-Ration-Option. Man müsse je nach Entwicklung auch über den Betrieb der Bäder in der Winterzeit nachdenken, eine Schließung sei derzeit aber nicht beabsichtigt. Kommende Woche gebe es hierzu auch ein Treffen mit dem Stadtsportverband.

Große Sorgen macht sich Stein auch um die lokale Wirtschaft. Er stehe in Kontakt mit den großen Arbeitgebern, die noch am ehesten in der Lage seien, die Krise abzufedern. Sehr schwer werde es jedoch für den Mittelstand; vor allem dann, wenn sie energieintensiv produzieren wie zum Beispiel die Bäcker.

Der Bürgermeister bittet schon jetzt um Verständnis für Sparmaßnahmen, die in den nächsten Haushalt einfließen werden, der in diesem Jahr erneut verspätet eingebracht wird.

Was können die Bürger tun

Stein betont die Wichtigkeit des Verbrauchsverhalten in den Haushalten, besonders beim Gas. Für arme Menschen erwartet er Unterstützung von Land und Bund. Er wirbt zusammen mit den Sozialpartnern für eine gemeinsame Kraftanstrengung.

Leistungen für Heizkosten würden bei Sozialhilfeempäfngern automatisch aufgestockt. Kritisch werde es aber für Menschen, die mit ihrem Einkommen gerade darüber liegen, sogenannte Schwellenhaushalte. Für die Einrichtung eines Hilfsfonds – ein Vorschlag der Verbraucherzentrale – sehe er keine Möglichkeiten. Hier seien Land und Bund in der Pflicht.

Gabriele Erhahrdt, Gebäudeenergieberaterin, empfiehlt das Händewaschen mit kaltem Wasser, auch in der Schule. Ihr Tipp: Den linken Eckhahn (für Warmwasser) zudrehen, das spart Energie.

Dass Rechnungen nicht bezahlt werden können, darüber denke man natürlich nach, erklärte Manfred Habrunner, Vorstand des Energieversorgers Belkaw. Das Unternehmen müsse die hohen Weltmarktpreise weitergegeben werden, für Gespräche mit Sozialpartnern stehe man aber in Einzelfällen zur Verfügung. Das Ende der Preissteigerung sei noch lange nicht in Sicht. Man müsse auch über eine Rationierung von Gas nachdenken, warnt Habrunner: „Jeder wird verzichten müssen, es geht um eine Reduzierung des Wohlstandes.“

Das Interesse an Energieberatung nehme wieder Fahrt auf, so Habrunner. Man spreche u.a. mit der Verbraucherzentrale, um das Thema voranzutreiben. Aber die Belkaw allein könne das Problem nicht lösen.

Raphaela Hänsch von der Caritas sorgt sich aktuell vor allem um Alleinerziehende und Senioren. Es fehle derzeit vor allem Beratungskompetenz, aber auch an Klarheit welchen Weg die Politik in der Energiekrise einschlägt. Sie sieht eine große Lücke zwischen der Kostensteigerung und dem Einsparpotential, die Krise betreffe auch die künftigen Angebote der Caritas.

In Einzelfällen, so Hänsch, können man noch ganz gut helfen. Aber was passiere, wenn größere Teile der Bevölkerung in Not gerieten?

Für Felix Bertenrath gehören Schule und Sport nicht zu den Gewinnern der letzten Jahre. Sie würden ihren Beitrag in der Energiekrise leisten. Er fordere die Gewinner der Krise auf, sich einzubringen, ohne konkret zu werden.

Was heißt das für die Stadtgesellschaft?

Hält der Konsens in der Stadtgesellschaf, so die Frage an den Bürgermeister. Der antwortet mit einem klaren „Ja“. Auch Stadtkämmerer Thore Eggert blickt optimistisch nach vorne, schiebt jedoch ein „aber“ nach und plädiert für eine Akzeptanz von Entscheidungen, aber auch eine Belastung der starken Schultern mit Augenmaß.

Raphaela Hänsch von der Caritas betont: „Zusammenstehen ist wichtig!“ Dafür sollten Kirchen, Verbände und Vereine, aber Einzelne sich öffentlich stark machen.

