Dominik Olbrisch im historischen Unterrichtsraum des Schulmuseums. Foto: Laura Geyer

Dominik Olbrisch ist ein Mann voller Überraschungen. Mit Leichtigkeit schafft der 34-Jährige den Spagat zwischen verschiedenen Welten: Latein-Formationstanz und Kunstgeschichte, ländliche Wurzeln und Liebe zur modernen Architektur. Als neuer Leiter des Schulmuseums Katterbach will er nun traditionelle Bildungsgeschichte mit frischen Ideen beleben.

Als ich den neuen Leiter des Schulmuseums in Katterbach googelte, war ich überrascht. Fotos zeigten einen jungen Mann mit 80er-Retrobrille, rotblonden Locken, schwarzem Rollkragenshirt und schwarzer Baskenmütze. Dominik Olbrisch, 34 Jahre alt, Kunsthistoriker, im Vorstand des Kunstvereins Bochum – „aktuelle Gegenwartskunst“ – und der Galerie Januar – „experimentelle Ausstellungsplattform für neue Strömungen“.

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Und jetzt das Schulmuseum der Stadt Bergisch Gladbach. Keine Gegenwartskunst, keine Experimente. Wie passt das zusammen?

„Jeder war auf der Schule. Das ist ein guter Anknüpfungspunkt.“

Dominik Olbrisch lacht, als ich ihm diese Frage stelle. Wir sitzen in seinem Büro, im untersten Stockwerk der Grundschule Katterbach. Die Haare sind kürzer, die Kleidung weiterhin schwarz, aber mit Hemd und Sakko weniger Künstler, mehr, nun ja, Museumsleiter. Dennoch bleibt meine Frage: Warum hat er sich auf diese Stelle beworben?

Als erstes nennt Olbrisch einen ganz vernünftigen Grund: Eine Leitungsstelle bedeutet für ihn einen beruflichen Aufstieg. Dazu noch mit einem unbefristeten Vertrag. Schule sei zwar nicht sein Fachbereich, aber mit dem Thema könne jeder etwas anfangen: „Jeder war auf der Schule. Das ist ein guter Anknüpfungspunkt.“

Angesprochen habe ihn auch, dass es sich um ein kleines Haus handelt. Er erzählt, dass er sowohl in kleineren als auch in größeren Häusern gearbeitet habe. In letzteren sei man einer von vielen, niemand fühle sich wirklich verantwortlich. Ein kleines Team dagegen sei familiär, man verlasse sich aufeinander. „Da schafft man mehr“, findet er.

Ein Mann für alle Fälle

Gleichzeitig sei er in so einem Haus auch für alles Mögliche zuständig, und das gefällt Olbrisch. Er erzählt von Kommilitonen, die sich schon im Studium stark spezialisiert hätten. Er dagegen sei gerne offen und würde Verschiedenes ausprobieren.

Das war einer der Gründe, warum er den Job bekommen hat, erzählt Christoph Lehner vom Förderverein des Schulmuseums, der beim Gespräch dabei ist. Seine Bewerbung sei die erste von 35 gewesen. Fünf Kandidaten habe der Vorstand eingeladen. Dominik Olbrisch hat sich durchgesetzt. Lehner sagt: „Wir brauchen jemanden, der das Museum nach außen repräsentiert.“

Sieht aus, als wäre Dominik Olbrisch (auch) dafür gut geeignet. Er hat eine angenehme Präsenz, ist wortgewandt, humorvoll, voller Ideen und gleichzeitig Respekt vor dem, was hier geschaffen wurde. „Ich will nicht alles neu machen, nur optimieren“, sagt er. Spricht von einem „Schatz“, den er in den Ausstellungsräumen und vor allem im Depot nach und nach entdecke.

„Momentan ist das ganze Haus Dauerausstellung, das heißt, wenn man einmal hier war, braucht man nicht wiederkommen.“

Gerade sei er noch in der Phase der „Bestandsaufnahme“. Er erzählt, wie Christoph Lehner beim Vorstellungsgespräch eine Tür nach der anderen öffnete und er sich fragte, wie er das alles stemmen solle. So langsam, sagt Olbrisch, wisse er aber, wo was sei.

