Mehr als 1000 Flüchtlinge kamen ab 2015 nach Bergisch Gladbach, in Schildgen gründeten rund 100 Einheimische eine Willkommens-Initiative, die Unglaubliches geleistet hat. Zum 10. Jubiläum erzählen fünf ehemalige Flüchtlinge, wie es ihnen ergangen ist. Zum Beispiel Hosheen Shekhi aus Damaskus, der sich heute als Rheinländer fühlt.

In einer kleinen Serie lassen wir fünf Flüchtlinge zu Wort kommen. Sie berichten von ihrer Flucht, ihrer Aufnahme in Schildgen, den Schwierigkeiten und Erfolgen ihrer Integration – und wie sie sich heute in Deutschland fühlen.

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Hier berichtet Hosheen Shekhi (31, Kurde aus Damaskus, Syrien)

Hosheen Shekhi. Foto: Philipp J. Bösel

„Ich bin 2015 nach Deutschland gekommen und im Haus Pohle untergebracht worden. Kurz vor Weihnachten habe ich im Irish Pub Familie Huber aus Schildgen kennengelernt. Wir waren uns sofort sympathisch, haben uns wieder verabredet und bald fast täglich getroffen.

Schon Anfang 2016 bin ich mit der Tochter der Familie und deren damals zehnjähriger Tochter in eine WG zusammengezogen. Sie hat das eingefädelt, um mich aus Haus Pohle rauszuholen.

Ihre Familie ist meine Familie geworden. So habe ich auch Deutsch gelernt. Die Cousins haben damals Listen geführt mit meinen lustigen Fehlern. Ich habe zum Beispiel zu „Paletten“ immer „Tabletten“ gesagt. Die B1-Prüfung habe ich ohne Kurs geschafft, für B2 bin ich aber an eine Sprachschule gegangen.

Ich glaube, wenn man einmal im Rheinland gelebt hat, kann man es nicht mehr verlassen.

Ich habe ein Praktikum bei Foto Huber gemacht. Ich habe gerne fotografiert, aber ich wollte keine Ausbildung als Fotograf machen. 2018 habe ich meine Aufenthaltserlaubnis bekommen und konnte endlich richtig arbeiten.

Ich habe sieben Monate lang Bewerbungen für eine Ausbildung als Einzelhandelskaufmann geschrieben und nur Absagen bekommen. Erst mithilfe von „Willkommen in Schildgen“ und einem persönlichen Kontakt hat es dann geklappt. Seit 2023 bin ich nun aber bei der Arbeitsagentur angestellt.

Hintergrund: Willkommen in Schildgen

Zehn Jahre ist es her, dass die ersten Flüchtlinge nach Schildgen kamen. Über 100 Menschen gründeten damals die ökumenische Initiative „Willkommen in Schildgen“. Sie begleiteten die Syrer, Eritreer und Iraker, die in Schildgen landeten, bei Amts- und Arztbesuchen, brachten ihnen Deutsch bei, halfen ihnen in Rechts- und in Berufsfragen, um nur eine kleine Auswahl zu nennen.

Nach zehn Jahren sind 72 Prozent der Flüchtlinge von damals in Arbeit, 15 Prozent in Ausbildung oder Studium. (Zu den restlichen 13 Prozent besteht kein Kontakt mehr.) Die meisten sprechen fließend Deutsch, viele habe deutsche Freunde. Eine Erfolgsstory der Integration.

Denn bei der Bewältigung der Krise ist in Schildgen etwas Besonderes passiert: Die Menschen, die sich zusammengeschlossen hatten, um zu helfen, sind zusammengewachsen. Eine neue Gemeinschaft ist entstanden. Darüber habe ich schon 2018 ausführlich geschrieben: „Was die Flüchtlinge mit Schildgen gemacht haben“.

„Angekommen“: Die Fotos der Geflüchteten stammen aus der Jubiläums-Ausstellung von Philipp J. Bösel im Himmel un Ääd. Die 21 farbigen Porträts sind bis 6. Dezember im Café zu sehen (Altenberger-Dom-Str. 125).

Eine weitere Veranstaltung findet am 28. November im Himmel un Ääd statt: „Angekommen – Erfahrungen und Leben in Deutschland/Schildgen“. Im Talk-Format „Auf dem Sofa“ berichten zwei der Flüchtlinge über ihre persönlichen Erfahrungen. Moderation: Margret Grunwald-Nonte, Online-Anmeldung über Himmel un Ääd

Vor circa zehn Monaten habe ich die Entscheidung getroffen, Schildgen zu verlassen und nach Niedersachsen zu gehen. Aber ich habe schnell festgestellt: Ich gehöre zum Rheinland. Ich glaube, wenn man einmal im Rheinland gelebt hat, kann man es nicht mehr verlassen. Also bin ich zurück nach Hause gegangen. Jetzt wohne ich wieder in Schildgen und arbeite in Leverkusen.

Seit 2023 bin ich auch verheiratet, wir haben ein neun Monate altes Baby. Ich spreche Deutsch mit ihm. Mein Freundeskreis ist überwiegend deutsch, meine Arbeit auch. Ich träume mittlerweile sogar auf Deutsch.“

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ist freie Reporterin des Bürgerportals. Geboren 1984, aufgewachsen in Odenthal und Schildgen. Studium in Tübingen, Volontariat in Heidelberg. Nach einem Jahr als freie Korrespondentin in Rio de Janeiro glücklich zurück in Schildgen.

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  1. Vielen Dank für diese Serie und die Einblicke in diese schönen Gelingensgeschichten. Wenn man bedenkt, was diese Menschen neben dem Erzählten so alles erlebt und durchlitten haben, ist es berührend zu lesen, wie sie einen neuen Anfang geschafft haben. Vielen Dank auch an die Ehrenamtlichen, die so manche Lücke, die der Staat gelassen hat, geschlossen haben.

  2. Ist schon schlimm, dass in dem extrem dicht besiedelten engen Deutschland so viele zusätzliche Menschen unterkommen sollen.

    1. Die am dichtesten besiedelten Länder sind (jeweils Einwohner je Quadratkilometer:

      Bangladesch – ca. 1.200

      Taiwan – ca. 650

      Südkorea – ca. 530

      Ruanda – ca. 520

      Burundi – ca. 470

      Indien – ca. 470

      Philippinen – ca. 370

      Niederlande – ca. 520 (stark abhängig von Definition urbaner Gebiete; ohne Stadtstaaten weiterhin in den Top 10)

      Israel – ca. 430

      Haiti – ca. 420

      Belgien – ca. 380

      Japan – ca. 330

      Sri Lanka – ca. 360

      Vietnam – ca. 310

      El Salvador – ca. 310

      Jamaika – ca. 270

      Pakistan – ca. 270

      Deutschland – ca. 240

      1. @ Redaktion: die Menschen kennen viele dieser Länder nur als Tourist aus Urlauben in schönen Hotelanlagen. Da bekommt man dann nicht mit, wie die Einheimischen wohnen: beengt und ärmlich. Denn kaum einer interessiert sich doch wirklich dafür, wie Land und Leute sind und leben.

  3. „Also bin ich zurück nach Hause gegangen“ ! Kann es ein größeres Lob für die Menschen geben, die Dich hier empfangen haben. Kann es ein größeres Lob für Dich geben, dass Du die Stärke hast, unsere für Dich neue, fremde Welt als Dein Zuhause anzusehen? Es ist garantiert nicht alles super, aber Du bist was Deinen Mut, Neues zu akzeptieren angeht, ein Vorbild. Willkommen zu Hause, lieber Hosheen!