Rodrigo Affonso leitet den Konzertchor Bergisch Gladbach. Foto: Thomas Merkenich

Seit einem guten Jahr dirigiert Rodrigo Affonso den Konzertchor Bergisch Gladbach. Er bringt nicht nur enorm viel musikalisches Know-how und internationale Erfahrung mit. Sondern ist auch ein empathischer Musikpädagoge und Vollblutmusiker, der seine Sängerinnen und Sänger mit viel Herz, Spaß und Ironie und zugleich hohem Anspruch nach vorne bringt. Die Proben zum nächsten Konzert laufen auf Hochtouren – und auch darüber hinaus hat Rodrigo Affonso einige Pläne mit dem geschichtsträchtigen Konzertchor.

Fotos: Thomas Merkenich
Text: Holger Crump

Donnerstagabend, im Musiksaal des Otto-Hahn-Gymnasiums.

Dirigent Rodrigo Affonso lässt die Schultern kreisen. „Rückwärts schwimmen“ sagt er. Rund 50 Sängerinnen und Sänger stehen im Halbrund vor ihm und folgen seinen Aufwärmübungen. Wer singen will, beginnt mit Gymnastik. Das macht locker. Dann folgen erste Stimmübungen.

Zwei Konzerte hat Rodrigo Affonso in der Postpandemie bislang mit dem Konzertchor Bergisch Gladbach realisiert: Händels Te Deum und ein adventliches A capella-Konzert.

Am 12. November folgt nun das Requiem von Gabriel Fauré, „eine ganz andere Nummer“, sagt Affonso im Gespräch, das wir vor den Proben führen.

Die Probentermine sind knapp bemessen, es gibt viel zu tun.

Konzert: Gabriel Fauré, Requiem op. 48
… und Werke von J. S. Bach, F. Mendelssohn Bartholdy und D. Forrest
Sopran: Adriana Bastidas-Gamboa
Bariton: Wolfgang Stefan Schwaiger
Violine: Cezar Salem
Orgel: Stefan Kames
Kourion-Orchester Münster
Leitung: Rodrigo Affonso
Wann: Samstag 12. November, 18 Uhr
Wo: Heilig-Geist-Kirche, Bergisch Gladbach-Hand
Kosten: 20/15 Euro, Schüler/Studenten 15/10 Euro
Tickets: vorverkauf@konzertchor-gl.de und 02202 / 98 19 79 sowie an der Abendkasse

Kennenlernen

Bislang ging es darum, den Chor kennenzulernen. Fauré werde eine neue Herausforderung darstellen, auch in punkto Klangbildung – einem der Schwerpunkte, die Rodrigo Affonso in der Arbeit mit dem Konzertchor setzen will.

Da gibt es auch schon Erfolge: „Alt und Sopran haben sich im Laufe des Jahres gut entwickelt, der Klang wird homogener,“ berichtet Affonso.

Auch wenn es in den Stimmen noch deutliche Ungleichgewichte in den Anteilen gibt: Je sieben Tenör und sieben Bassisten stehen derzeit je rund 30 Stimmen im Alt und im Sopran gegenüber.

Altes Bewahren und neues Versuchen – unter der Überschrift steht das Dirigat des Musikers. Natürlich behalte er das bisherige Repertoire bei. Nicht zuletzt um die bedeutende Historie des Konzertchores mit seinen Anfängen bei Gründerin Maria Zanders zu würdigen.

Foto: Thomas Merkenich

Repertoire

Dennoch: Das Programm wird er weiter ausbauen. Zum Beispiel mit dem Requiem von Fauré, das demnächst aufgeführt werde: Er sei durch das Adventskonzert im vergangenen Jahr angeregt worden, das Werk ins Programm zu nehmen.

Während der Advent-Aufführung habe er bei einem Stück von Morten Lauridsen einen leisen, hellen, durchsichtigen Klang im Chor entdeckt, den er jetzt wieder aufgreift und weiter entwickelt.

Mit vielen Nuancen, Klangtemperaturen und Schattierungen. „Das wird nicht leicht, aber es öffnet dem Chor eine neue Tür,“ erläutert Affonso.