Die Exponate in der Ausstellung sind nämlich nur ein Bruchteil dessen, was das Schulmuseum an historischen Stücken besitzt. Unter den Unterrichtsräumen der Grundschule dient ein gesamtes Stockwerk als Depot.

Aktuell ist Olbrisch drei Tage die Woche vor Ort, hat spontan auch schon Besucher:innen durchs Museum geführt, als Not am Mann war. Die restlichen Tage ist er im Homeoffice in Bochum. Dort habe er den ganzen Schreibtisch voller Post-its mit Ideen für das Museum, erzählt er und lacht.

Museum trifft Kunst

Eine davon: gemeinsam mit den langjährigen Museumsführer:innen durch die Ausstellung zu gehen und zu schauen, was wirklich wichtig und was vielleicht redundant oder zu viel ist, um Platz zu schaffen für wechselnde Ausstellungen.

„Momentan ist das ganze Haus Dauerausstellung, das heißt, wenn man einmal hier war, braucht man nicht wiederkommen.“ Das soll anders werden.

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„Rolle vorwärts“: Das Schulmuseum erfindet sich neu

Eine ganz neu konzipierte Dauerausstellung ist ab September im Schulmuseum zu sehen. Ausstellungsmacher Peter Joerißen und sein Team würdigen damit den 150. Jahrestag der Schuleröffnung in Katterbach. Die Schau wird derzeit aufgebaut, aber wir geben bereits jetzt einen ersten Einblick in die Themenräume. Mit einer Gesprächsreihe will das kleine aber feine Museum weitere Akzente setzen.

Olbrisch überlegt auch, historischen Exponaten moderne Kunstinstallationen gegenüberzustellen. Zum Beispiel im Handwerksbereich, wo viele Stoffarbeiten zu sehen sind – ein Material, mit dem sich auch zahlreiche zeitgenössische Künstler:innen auseinandersetzen.

Textile Kunst erlebt gerade eine Renaissance, da viele Kunstschaffende traditionelle Techniken neu interpretieren und mit aktuellen Themen verknüpfen. Durch solche künstlerischen Interventionen will Olbrisch dem Museum seine Handschrift verleihen und eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart schlagen.

Historisches bewahren, Neues wagen

Dominik Olbrisch, noch einmal im historischen Unterrichtsraum, diesmal auf der Schülerbank. Foto: Laura Geyer

Was er nicht verändern möchte, ist der historische Unterrichtsraum. „Davon lebt das Museum“, findet er. Nicht nur Schulklassen, auch immer mehr private Gruppen würden eine Unterrichtsstunde wie zur Kaiserzeit buchen. Erst kürzlich sei eine Gruppe für einen 60. Geburtstag da gewesen.

Darüber hinaus würde Olbrisch aber gerne das Angebot des Museums ausbauen, das aktuell neben dem historischen Unterricht nur Führungen durch die Dauerausstellung umfasst. Er denkt an erweiterte Öffnungszeiten, an Audio-Guides, mit denen man auch allein durch das Haus gehen kann, und an Workshops.

Diese sollten natürlich mit dem Museumsthema in Verbindung stehen – es könnte also zum Beispiel um altes Handwerk gehen, um Schrift oder um Sport, etwa mit einem Kurs zu Tänzen von vor 100 Jahren. Damit das nicht zu steif wird, denn die alten Tänze seien ziemlich steif, schwebt ihm vor, aktuelle Popsongs auf alt zu trimmen, wie in der Serie „Bridgerton“.

Spagat zwischen Museum und Tanzparkett

Diesen Workshop könnte er sich sogar vorstellen selbst zu geben. Olbrisch ist nämlich nicht nur Museumsleiter mit einer halben Stelle und ehrenamtlich im Vorstand zweier Kunstinstitutionen engagiert. Er pflegt auch ein ziemlich zeitintensives Hobby – als Tänzer in der Latein-Formation des VfL Bochum, in der Zweiten Bundesliga.

