Seit Anfang 2007 bietet die gültigen „Richtlinien der Stadt Bergisch Gladbach über die ergänzende Förderung zum Sozialgesetzbuch und dem Asylbewerberleistungsgesetz“ Menschen in sozialen Notlagen Ermäßigungen für Schwimmbäder, Theater, Volkshochschule, Musikschule, Familienbildung, Schulbedarf und Schulbeförderung. (Richtlinien anbei als PDF)

Die aktuell gültigen Richtlinien haben die „Richtlinien der Stadt Bergisch Gladbach über den Löwenpass“ 2007 abgelöst und werden im Haushalt der Stadt aus Mitteln des Produkt „Löwenpass“ finanziert. Ziel der sogenannten „Löwenpassrichtlinien“ ist es möglichst allen  Menschen und auch den sozial Schwächsten in der Stadt zumindest ein Stück Teilhabe am kulturellen Leben in dieser Stadt zu ermöglichen.

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In der Vorlage will die Verwaltung den Stadtrat glauben machen, dass durch die Richtlinien nur Vergünstigungen für Kinder und Jugendliche gewährt werden. Doch geht aus den Richtlinien klar hervor, dass natürlich auch Erwachsene (SGB II, SGB XII), Behinderte und Senioren in der Grundsicherung diese Vergünstigungen beantragen können.

Diese Richtlinien wurden nie durch einen Beschluss des Stadtrats aufgehoben oder geändert, auch wenn dies in der Öffentlichkeit verbreitet wird. Der Stadtrat hat lediglich die Höhe der zur Verfügung stehenden Mittel gekürzt. Die Richtlinien sind gültig und eine Kürzung der Mittel kann sich somit nur auf die gleichmäßige Verteilung an die Berechtigten, aber nicht auf den Kreis der Anspruchsberechtigten beziehen.

Auch behauptet die Verwaltung in der Vorlage, dass die durch die Richtlinien gewährten Vergünstigungen überlappend durch das Bildungs- und Teilhabepaket abgedeckt werden. Diese Darstellung ist falsch. Das Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes gilt nur für Kinder- und Jugendliche und gewährt Erwachsenen (SGB II, SGB XII), Behinderten und Senioren in der Grundsicherung keine Zuschüsse. Damit will die Verwaltung die jetzt möglichen Vergünstigungen, die in den gültigen Richtlinien gewährten werden – das Produkt „Löwenpass“ 005.500.060 – zukünftig ersatzlos streichen. Stattdessen soll ein ganz anderes Produkt 005.500.020 – „Leistungen an Asylbewerber“ eingeführt werden.

Der Vorschlag einer neuen Richtlinie sieht nur noch Vergünstigungen für Empfänger von Asylbewerberleistungen vor – und zwar beschränkt auf die Höhe des Bildungs- und Teilhabepaketes (also auch beschränkt auf Kinder und Jugendliche); alle anderen Personenkreisefallen als Anspruchsberechtigte weg, und falle über das Bildungs- und Teilhabepaket hinausgehenden Leistungen (wie sie die bisherigen Richtlinien noch vorsehen) werden gestrichen.

Die Empfänger von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (nicht nur deren Kinder, sondern auch Erwachsene) kommen aber jetzt schon in den Genuss der Vergünstigungen der bisher gültigen Richtlinien von 2007 – Vergünstigungen, die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben besser gewährleisten, als die des Bildungs- und Teilhabepaketes.

Aus diesem Grunde kann man es nur als zynisch bezeichnen, wenn diese neue Richtlinie in der Beschlussvorlage mit den Worten angepriesen wird: „Durch den Schluss der Lücke in der Sozialgesetzgebung wird dem strategischen Ziel der Integration noch ausdrücklicher Rechnung getragen.“

Die gültigen Löwenpassrichtlinien und die Vergünstigungen der Stadt Bergisch Gladbach und das Bildungs- und Teilhabepaket im Einzelnen:

