Unsere Buchtipps: Ein bewegender Spannungsroman über belastende Lebensphasen, ein überraschender Schwedenkrimi und ein Roman über Gustav Mahler.
Sorj Chalandon: Wilde Freude.
dtv 2020, € 22,00.
Der preisgekrönte französische Schriftsteller und Journalist ist hierzulande vor allem durch seinen im letzten Jahr erschienenen Roman „Am Tag davor“ bekannt geworden.
In „Wilde Freude“ geht es um ein Ausnahmethema. Die Protagonistin Jeanne bekommt die niederschmetternde Diagnose Brustkrebs. Ihre bereits zerrüttete Ehe hält diese Belastungsprobe nicht mehr aus, und so steht sie von heute auf morgen vor dem Scherbenhaufen ihres Lebens.
Bei der Chemotherapie lernt sie Brigitte kennen. Die beiden Frauen freunden sich an und die starke Brigitte wird ihr zu einer großen Stütze und Freundin. Nachdem ihre Ehe immer unerträglicher wird, zieht sie vorläufig zu Brigitte und deren Lebensgefährtin und einer weiteren Krebspatientin.

Die Unterstützung, die sie dort erfährt, lässt sie nach und nach eine Andere werden. Sie, von den anderen spöttisch Jeanne Sorry genannt, weil sie sich ständig entschuldigt, entwickelt wieder Kampfgeist und gewinnt neuen Lebensmut.
Jede dieser vier Frauen hat ihr Päckchen zu tragen und als eine von ihnen in einer Notlage dringend Geld braucht, schmieden sie einen verrückten Plan, um der Freundin zu helfen. Jeanne, die Vorsichtige, ist erst skeptisch, wirft aber schließlich ihre Bedenken über Bord, was hat sie bzw. was haben sie schon zu verlieren. Es entsteht der Plan, eines der berühmtesten Pariser Juweliergeschäfte zu überfallen.
Jetzt nimmt der Roman eine ungeheure Wendung an, aus der Geschichte über vier Frauen in schwierigen Lebenssituationen wird ein Kriminalroman. Indem sie ihr Leben wieder selbst in die Hand nehmen, befreien sie sich von der Fremdeinwirkung durch die schwere Krankheit. Sie agieren wieder und lassen nicht nur alles über sich ergehen.
Hier geht es um mehr als eine Krimihandlung, nämlich um ein selbstbestimmtes Leben. Für den Autor ist die Kriminalgeschichte lediglich ein Stilmittel, um diesen Prozess deutlich zu machen.
Lassen Sie sich nicht von dem schweren Thema abschrecken. Dieses Buch ist eine echte Bereicherung. Allein die Sprache von Chalandon ist meisterhaft. Mit viel Feingefühl beschreibt er die vier Hauptpersonen und die Metamorphosen, die sie durchleben.
Ein Buch, in das man versinkt und nicht wiederauftauchen möchte. Wahnsinnig gut geschrieben, sehr unterhaltsam und am Ende noch mit einigen unerwarteten Wendungen, mindestens sechs von fünf Sternen!
(Sylvia Jongebloed)
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Anders Roslund: Geburtstagskind.
Ullstein 2020, € 14,99.
Roslund schreibt sonst im Team mit zwei anderen schwedischen Krimiautoren und kommt ursprünglich aus dem investigativen Journalismus. Dieses ist sein erster eigenständiger Krimi.
Das Buch beginnt mit einem Paukenschlag. Die kleine Zana hat Geburtstag. Sie ist heute fünf Jahre alt geworden. Am meisten freut sie sich auf den Geburtstagskuchen und auf das Ausblasen der Kerzen. Der Kuchen steht auf dem Küchentisch, daneben auf dem Küchenstuhl sitzt ihre Mutter, sie rührt sich nicht.
Zana darf heute machen, was sie möchte, sie hat schließlich Geburtstag, keiner schimpft mit ihr. Ihr älterer Bruder sitzt an seinem Schreibtisch und liest, er ist ganz ruhig. Die ältere Schwester liegt in ihrem Zimmer auf dem Bauch und scheint zu schlafen. Der Vater sitzt in seinem Lieblingssessel, sie klettert auf seinen Schoß, auch er ist ganz still.
Sie singt immer wieder so laut sie kann „Hoch soll sie leben „, der Fernseher plärrt unaufhörlich. Das geht Tage so. Als auch noch ein merkwürdiger Geruch aus der Wohnung strömt, ruft ein entnervter Nachbar die Polizei.
Dies ruft Kommissar Grens auf den Plan. Lustlos betritt er das Mehrfamilienhaus, Querelen unter Nachbarn sind oft sehr unerfreuliche Zeiträuber. Ein kleines Mädchen öffnet ihm die Tür, fünf Jahre alt, das Kleid übersät mit nicht näher identifizierbaren Flecken. Ein entsetzlicher Geruch überfällt ihn, ein Geruch, den er nur zu gut kennt.
