Franziska Hock leitet die Katholische Ehe-, Familien- und Lebensberatung. Foto: privat

Die meisten Menschen sehen Krisen als schwierige Zeiten, auf die sie lieber verzichten würden. Doch selbst, wenn es auf den ersten Blick nicht immer erkennbar ist: Krisen können auch Chancen bergen. Die Psychoanalyse versteht sie sogar als unabdingbaren Bestandteil einer gesunden Entwicklung. Franziska Hock von der Katholischen Ehe-, Familien- und Lebensberatung zeigt, wie man es schafft, eine Krise für sich zum Positiven zu wenden. 

Seit einem Jahr tobt der russische Angriffskrieg in der Ukraine. In den letzten Wochen lesen wir immer wieder von den Problemen in der Kinderbetreuung, in der Pflege. Die Welt ist voller Krisen, im Großen wie im Kleinen – denn auch im Privaten erlebt jeder einmal Phasen, die ausweglos erscheinen.

Die meisten Menschen sehen Krisen als schwierige Situationen, die beschwerlich und lästig sind – und dieses Gefühl ist vollkommen nachvollziehbar. Krisen sind Zeiten, auf die viele gerne verzichten würden.

Doch sind Krisen wirklich nur schlecht? Der Psychoanalytiker Erik Erikson sagte, Krisen seien ein „unabdingbarer Bestandteil jeder gesunden menschlichen Entwicklung, sie treten periodisch immer bei einem Übergang von einem Lebensabschnitt zum anderen auf. Sie sind Nahtstellen und Wendepunkte am Beginn einer neue Lebensphase“.

Krise: Gefahr und Chance

Die von Erikson genannten Übergänge deuten darauf hin, dass Krisen auch, aber nicht nur schwere Zeiten beinhalten. Im Chinesischen werden diese zwei Seiten bildhaft dargestellt, denn das Wort Krise setzt sich aus zwei Schriftzeichen zusammen – das erste Schriftzeichen steht für „Gefahr“, das zweite für „Chance“.

Menschen sehen in einer Krise meist nur die Gefahr. Doch bei all den Problemen in der Welt muss man vielleicht sagen: Krisen gehören zum Alltag des menschlichen Lebens dazu. Anstatt daran zu verzweifeln, gilt es, den Blick zu weiten, um neben der Gefahr auch die (langfristige) Chance zu erkennen. Es gilt, trotz schwieriger äußerer Umstände das Hier und Jetzt aktiv zu gestalten.

Foto: Thomas Merkenich

Ich kann etwa nur den Krieg in der Ukraine sehen und all das Furchtbare, das er mit sich bringt. Oder ich kann mich fragen, was ich tun kann, um die Situation ein bisschen besser zu machen. Etwa indem ich hier vor Ort Menschen helfe, die vor dem Krieg geflohen sind.

Oder, ein einfacher Perspektivenwechsel: Anstatt nur wahrzunehmen, dass es gerade einen Krieg gibt, kann ich versuchen zu sehen, was in der Welt, in meinem eigenen Leben gerade gut läuft.

Wie aber schafft man das? Das Gute, die Chance zu erkennen, wenn man mitten in einer Krise steckt und nur die Gefahr sieht?

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Ein erster und sehr wichtiger Schritt ist die Akzeptanz der Situation: Ja, ich bin in einer Krise, und das kann schwierig sein. Erst dann ist es möglich, den Blick auf notwendige Veränderungen zu richten, um die Krise bewusst zu gestalten und ihr nicht machtlos ausgeliefert zu sein.

Die richtigen Fragen an sich selbst

In jedem Menschen stecken die nötigen Ressourcen zur Bewältigung einer Krise. Mit folgenden Fragen können Sie sie sich bewusst machen:

  • Welche Fähigkeiten habe ich, die mir in dieser Krise helfen könnten?
  • Wie habe ich frühere Krisen gemeistert?
  • Wer oder was hat mir dabei geholfen?
  • Was würde eine gute Freundin, ein guter Freund sagen, welche Qualitäten ich zur Bewältigung dieser Krise habe?
  • Welche Menschen könnten mir helfen, die Krise zu meistern?

Anschließend können Sie sich folgende Fragen stellen, um die anstehenden Veränderungen und Entwicklungen zu betrachten:

  • Wofür lohnt es sich, diese Krise zu überwinden?
  • Für welche Menschen möchte ich die Krise bestehen?
  • Welche Themen stehen bei mir und in der Welt an?
  • Was würde ich tun, wenn ich keine Angst hätte?
  • Welche Ziele habe ich, die mir sehr wichtig sind? Was will ich einmal hinterlassen?
  • Wozu fordert mich diese Krise heraus?
  • Was soll ich lernen?

Auch wenn es in und während einer Krise schwer zu glauben ist – Max Frisch betont: „Eine Krise kann ein produktiver Zustand sein. Man muss ihr nur den Beigeschmack einer Katastrophe nehmen“.


Haben Sie selbst eine Frage an unsere Expertinnen im Familienrat? Dann schreiben Sie uns bitte: redaktion@in-gl.de

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Franziska Hock

leitet seit 2021 die Katholische Ehe-, Familien- und Lebensberatung Bergisch Gladbach. Nach der Ausbildung zur Krankenschwester studierte sie „Soziale Arbeit“ und schloss einen Master of Counseling in Ehe-, Familien- und Lebensberatung ab. Eine Ausbildung zur systemischen Familientherapeutin ergänzt...

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1 Kommentar

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  1. Vielen Dank für diesen sehr konstruktiven und positiven Artikel!

    Gruß aus dem Süden von GL