Locker sieht er aus, in Jeans und sportlichem Hemd unter dem dunklen Jackett, der Herr Landrat. Das heißt, Rolf Menzel ist ja der Ex-Landrat, seit zwei Jahren. Wirklich entspannt ist er jedoch nicht. Und das liegt nicht an seinem Job als Chef der Energieversorgung Leverkusen (EVL).
Wir hatten uns zu einem Gespräch im Theatercafé am Bergischen Löwen verabredet. Zum Plausch über den alten und den neuen Job. Und über sein Engagement beim SV Bergisch Gladbach. Eigentlich lockere Themen, im Moment aber ein ziemlich heikles Feld. Doch jetzt erst einmal einen Kaffee – „ein Kännchen bitte“ -, dann geht es los.
Ja, in Leverkusen sei er längst angekommen, berichtet Menzel. Er sei ja nie ganz weg gewesen: Zehn Jahr lang hatte er in Leverkusen gearbeitet, dann als Chef der Kreisverwaltung von RheinBerg in vielen Gremien mit der Nachbarstadt kooperiert. Ende 2011 hatte er dann den Landratsposten überraschend vorzeitig aufgegeben und war zur EVL gewechselt.
Doch nach wie vor, darauf besteht Menzel, ist er Bergisch Gladbacher. Immerhin seit 1978 wohnt der 58-Jährige in der Stadt, in Paffrath.
Also ein Mann mit vielen Verbindungen und Querverbindungen im Bergischen, in der Verwaltung wie in der Politik und Wirtschaft. Als frührerer Kommunalaufseher, als Energiefachmann, als CDU-Mitglied ohne Posten und als Fußballfan könnte er einiges zu den Dingen sagen, die Bergisch Gladbach derzeit bewegen. In einigen Fällen tut er das auch. In anderen hält er es für klüger, zu schweigen.
Populismus statt Sachverstand
Beim Thema Energiepolitik bricht es aus Menzel geradezu heraus. Die Bundespolitik sei von „Populismus geprägt, statt von Sachverstand”. Dass große Unternehmen wie RWE massive Probleme haben, sei ja bekannt – aber „diese Probleme haben alle Stadtwerke, auch die kleinen”. Nur gut, dass seine EVL, die zur Hälfte der Stadt Leverkusen und zur Hälfte der RheinEnergie gehört, bereits ihre Verträge um 20 Jahre verlängert hat.
Ganz anders in Bergisch Gladbach. Hier muss der Stadtrat schon bald wählen, zwischen einem neuen Vertrag mit dem alten Partner RheinEnergie/Belkaw und der Gründung eigener Stadtwerke. Welchen Rat würde Menzel geben?
Er hält inne, formuliert dann gestelzt, aber eindeutig: Bergisch Gladbach habe einen „in der Region gut aufgestellten Versorger“ in der Stadt. Ausgerechnet dem den Laufpass zu geben und sich ohne Netz, ohne Kunden auf den Markt zu begeben, halte er „persönlich für ein Abenteuer“. Auf keinen Fall solle man sich bei einer Entscheidung von dieser Tragweite nur auf einen einzigen Experten verlassen.
Gegen den Wind
Viel zu sagen hätte Menzel auch zu den akuten Finanzierungsproblemen des SV Bergisch Gladbach 09. Doch hier verordnet er sich selbst äußerste Vorsicht. Der Verein, bei dem Menzel seit Jahren im Verwaltungsrat sitzt, kann seinen Anteil von 135.000 Euro an der Sanierung der Belkaw-Arena nicht zahlen. Ein kreditfinanziertes Modell war geplatzt, dann hatten Verein und Stadtverwaltung aneinander vorbei geredet – und am Schluss stand der SV 09 ebenso blamiert wie isoliert da.
Als wir in die Regionalliga aufstiegen, hatten wir nur Freunde – jetzt weht uns der Wind ins Gesicht“,
konstatiert Menzel. Er wundere sich, wieviel Hähme und Spott plötzlich auf den Verein niedergehe.
Ausgerechnet in dieser heiklen Lage ist Menzel nach vorne gegangen, hat den Vorsitz im Beirat und das Krisenmanagement in Sachen Belkaw-Arena übernommen. Warum er sich das antue, gerade jetzt, wird er immer wieder gefragt. Ja, warum eigentlich?
Weil es für ihn klar sei, in Krisensituationen Verantwortung zu übernehmen. Und er habe, jetzt formuliert er schon vorsichtiger, nun einmal „Fähigkeiten“, die er einbringen könne. Welche genau? Zum Beispiel „ein gutes Netz hier vor Ort“, sagt Menzel. Und eben auch intime Kentnisse, was in Sachen Kommunalfinanzen geht – und was nicht.
Daher brachte Menzel ein Stundungsmodell ins Spiel: Wie bei einem Gewerbeunternehmen in Liquiditätsprobleme möge die Stadt dem Verein den Betrag von 135.000 Euro stunden, der werde über zehn Jahre zum üblichen Zinssatz abgetragen. Da die Stadt sich mit einem günstigeren Zinssatz refinanziere, blieben bei ihr am Ende keine Kosten hängen, der SV 09 könne alle Verpflichtungen erfüllen.
Auf Messers Schneide
Soweit, so gut. Doch als der Vorschlag publik wurde, angeblich schon eine Einigung mit der Stadt erzielt worden sei, brach ein Sturm der Entrüstung los. Andere Vereine, die ihren Beitrag für die Belkaw-Arena selbst finanziert hatten, sprachen von einer Sonderbehandlung, Nachforderungen tauchten auf.
„Auf Messers Schneide“ stünde die Suche nach einer Lösung derzeit, mehr will Menzel im Moment dazu nicht sagen. Zu heikel.