Siebzehn Jahre später – Grens steht kurz vor der Pensionierung, vor der ihm graut. Er ist Polizist mit Leib und Seele. Er wird zu einem Einbruch gerufen, bei dem nichts gestohlen wurde. Eigentlich nicht sein Fachgebiet. Aber das Pikante daran ist, es handelt sich um die Wohnung von damals, als ihm ein kleines Mädchen öffnete.
Der damalige Fall wurde nie aufgeklärt. Das Mädchen wurde in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen. Er hat nie wieder etwas von ihr gehört. Sofort ist ihm klar, dass der alte Fall und der aktuelle Einbruch miteinander zu tun haben. Er muss dieses Mädchen, das inzwischen eine junge Frau ist, wiederfinden. Sie schwebt in größter Gefahr, soviel ist ihm klar. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt.
Hochspannend beginnt dieser Krimi, hochspannend geht es weiter mit vielen überraschenden Wendungen bis zum fulminanten Ende mit einem Showdown, wie er sozusagen im Buche steht. Der Autor treibt den Leser förmlich von Seite zu Seite. Die komplexe Story entwickelt viele lose Fäden, die sich am Ende kunstvoll miteinander verknüpfen.
Der ruhige unaufgeregte Sprachstil tut ein Übriges, um den Leser im Bann zu halten und ihn förmlich zur Salzsäule erstarren zu lassen. Kurzum ein Schwedenhappen, den man sich nicht entgehen lassen sollte!
(Sylvia Jongebloed)
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Robert Seethaler: Der letzte Satz.
Hanser Berlin 2020, € 19,00.
Mit diesem Roman beendet Robert Seethaler nach „Ein ganzes Leben“ und “Das Feld“ seine Trilogie über das Leben und den Tod. Der österreichische Schriftsteller, Drehbuchautor und Schauspieler begleitet in diesem Buch Gustav Mahler auf dessen letzter Reise von New York nach Europa.
Wir schreiben das Jahr 1911 und Mahler befindet sich an Deck der „Amerika“. Tag für Tag sitzt er allein an der Reling, in dicke Decken gehüllt und schaut hinaus auf das Meer. Er ist todkrank und spürt das nahe Ende.
Noch einmal lässt er sein Leben vorüberziehen. Seine erfolgreiche Zeit an der Wiener Hofoper wird ihm wieder bewusst, als er die Inszenierung von Opernaufführungen reformierte und sie zu dem machte, was sie heute noch sind. Nach Querelen mit der Wiener Hofadministration übersiedelt er mit seiner Familie nach New York, wo er an die berühmte Met gerufen wird.
Auch hier ist er wahnsinnig erfolgreich, das Publikum ist begeistert, doch wieder scheitert die Zusammenarbeit. Aber das tut seiner Karriere als Dirigent und Komponist keinen Abbruch und er klettert weiter auf der Erfolgsleiter.
Schicksalsschläge, wie der frühe Tod seiner ältesten Tochter, ziehen an ihm vorüber und entflammen die Trauer erneut. Die nicht immer einfache Liebe zu seiner Frau Alma wird ihm bewusster als jemals zuvor. Wegen ihr begann er sogar eine Therapie bei Sigmund Freud, der ihm einen Mutterkomplex attestierte.
Seine Begegnung mit Rodin, der anlässlich seines 50. Geburtstages eine Skulptur von ihm anfertigen soll, entbehrt nicht einer gewissen Komik. Rodin, der beinahe verzweifelt, weil Mahler nicht stillsitzen kann und wütend das Atelier verlässt. Scheinbare Banalitäten aus der Kindheit und Erinnerungen an frühere Sommer kommen in ihm hoch. „Ein ganzes Leben“ zieht an ihm vorüber und hier schließt sich der Kreis zum ersten Roman dieser Trilogie.
Die Geschichte umweht eine leichte Melancholie, was nicht zuletzt den gewissen Charme dieses Buches ausmacht. Atmosphärisch dicht erzählt, überzeugt der Autor einmal mehr mit seiner lakonischen Sprache, mit Prägnanz und seiner besonderen Kunst der Straffung.
Anhand der Lebensgeschichte von Gustav Mahler macht er uns auf die Vergänglichkeit des Lebens aufmerksam. Seine klare Botschaft ist, lebe im Hier und Jetzt im vollen Bewusstsein deiner glücklichen Momente. Der Roman braucht sich nicht hinter „Ein ganzes Leben“ nicht zu verstecken. Wieder ist dem Autor ein Meisterstück gelungen.
(Sylvia Jongebloed)
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Viel Spaß beim Lesen.
Ihre Birgit Lingmann und Pia Patt

Die Buchhandlung Funk existiert seit vielen Jahrzehnten in Bensberg und ist seitdem Bestandteil des kulturellen Lebens von Bergisch Gladbach. Mehr als zehn Jahre waren Pia Patt und Birgit Lingmann (geborene Jongebloed) bereits in der Buchhandlung Funk beschäftigt, als sie im Oktober 2015 das Geschäft von Almut Al-Yaqout übernahmen.
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