  • Musikschule:
    Die Richtlinien der Stadt ermöglichen für die städtische Musikschule eine Vergünstigung von 50% insgesamt. Sollte also ein Kind wöchentlich eine Unterrichtseinheit der niedrigsten Kategorie belegen (Entgelt mind. 23 € für 40 Minuten) würde dieser bei einemwöchentlichen Unterricht nach der Richtlinie eine Ermäßigung von ca. 46 € monatlich  bedeuten. Da die Tarife (Entgeltliste der Musikschule anbei) für den Musikunterricht zwischen 23 € und 111 € pro Stunde liegen und zusätzlich auch noch 10 €, die das Bildungspaket für Kinder und Jugendliche monatlich nur pauschal gewährt. Die Reduzierung der Förderung auf die Leistungen aus dem Bildungspaket wäre an der Musikschule eine deutliche Verschlechterung für Kinder und Jugendliche. Erwachsene, Behinderte und Senioren in Grundsicherung (SGBII, SGBXII) werden vom Bildungspaket nicht gefördert und würden bei Wegfall der Richtlinien keine Ermäßigungen mehr an der städtischen Musikschule erhalten.
    Das Bildungs- und Teilhabepaket deckelt die Zuschüsse für Mitgliedsbeiträge von Vereinen und Musikschule auf 10,- € monatlich.
    Nach Aussage des Leiters der Musikschule nehmen aktuell lediglich 6 Kinder der Musikschule den 10 € Zuschuss aus dem Bildungspaket in Anspruch. Zur Zeiten des alten Löwenpasses waren es deutlich mehr Kinder aus Familien in Notlagen, die an der Musikschule beschult wurden.
  • Schulbedarf:
    Bei Schulbedarf ergeben sich keine finanziellen Überschneidungen mit dem Bildungspaket für Kinder und Jugendliche, da das Bildungspaket einen Zuschuss von 100 € jährlich pauschal gewährt, während die Richtlinien lediglich bei Einschulung und Schulwechsel 50 € (in besonderen Härtefällen sogar bis zu 100 €) als Aufwendungserstattung für Schulmaterialien gewähren.
  • Schulbeförderung:
    Bei der Schulbeförderung ermöglichen die Richtlinien der Stadt einen Zuschuss von bis zu 100 € für die Schulbeförderung. Das Bildungspaket erstattet bei weiten Schulwegen die Kosten für die Beförderung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen (unabhängig vom Schuljahr, Einschulung oder Umschulung).
  • Schwimmbäder:
    Die Richtlinien der Stadt gewähren sowohl für Kinder und Jugendliche bis 14 Jahren einen kostenlosen Eintritt für das Schwimmen in den städtischen Schwimmbädern. Jugendliche zwischen 15 und 18 erhalten 50% Ermäßigung auf die Tarifstufe B. (Kombibad: Normaltarif B ohne Ermäßigung = 4 €, 11er-Karte B ohne Ermäßigung = 37 €) Erwachsene zahlen statt Tarif A nur Tarif B als Vergünstigung (Kombibad: Normal Tarif A ohne Ermäßigung = 5,50 €, 11er-Karte A = 50 €. Ermäßigung siehe Tarife B.)
    Nach der Streichung der Richtlinien wird es keine Ermäßigung und Vergünstigungen für die Schwimmbäder mehr geben. Auch das Bildungs- und Teilhabepaket gewährt diese Vergünstigungen nicht.
  • Volkshochschule und Deutschkurse:
    Die Richtlinien gewähren bis zu 100% Ermäßigung auf die Teilnahme an Deutschkursen und 75% für andere Kurse bei einigen Einschränkungen. Nach der Streichung der Richtlinie wird es keine Ermäßigung und Vergünstigungen für die VHS mehr geben. Das Bildungs- und Teilhabepaket gewährt diese Vergünstigungen auch nicht für Kinder und Jugendliche. Schon heute hat die VHS Probleme mit Schülerinnen und Schülern, die die Deutschkurse nur schwer finanzieren können.
  • Theater:
    Die Richtlinien gewähren bei den Theaterveranstaltungen der städt. Kulturbetriebe der Bergischen Löwe GmbH eine Ermäßigung von 25%. Nach der Streichung der Richtlinien gibt es keine Ermäßigung und Vergünstigungen für die VHS mehr. Das Bildungs- und Teilhabepaket gewährt diese Vergünstigungen auch nicht für Kinder und Jugendliche.
  • Familienbildung:
    Die Richtlinien gewähren eine Ermäßigung bei der Familienbildung der AWO, des DRK, des Katholischen Bildungsforum und der FIB von bis zu 50% (bei einigen Einschränkungen). Nach der Streichung der Richtlinien gibt es keine Ermäßigung und Vergünstigungen für Familienbildung mehr. Das Bildungs- und Teilhabepaket gewährt diese Vergünstigungen auch nicht für Kinder und Jugendliche.

Der Wegfall der „Richtlinien über die ergänzende Förderung zum Sozialgesetzbuch und dem Asylbewerberleistungsgesetz“ bedeutet eine Kürzung der Mittel für „Hilfen für Menschen in Notlagen“ von 32.940,- € auf 4.000,- €. In 2010 lagen diese Mittel noch bei 52.940,- €.

Die Verwaltungsspitze begründete diese Kürzungen zum einen mit den Leistungen aus dem Bildungspaket und zum anderen mit der zynischen Feststellung, dass die Mittel in den letzten Jahren nicht abgerufen wurden. Die betroffenen Menschen wissen aber nichts von der Möglichkeit und den Vergünstigungen, welche die Richtlinien gewähren.