Auch die Stadtverwaltung gibt derzeit keine Auskunft, sondern bittet um Geduld. Nur soviel ist klar: da sind noch einige Gespräche nötig, auch mit den Ratsfraktionen und Parteien, die sich gerade auf die Kommunalwahl vorbereiten.
Beim Thema SV 09 wirkt Menzel mitunter wie ein anderer bekannter Fußballmanager, weiter unten im Süden. Seiner Sache sicher – aber dennoch zerknirscht. Weil er weiß, dass der SV nicht ohne eigene Schuld in diese „dämliche Lage“ geraten ist. Aber anders als Uli Hoeneß muss Menzel nicht eigene Fehler bewältigen, sondern die seiner Vereinskameraden.
Umso engagierter wirbt Menzel dafür, den SV 09 fair zu beurteilen. Neid auf den angeblich so reichen Verein sei nicht angebracht:
Wir waren unheimlich stolz, den Aufstieg in die Regionalliga mit so einem Mini-Etat geschafft zu haben – und den haben wir nach dem Abstieg noch einmal kräftig abgespeckt.”
Daher seien die 135.000 Euro ein hoher Betrag, den der SV 09 derzeit nicht aufbringen könne. Und man dürfe beim SV nicht immer nur auf die 1. Mannschaft schauen, sondern zum Beispiel auch auf die 500 Jugendlichen, die dort spielen. Und auf die vielen Ehrenamtler.
Wiederaufstieg? Na klar doch!
A propos Spielen. Beim Spielbetrieb läuft im Moment auch nicht alles rund, die Personalpolitik von Trainer Didi Schacht steht in der Kritik. Noch so ein heikles Thema. Menzel stöhnt auf. Immerhin habe der Verein doch drei der letzten vier Spiele gewonnen – ein guter Mittelfeldplatz sei auf jeden Fall drin, wenn das Verletzungspech erst einmal vorbei sei.
Und Schacht? Menzel zögert, gibt dann aber ein klares Bekenntnis ab: „In der Regionalliga war Schacht noch der Größte“, die damals gelobten Qualitäten habe der Trainer auch heute noch, genauso wie seine „Ecken und Kanten“.
Menzel ist überzeugt, dass der SV 09 das Zeug hat, wieder in die Regionalliga aufzusteigen. Nicht so rasch, aber in den nächsten drei bis fünf Jahren dann doch: „Das kann gar nicht sein, dass eine Stadt mit über 100.000 Einwohnern das nicht schafft, oder?”
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Da wundert man sich, dass die Stadtverwaltung sich nicht besser über die Bonität des SV09 Bergisch Gladbach informiert hat, bevor man die Vereinbarung über die Ausstattung des Stadion mit einem eigentlich unnötigen und teuren Kunstrasen getroffen hat.
Der SV09 ist ein privater Verein und keine kommunale Einrichtung. Es ist schon ein ziemlich starkes Stück, dass der Verein erst verspricht 135.000 € zu zahlen und nun vom Steuerzahler erwartet, einen Kredit dafür aufzunehmen. Als ehemaliger CDU-Landrat weiß Rolf Menzel sehr genau, dass sich Stadt im Haushaltssicherungskonzept befindet und dass in diesem Rahmen die Kreditaufnahme durch die Kommunalaufsicht begrenzt wird. Wenn die Stadt einen Kredit für den Kunstrasen des SV09 aufnehmen muss, können andere notwendige Sanierungsmaßnahmen wie zum Beispiel an einer Schule, dem Schwimmbad Mohnweg oder einer Sporthalle nicht finanziert werden, weil der Kreditrahmen ausgeschöpft ist. Am Ende müssen diejenigen darunter leiden, die nicht genug Lobby und Filz in dieser Stadt haben.
Der SV09 sollter erstmal selbst Investoren suchen und finden, die in die Liquiditätslücke einspringen. Andere Sportvereine hätten den Luxus Kunstrasen auch selbst finanziert und sich an Vereinbarungen mit der Stadt gehalten.
Wenn Lutz Urbach und CDU/FDP sich auf diesen Vorschlag einlassen, werde ich den Stadtkämmerer fragen, ob er meinen Parteifreunden bei der Sanierung einer Terrasse und beim Aufbau seiner Gründungsexistenz helfen kann, indem die Kredite über Kommunalfinanzierung laufen lässt. Ich kenne da noch zwei ALG2-Bezieher, die sich gerne auf diese Art eine neue Waschmaschine und ein Fahrrad finanzieren würden. Auch würde ich gerne sehen, wie die CDU und die FDP aufschreien würden, wenn man ein ähnliches Konstrukt für eine lokale Firma vorschlagen würde, welches in eine „Schieflage“ gekommen ist und mit einem städtischen Kredit Arbeitsplätze retten möchte. …
Die Vereinbarung mit dem SV09 war ein völlig andere und die finanzielle Schieflage, in die der Verein jetzt gekommen ist, ist doch nicht plötzlich vom Himmel gefallen. Warum hat Bürgermeister Lutz Urbach den Stadtrat über dieses Risiko nicht informiert oder hat man schlicht vergessen die Liquidität der „Amigos“ zu überprüfen? Da fühlt man sich als Ratsmitglied im wahrsten Sinne des Wortes „verarscht“, denn die Sanierung des Stadions mit Kunstrasen war umstritten, weil zu teuer. Das Argument, dass der SV09 den Kunstrasen aus der eigenen Tasche bezahlt, war am Ende eines der entscheidenden Argumente und hat mit den Ausschlag gegeben. Nur wenige Wochen nach der Einweihung ist alles anders, Jetzt geht es an die Kasse und der Steuerzahler soll dann doch die Zeche zahlen.