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Die Kunstvermittlung wird im Kunstmuseum Villa Zanders (noch) groß geschrieben. Die Volontärin Anna Arnold hat ein interaktives Kartenset entworfen, das die Besucher:innen zum „Papier-gestalten“ animiert – und dadurch einen besonderen, eigenständigen Zugang zur Kunst öffnet. Ein Konzept, das bei Schüler:innen besonders gut ankommt.

Besucher:innen halten einen postkartengroßen Stapel in der Hand. Er besteht überwiegend aus grauer Pappe. Und er hat es in sich. Dank des interaktiven Kartensets kann man sich ausgewählten Werke der Ausstellung „Neu aufgestellt“in der Villa Zanders auf besondere Weise nähern. Das ist alles andere als von Pappe.

Acht Kreativkarten geben „verschiedene Impulse für die Auseinandersetzung mit Kunst aus Papier“, heißt es in der Gebrauchsanleitung zum Museumsführer der besonderen Art.

Ein Beispiel: Ausgehend von Reiner Ruthenbecks Werk „Weißer Papierhaufen“ fordert Karte #3 Besucher:innen auf, mehrere Bögen Papier fest zu knüllen. Dann geht es auf Entdeckungsreise. Was kann man damit machen? Was fällt den Nutzer:innen ein? Wie hat der/die Künstler:in das Material eingesetzt?

Ergänzt wird das Set durch eine Fragekarte zur Ausstellung: „Was kannst Du von Kunst lernen?“, „Welches Kunstwerk ist laut, welches ist leise?“

Auf den ersten Blick scheint dies verwirrend, aber: „Die Fragen sollen teils bewusst irritieren“, erklärt Anna Arnold, Volontärin für Kunstvermittlung an der Villa Zanders. Idee und Konzept des Kartensets stammen von ihr.

Hilfestellung für Kunsterleben

„Schüler:innen und Besucher:innen können so lernen, selbst mit der Kunst in Kontakt zu treten. Wir geben über das Set eine Hilfestellung“, sagt Arnold. Dabei würden verschiedene Ebenen wie Herstellung, Material, Techniken angesprochen, erklärt die Expertin für Kunstvermittlung. Auch Aspekte wie Synästhesie seien locker und nicht zu kopflastig eingewoben. Zugleich verweise man auf die Vielfältigkeit des Werkstoffs Papier, dem Sammlungsschwerpunkt der Villa Zanders.

„Wir wollen speziell Schüler:innen nicht mit Wissen überhäufen, sondern die Neugierde wecken und sie im Alleingang Kunst entdecken lassen. Dies ist mit klassischen Führungen weniger möglich“, fügt Sabine Elsa Müller hinzu, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Villa Zanders. Im Idealfall wachsen damit die Besucher:innen von Morgen heran.

Schüler stellen aus

Die Erkundungen können alleine durchgeführt werden. Wer mag, kann in der Villa aber auch einen Workshop buchen und erhält Anleitung und Feedback.

Schulen der Region seien per Anschreiben mit einem Muster des Kartensets informiert worden, schildert Anna Arnold. Drei Klassen seien bereits vor Ort gewesen. Das Interesse der Schulen sei trotz Unterrichtsausfall hoch. Auf entsprechende Hygieneregeln würden bei den Workshops geachtet.

Einige Arbeitsergebnisse sieht man noch bis zum 4. Oktober in den Kabinetträumen (Erdgeschoss). Schüler:innen des Gymnasiums Odenthal zeigen hier ihre Ergebnisse aus der Arbeit mit dem interaktiven Kartenset, ergänzt um einzelne Exponate aus der Ausstellung. Das fügt sich zu einem homogenen Ganzen. Schnell wird klar, welche Karten aus dem Set bearbeitet wurden und präsentiert werden.

„Dass wir ihre Bilder hier zeigen, sorgt bei den Schüler:innen nochmals für eine ganz neue Haltung gegenüber Kunst und unserem Haus“, macht Sabine Elsa Müller das Potential der Schulausstellung deutlich. Und Besucher:innen erhalten ganz nebenbei Anregungen für die eigene Arbeit mit dem kreativen Pappstapel.

Kunstvermittlung als Förderprojekt

Gefördert wurden das Vermittlungsprojekt durch lab.Bode. Die Initiative zur Stärkung der Vermittlungsarbeit in Museen hat zudem zu 70 Prozent das Volontariat von Anna Arnold finanziert. Das interaktive Kartenset ist das Abschlussprojekt ihrer zweijährigen Ausbildungszeit an der Villa Zanders. Produktion und Druck mit einer Auflage von 500 Stück sind ebenfalls über lab.Bode finanziert worden. Ist die Auflage vergriffen, kann das Set zumindest noch im Internet heruntergeladen werden.

Die Fakten zum lab.Bode Abschlussprojekt
Interaktives Kartenprojekt „Papier-gestalten“ von Anna Arnold
Fester Bestandtteil des Vermittlungsprogramms der Ausstellung „Neu aufgestellt“ (noch bis 6.6.2021)
Für Schüler:innen ab Klasse 4 und alle Museumsbesucher:innen
Abschlusspräsentation im Kabinettraum der Villa Zanders von Schüler-Workshops noch bis zum 4.10.2020

Anna Arnold hat während ihres Volontariats eine Reihe von Kooperationen und Projektausstellungen realisiert (u.a. mit dem DBG und bib), analoge Mitmachformate wie die Ladies Night, das Mitmach-Heft oder Vermittlungsstationen in den Ausstellungen verantwortet. Hinzu kamen digitale Formate wie die Villa Zanders-Präsenz auf Instagram oder Newsletter für Kitas und Schulen.

Anna Arnold hinterlässt zum Abschluss ihres Volontariats eine Reihe von spannenden Kooperationen und Mitmachformaten wie das interaktive Kartenset „Papier-gestalten“

Weniger Kunstvermittlung?

Mit dem Abschlussprojekt des interaktiven Kartensets endet zugleich das zweijährige Volontariat von Anna Arnold. Eine Neubesetzung ist nach Auskunft von Sabine Elsa Müller trotz Beantragung entsprechender Mittel bei der Stadt als Museumsträger nicht sehr wahrscheinlich, die Förderung durch lab.Bode läuft aus.

Falls keine neue, hauptamtliche Stelle für die Kunstvermittlung eingerichtet werde, müssten diese Aufgaben durch die Leitung und das wissenschaftliche Volontariat des Kunstmuseums mit übernommen werden, sagt Müller. Keine leichte Aufgabe, die man nebenher erledigt, sieht man sich die qualitativ hochwertigen und für ein Kunstmuseum dieser Größenordnung keineswegs selbstverständlichen Projekte der Kunstvermittlung an.

Die Investition in eine Stelle für Kunstvermittlung – so viel darf man am Ende des Volontariats von Anna Arnold sagen – wäre zugleich eine direkte Investition in die Besucher:innen des Kunstmuseums. Und dessen exzellenten Stellenwert. 

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Holger Crump

ist Reporter und Kulturkorrespondent des Bürgerportals.

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