Sängerinnen und Sänger gesucht: Zwar ist der Konzertchor nach Angaben der Vorsitzenden Sonja Condon einer der wenigen Chöre, die noch Zuwachs registrieren. Gleichwohl sucht das Ensemble Nachwuchs – vor allem bei den Männerstimmen, im Tenor und Bass.

Wichtig sind gute Stimmen, eventuell Chorerfahrung, musikalische Ambition. Interessenten müssen indes nicht unbedingt „vom Blatt“ singen können. Die Schnupper-Probe erfolgt in einer Gruppe. Anmeldung unter kontakt@konzertchor-gl.de

Reguläre Proben erfolgen im Otto-Hahn-Gymnasium an der Saaler Mühle, Donnerstag von 19.15 bis 21.30 Uhr.

Der Chor habe die „großen“ Werke der Musikgeschichte fast alle gesungen, daher werde er sich auch moderne Komponisten ins Auge fassen, sagt der Musiker, sofern sie Substanz bieten.

„Ligeti liebe ich, das hat viel mit Licht zu tun, wie er die Klänge baut.“ Rodrigo Affonso nennt zahlreiche weitere Zeitgenossen, die nur Insidern etwas sagen. „Die Arbeit daran ist nicht leicht.“

Mit einem Auge blicke man natürlich auf den Kartenverkauf. Einen reinen Konzertabend ausschließlich mit Neutönern werde es nicht geben. Es komme vielmehr auf den Mix aus bekannten und zeitgenössischen Werken an, es solle für jeden Konzertbesucher etwas dabei sein.

Klar ist aber auch: Aktuelle Tendenzen unter modernen Chor-Komponisten, die gerne „leichte Werke“ in Anlehnung an die Filmmusik schreiben, werde er nicht ins Repertoire nehmen. Somit ist der Anspruch schonmal klar definiert.

50 Augenpaare sind wachsam auf Rodrigo Affonso gerichtet. Er sitzt am Klavier und stimmt chromatische Stimmübungen an. Schon beim Einsingen achtet er auf Details in Klang, Dynamik, Artikulation. Unterstreicht seine Vorstellungen mit Gestik, Mimik. Dehnt und staucht die Töne mit den Händen. Und registriert zufrieden, dass die Sängerinnen und Sänger seine Ideen und Anregungen aufgreifen und umsetzen. Der Chor ist quasi zu Affonsos Instrument geworden.

Foto: Thomas Merkenich

Musiker

Fragt man nach dem Musiker Rodrigo Affonso, geht ein Ruck durch seinen Körper. Er wirkt dann noch energiegeladener, als er ohnehin schon ist. Sprüht für Begeisterung.

Natürlich singt er, Stimmlage Bariton. „Mein Hauptinstrument war von Beginn an die Jazzgitarre, es war meine erste Liebe“, berichtet er aus den Anfängen seiner Musikerkarriere. Wenn man in Brasilien einen Baum schüttle, würden mindestens zehn Gitarristen runterpurzeln, gibt er eine Redewendung aus seiner Heimat zur Popularität des Instruments zum Besten.

Rodrigo Affonso – musikalischer Weltenbummler

Der 43-jährige Musiker leitet den Konzertchor Bergisch Gladbach e.V. seit August 2021. Zugleich ist er Dozent für Chor- und Ensembleleitung an der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar. Affonso promoviert derzeit zum praktischen Thema „Musikprobe“ an der Universität Aveiro in Portugal.

Seine Karriere begann unter anderem mit einem Lehrauftrag für Musiktheorie in seiner Heimatstadt Rio de Janeiro. International ist der Musiker in Asien, Europa und Südamerika als Dozent für Chorleitung, als Juror für Chorwettbewerbe sowie als Gastdirigent von Profi-Chören aktiv und hat sich ein Repertoire großer Chorwerke erarbeitet.

Rodrigo Affonso studierte Chorleitung, Dirigieren und Schulmusik in Rio de Janeiro sowie in Frankfurt/Main und absolvierte zahlreiche Meisterkurse. Mit seinem 2017 gegründeten Frauenchor ElektraVokal ist er mehrfacher Preisträger internationaler Chorwettbewerbe.