Die Verwaltung hat diese Vergünstigungen in der Vergangenheit verheimlicht. Eigentlich müssten die Leistungsstellen (Jobcenter und Stadtverwaltung) die Angebote jedem Berechtigten (Hartz IV, Asylbewerber, und andere) ohne Nachfrage anbieten, doch auch auf der Webseite der Stadt, beim Jobcenter und bei der Informationsstelle des Stadthauses gibt es keine Informationen dazu.

Obwohl die Richtlinien zur Vergabe der Leistungen als Ortsrecht in Kraft sind und genug Geld dafür vorhanden und nicht gesperrt ist, werden aktuelle Anfragen und Anträge auf Gutscheine und Gewährung der Vergünstigungen offensiv von der Verwaltung abgelehnt. Dieses ist grob rechtswidrig. In diesem Zusammenhang sind dienstrechtliche Beschwerden anhängig.

Aus dem Beschlussvorschlag der Verwaltung geht hervor, dass die neue Richtlinie rückwirkend zum 31.12.2010 beschlossen werden soll. Eine solche Rückwirkung widerspricht einer der Grundbedingungen unserer freiheitlichen Verfassung, dem Prinzip der Verlässlichkeit unserer Rechtsordnung, und ist daher grundsätzlich nicht zulässig.

Sollte die Richtlinie rückwirkend beschlossen werden, muss die Stadt mit mehreren gerichtlichen Auseinandersetzungen rechnen, da in diesem Haushaltsjahr bedürftige Bürgerinnen und Bürger auch rückwirkend Anspruch auf Vergünstigungen hatten und aktuell haben.

Sicher sollte die Stadt die Möglichkeiten, die das Bildungs- und Teilhabepaket gibt, unbedingt wahrnehmen. Die Möglichkeiten für die Bezuschussung von Vereinsbeiträgen, Schulessen, Lernförderung, Schulbedarf und Schulbeförderung sollten in jeden Fall wahrgenommen werden, um die Lebensbedingungen der Menschen in Notlagen zu verbessern. Doch darf dies nicht bedeutet, dass wir weitere Möglichkeiten streichen, die von der Stadt gewährt werden können, und die nicht durch andere Maßnahmen gefördert werden.

Unterm Strich geht es bei dem Vorhaben der Verwaltung um massive Kürzungen bei den finanziell schwächsten Menschen in dieser Stadt, ohne das die Vergünstigungen durch andere Leistungen ersetzt werden.

Auch für Familien mit Kindern bedeutet diese Umschichtung eine deutliche Verschlechterung, denn zahlreiche Vergünstigungen fallen weg, die durch das Bildungs- und Teilhabepaket nicht ersetzt werden können. Zu jeder Familie gehören auch Erwachsene.

Tatsächlich wird durch den Vorschlag der Kürzungen im Haushalt und Wegfall der Richtlinien das Bildungs- und Teilhabepaket konterkariert. Ziel der Bundesregierung war es, den Familien mit Kindern und Jugendlichen in ihrer Not zu helfen und ihre Situation zu verbessern. Sie haben aber nicht mit der Kommunalpolitik gerechnet, die die Bemühungen der Bundesregierung zum Anlass nimmt, die eigenen sozialen Ermäßigungen zu kürzen.

Die Streichung der Richtlinien bedeutet eine Streichung der kommunalen Vergünstigungen für Erwachsene (SGB II, SGB XII), Behinderte und Senioren in der Grundsicherung. Die Leistungen für Asylbewerber werden gekürzt und ausschließlich deren Kindern gewährt.

Am Ende bliebe den finanziell Schwächsten in dieser Stadt weniger als vor dem Bildungspaket. DIE LINKE./BfBB im Stadtrat fordert die aktuellen gültigen alten Richtlinien zunächst beizubehalten, um allen Menschen zumindest ein Stück Teilhabe am kulturellen Leben in dieser Stadt zu ermöglichen. Zusätzlich will DIE LINKE./BfBB für die Bürgerinnen und Bürger in Notlagen eine 50% Ermäßigung für alle städtischen Museen ermöglichen. Bisher ist eine solche Ermäßigung für die Museen in der Stadt nicht in den Löwenpassrichtlinien enthalten. Außerdem sollen die Löwenpassrichtlinien nach Vorbild des „Kölnpasses“ eine Erweiterung um eine 50%ige Ermäßigung auf ein Sozialticket im Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) enthalten.

Die Fraktion DIE LINKE./BfBB wird diesen Vorschlag der Verwaltung ablehnen!

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Tomás M. Santillán lebt seit seinem ersten Lebensjahr in Bergisch Gladbach Refrath. Bekannt wurde Tomás M. Santillán als Antragsteller des Bürgerentscheid gegen des Cross-Border-Leasing 2003 und seine Kandidaturen als Bürgermeister und Landrat. Heute engagiert er sich in unabhängigen Initiativen...

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