In der vergangenen Kolumne wurden die möglichen strafrechtlichen Konsequenzen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort dargelegt. Es gibt allerdings auch schmerzhafte Konsequenzen, wenn es um die Frage geht: Wer zahlt eigentlich am Ende? 

Von Barbara De Icco Valentino

Der Unfall ist passiert. Ein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort liegt vor. Die eigene Kraftfahrthaftpflichtversicherung hat den Schaden des Geschädigten reguliert. Die strafrechtlichen Konsequenzen sind verdaut. Fall abgeschlossen.

Ganz so einfach ist es in den meisten Fällen leider nicht. 

Teil 2: Die zivilrechtliche Seite 

Häufig erhält der Mandant – Monate nach Abschluss des strafrechtlichen Verfahrens – ein Schreiben der eigenen Kraftfahrthaftpflichtversicherung. Die Schreiben lauten meist so: 

„Uns liegt die Polizeiakte vor. Aus dieser ergibt sich der Tatbestand der Unfallflucht. 

Dies stellt eine Obliegenheitsverletzung Ihres Versicherungsvertrages dar. Wir gehen von einem unentschuldbaren Verhalten aus, das uns zur Kürzung unserer Leistungen von 100 Prozent berechtigt. 

Daher sind wir berechtigt, unsere Aufwendungen bis zu einem Betrag von 2.500,00 Euro zurückzufordern. Wir bitten um Zahlung bis Monatsende.“ 

Ein solcher Rückgriff der eigenen Haftpflichtversicherung kommt ständig vor, ist aber häufig nicht berechtigt. Also Vorsicht.

Dies erläutere ich Ihnen gerne – vereinfacht – wie folgt: 

Grundsätzlich stellt eine Verkehrsunfallflucht tatsächlich eine Obliegenheitsverletzung des Versicherungsvertrages der Kraftfahrthaftpflichtversicherung dar. Laut der mit den Versicherern vereinbarten sogenannten AKB (Allgemeine Kraftfahrthaftpflicht Bedingungen) darf man sich nicht unerlaubt vom Unfallort entfernen, da dies einen Verstoß gegen die Aufklärungspflicht darstellen würde.

Man meint, wer flüchtet, behindere die Ermittlung des Sachverhaltes. Das soll sanktioniert werden. Das ermöglicht dem Versicherer den Rückgriff. Dieser beträgt bei einer „normalen“ Verkehrsunfallflucht maximal 2.500,00 Euro. In schweren Fällen (bspw. Verwischen von Spuren oder Zurücklassen einer verletzten Person) 5.000,00 Euro.

Folgende Voraussetzungen müssen für einen berechtigte Regress erfüllt sein: 

  1. Tatbestand der Verkehrsunfallflucht wurde erfüllt
  2. Zumindest bedingter Vorsatz (Sie halten eine Berührung der Fahrzeuge für möglich) 
  3. Unfallflucht behindert Ermittlungen (Kausalität). 

Die entscheidende Frage lautet daher: Sind dem Versicherer durch die Unfallflucht Feststellungsnachteile entstanden? Liegt eine Behinderung der Ermittlungen vor?

Die Versicherung muss das beweisen. Wenn die Feststellungsmöglichkeiten der Versicherung nicht verschlechtert wurden, dann hat sich die Obliegenheitsverletzung auch nicht nachteilig für die Versicherung ausgewirkt.

Das heißt: Trotz Unfallflucht kein Regress; die Versicherung kann nichts von Ihnen verlangen, auch wenn sie dies natürlich versucht.

Ein Beispiel zur Veranschaulichung: 

Täter A parkt vor seiner Haustür ein. Beim Rangieren beschädigt er ein geparktes Fahrzeug. Hierbei entsteht ein Sachschaden. A entfernt sich unerlaubt und geht in seine Wohnung. Die Nachbarin N beobachtet dies und ruft die Polizei. Ein paar Minuten später trifft die Polizei bei A ein. Der Versicherer zahlt den Schaden an dem geparkten Fahrzeug und will bei A Regress nehmen. In diesem Falle haben sich die Feststellungsmöglichkeiten der Versicherung nicht verschlechtert. Durch das Verhalten des A ist allenfalls eine zeitliche Verzögerung eingetreten, welche sich nicht zum Nachteil der Versicherung ausgewirkt hat. Es besteht kein Regressanspruch.

Der eigene Schaden

Und was ist jetzt mit der Regulierung des eigenen Schadens durch die Vollkaskoversicherung?

In der Vollkaskoversicherung werden grundsätzlich andere Anforderungen gestellt. Hier müssen im Einzelnen die Versicherungsbedingungen geprüft werden, sollte sich der Versicherer auf seine Leistungsfreiheit berufen. Leistungsfreiheit bedeutet in diesem Fall, dass der Versicherer die Zahlung des Vollkaskoschadens insgesamt ablehnt. 

Sie sehen, dass eine Verkehrsunfallflucht zum einen kein Kavaliersdelikt ist und zum anderen vielfältige strafrechtliche als auch zivilrechtliche Konsequenzen  sich ziehen kann.

Am sichersten fahren Sie, wenn Sie sich erst gar nicht in die Lage begeben, sich unerlaubt vom Unfallort zu entfernen. Und sollte dies doch vorgekommen sein, empfiehlt es sich, ganz überlegt die weiteren Schritte vorzunehmen und im Zweifel einen Rechtsanwalt zu Rate zu ziehen. Denn selbst bei ausweglos scheinender Lage lässt sich möglicherweise noch etwas machen.

Bis dahin wünsche ich Ihnen allseits gute Fahrt. 

Ihre Barbara De Icco Valentino

Barbara De Icco Valentino ist Fachanwältin für Verkehrsrecht und für Medizinrecht in der Kanzlei Leonhard & Imig. Sie ist Ihre Ansprechpartnerin für alle Fragen rund um das Verkehrsrecht (u.a. für Schadenregulierung, Autokauf, Ordnungswidrigkeiten und Strafsachen) und Medizinrecht. Des Weiteren ist sie Vorstandsmitglied im Automobilclub Deutschland e.V. (Ortsclub Köln linksrheinisch).

Leonhard & Imig Rechtsanwälte steht seit 50 Jahren für Rechtskompetenz in Bensberg.

Die renommierte Traditionskanzlei bietet seriöse und vertrauensvolle Rechtsberatung in allen Fragen des Arbeits- und Sozialrechts, Familien- und Erbrechts, Miet- und Wohnungseigentumsrechts, Bau- und Architektenrechts, Verkehrsrechts, Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts sowie Medizinrechts. Sie wurde 1969 in Bensberg gegründet und hat heute ihren Sitz in zentraler Lage zwischen Schlossstraße und Bahnhof.

Die Anwälte bei Leonhard & Imig leben klassische Werte wie Aufrichtigkeit und Bodenständigkeit. Bürger und Unternehmen aus dem Bergischen sowie dem rechtsrheinischen Köln profitieren von ihrer langjährigen Erfahrung und der breit gefächerten Fachanwaltsexpertise.

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