Das bedeutet: dreimal pro Woche Training, jeweils vier bis fünf Stunden, plus Trainingswochenenden und Turniere. Erst letztes Wochenende habe er in Aachen getanzt, „eventuell habe ich noch irgendwo Make-up-Reste“, sagt er und lacht.

Er erzählt, wie er dazu gekommen ist: Als er 15 war, habe seine Mutter beschlossen, „der Junge muss mal aus dem Haus“. Er probierte verschiedene Sportarten aus, war in allen schlecht. Bis er beim Tanzen landete.

Damals lebte er in Borken im Münsterland. Er beschreibt seine Heimat als „ländlich und schön“ und behauptet, er könne „Kühe umschubsen und Trecker fahren“. Dank des Tanzens sei auch ein Spagat für ihn kein Problem, sagt er schmunzelnd und meint das vermutlich nicht nur buchstäblich, sondern auch metaphorisch in Bezug auf seine verschiedenen Aufgaben.

Vom Biochemiker zum Kunsthistoriker

Dass Dominik Olbrisch ein Mensch vieler Talente ist, zeigt auch sein Werdegang. Kunstgeschichte war nämlich nicht sein erster Studiengang. Angefangen hatte er an der Uni Bochum mit Biochemie. Er sei gut in Naturwissenschaften, aber am Ende wäre er einfach „zu sehr kreativer Freigeist“ gewesen für das Studium.

Weil er nicht wusste, was er stattdessen machen sollte, setzte er sich einen Tag lang in einen Hörsaal und sah sich sämtliche Veranstaltungen an, die dort stattfanden. Keine einzige überzeugte ihn, bis die letzte Vorlesung begann: „Einführung in die Architekturgeschichte“.

Sie war der Grund dafür, dass er sich in Kunstgeschichte einschrieb. Weil er das Pensum aus dem Biochemie-Studium gewohnt war, hatte er den Bachelor in vier statt sechs Semestern durch und befand: Das Jahr, das er dadurch gewonnen hatte, könnte er nun im Ausland verbringen.

Dublin, Rom, Katterbach

Und weil er sich nicht zwischen Dublin und Rom entscheiden konnte, studierte er je ein Semester in beiden Städten. Die Erfahrung hätte nicht unterschiedlicher sein können: In Dublin war alles klar strukturiert, es gab ein Semesterprogramm für ihn, Lektürevorgaben.

„Das tat mal ganz gut, etwas zurückzufahren mit meiner deutschen Mentalität.“

In Rom dagegen war man gar nicht auf ihn vorbereitet, den deutschen Studenten, der kaum Italienisch sprach. Also suchte er sich selbst ein paar Veranstaltungen heraus, unter anderem eine zu barocker Architektur. Die Gebäude, die sich die Studierenden ansehen sollten, hatte er in der ersten Woche abgearbeitet – um dann zu erfahren, dass das eine Semester-Aufgabe gewesen war.

Also versuchte er, es gelassener angehen zu lassen. Aß viel Gelato, besuchte Mailand, Florenz, Bologna. „Das tat mal ganz gut, etwas zurückzufahren mit meiner deutschen Mentalität“, sagt Olbrisch und lacht.

Aus der barocken Architektur wurde später ein Faible für die Architektur der klassischen Moderne. Und jetzt also, und da schließt sich der Kreis wieder, das Schulmuseum. Ich bin gespannt, wie es weitergeht.


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ist freie Reporterin des Bürgerportals. Geboren 1984, aufgewachsen in Odenthal und Schildgen. Studium in Tübingen, Volontariat in Heidelberg. Nach einem Jahr als freie Korrespondentin in Rio de Janeiro glücklich zurück in Schildgen.

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  1. Eine erfreulich große Bereicherung für Bergisch Gladbach!
    Alle Macher vor !
    Macht Lust, das Schulmuseum erneut zu besuchen…diesmal mit Kindern und Enkeln