Daran knüpft Stein in seinem Schlusswort an. „Das, was jetzt passiert, wäre ja vermeidbar gewesen. Wir haben uns aber gemeinsam für den schweren, harten, aber menschlich anständigen Weg entschieden, der Ukraine zur Seite zu stehen“, sagte der Bürgermeister. Und das im Bewusstsein, dass „wir darunter massiv ökonomisch leiden werden.“

Damit diese Haltung weiterhin von der großen Mehrheit getragen wird „müssen wir eine Menge tun, das muss gut erklärt werden, dass wir den richtigen Weg gehen, trotz des Wohlstandsverlustes.“

Darüber müsse viel und ausdauernde geredet werden, auch beim Stadtfest am kommenden Wochenende, zu dem auch eine Delegation der neuen Freunde aus Butscha erwartet wird.

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ist Reporter und Kulturkorrespondent des Bürgerportals.

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5 Kommentare

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  1. Meinen Sie, die Kosten für Energie, Lebensmittel und anderes ändern sich, wenn ich das will? Es geht wie bei vielem nur, indem die Stärkeren die Last der Schwächeren mittragen. Ich finde, die Regierung versucht schon, die Mehrkosten so gerecht wie möglich zu verteilen. Was genau richtig ist, wird die Zukunft zeigen.

  2. wir brauchen trotz der warmen Worte von vielen Beteiligten uns nicht trösten. Es wird finanziell viele treffen und in den kommenden Jahren werden wir Sozialhilfekosten erleben, die wir noch nicht gekannt haben. Nach den Gesundheitsämtern in 2021 werden demnächst die Sozialämter zusammenbrechen unter der Arbeitslast.
    Die Kassen der Kommunen sind ja schon leer und werden demnächst schulden aufhäufen, die die Folgegeneration niemals mehr wegsparen kann.
    Und Bergisch Gladbach braucht neue Schulen. die neuen Container-Provisorien für 9 Mio. sollten sich auf eine lange Nutzung einstellen. // anmerkung: container sind auch nicth so leicht zu heizen im Winter und im sommer zu kühlen wie vollgedämmte neue Schulgebäude ;-)

    1. Das hab ich gestern mit einer Freundin besprochen: Die Pflegeheime kosten demnächst so viel, dass so gut wie kein Senior das noch mit der Rente stemmen kann. Ergebnis: die Leistungen müssen dann für nahezu alle Insassen vom Sozialamt erbracht werden. Ich glaube, die Folgen von dem was da gerade läuft sind weder Politikern noch Bürgern in vollem Umfang klar.

  3. Mein Tipp zum sparen: ALLE Stromverbraucher messen, was sie überhaupt fressen. Ich habe das 2019 gemacht und konnte aufgrund der Erkenntnisse meinen Stromverbrauch um 900 kw reduzieren. Neunhundet!! (1-Personen-Haushalt)
    Meine Stromfresser sind Warmwasser (läuft im Wohnkomplex über Durchlauferhitzer) TK-Schrank und Herd.
    Die Durchlauferhitzer habe ich auf die niedrigste Temperatur eingestellt. Beim Spülen erhitze ich weniger Wasser und nicht mehr bis zum Kochen.
    Der TK-Schrank kühlt nur noch bis ca -15°, bei mir setzt sich der Inhalt schnell genug um, das braucht keine -20°. Das muss nur gefroren sein und das wär es theoretisch auch schon bei -10° ausreichend.
    Ich vermeide Herd wo immer es möglich ist. Die Einsparungen im 1. Jahr hab ich in sparsamere Geräte investiert, u.a. Slowcooker und Wasserkocher. Slowcooker brauchen sehr viel weniger Strom obwohl sie viele Stunden länger arbeiten. Das kann man organisieren. Schnellkochtöpfe wären da auch eine Alternative für die, die nicht so lange warten wollen oder können. Der Staubsauger wird nicht mehr jeden Tag eingesetzt, nur noch 1 mal die Woche. Ich ersticke trotz Hund trotzdem nicht im Schmutz.
    Und man muss vielleicht auch nicht jedes Kleidungsstück nach einmaligem Tragen wieder waschen.
    Wer sagt, dass man mit Lichtstrom sparen kann, lügt zwar nicht, aber das ist Pillepalle. Notebook ruiniert mich auch nicht, auch die Lichtdeko auf dem Balkon würde Centbeträge sparen (im Jahr!), wenn ich sie mir verkneifen würde.
    TV hab ich nicht, was das frisst, müsst ihr messen, hab ich keine Ahnung.
    Sucht eure Stromfresser und ihr werdet euch möglicherweise wundern.

    1. Es wäre meiner Ansicht nach nicht weniger anständig gewesen, wenn man bei Endscheidungen die Grundbedürfnisse des gesamten Volkes in Frage stellen, dieses vorher gefragt hätte.