Chor- und Orchesterleitung habe er später als „Hauptgang“ an der Musikschule in Rio de Janeiro für sich entdeckt – und ist dabei geblieben. Anderen Instrumenten wie Klavier, Geige oder Flöte könne er ebenfalls Töne entlocken.

Da gehe es aber vielmehr darum, als Ensemble-Leiter mit den Musikern auf Augenhöhe besprechen zu können, wie sich klangliche Details realisieren ließen. „Konzerte spiele ich darauf nicht“, schmunzelt er.

Jazz ist neben der klassischen Chormusik sein zweites Standbein, wenn auch weitaus weniger als früher. „Früher in Rio, mit 16 oder 17, war ich jede Nacht unterwegs und habe mit großen brasilianischen Musikern gespielt.“

Er freue sich heute noch, auf der Bühne zu stehen – von Lampenfieber keine Spur. „Das gibt mir Energie!“

Rodrigo Affonso begleitet den Chor bei seinen Stimmübungen, klimpert bei den chromatischen Fragmenten nebenher wie selbstverständlich kleine Begleitungen auf dem Flügel. Und findet immer wieder schöne Bilder aus dem Stehgreif, die seine Vorstellung von Klang beschreiben: „Denkt an einen Klang wie eine Murmel!“ Er singt ein Beispiel. Und kommt am Abend immer wieder auf dieses Bild mit der Murmel zurück.

So geht’s weiter

Kontakte in die lokale Musikszene habe er noch nicht geknüpft, erzählt der Dirigent. Er wohnt seit rund eineinhalb Jahren in der Stadt, kam mit seiner Familie mitten in der Pandemie an und konzentrierte sich auf die Chorleitung und seine Lehraufträge.

Lokale Kooperationen, zum Beispiel mit dem Sinfonieorchester Bergisch Gladbach, sind denkbar: „Es hat sie gegeben, und es wird sie wieder geben.“

Neben den bereits erwähnten modernen Chorwerken werde er natürlich künftig große Kompositionen von Bach aufgreifen, „super gerne!“ Das andere große „B“, Max Bruch, stehe ebenfalls auf der Agenda. Affonso nennt das Oratorium „Moses“ als Option.

Darüber hinaus plane er für 2023 ein großes Chorwerk von Anton Dvořák. Im März 2023 werde es zudem ein Gemeinschaftskonzert mit dem Stadtverband Musikausübender Vereine geben, an dem der Konzertchor beteiligt ist.

Probenraum und Pandemie

Und natürlich stehe die Suche nach einem Proberaum weiter im Fokus, ergänzt Geschäftsführerin Sonja Condon. Nach dem Wegfall des Probenraumes auf dem Zandersgelände probe man in den Otto-Hahn-Schulen, die jedoch akustisch eine Herausforderung für einen Konzertchor dieser Größe darstellen.

„Man hört nicht so gut, versteht die benachbarten Stimmen nicht so gut“, macht Affonso deutlich.

Ein Chor mit langer Geschichte und vielen Namen

Maria Zanders gründete 1885 einen Mädchenchor, aus dem sieben Jahre später durch den Zusammenschluss mit dem Männergesangverein Liederkranz der Cäcilienchor als gemischter Chor wurde.

Nach achtjähriger Pause meldete sich der Chor 1948 unter dem Namen Cäcilienchor – Gemischter Chor Bergisch Gladbach zurück – mit der Aufführung des Messias von G.F. Händel unter der Leitung von Paul Nitsche. Neben klassischen Oratorien baute der Chor in den Folgejahren sein Repertoire bis hin zu zeitgenössischen Kompositionen aus. Es folgten Konzertreisen ins In- und Ausland.

1989 erfolgte eine kurze Umbenennung in Chorgemeinschaft Zanders Bergisch Gladbach. Seit 2013 heißt das Ensemble nun Konzertchor Bergisch Gladbach e.V. Weitere Infos auf den Webseiten des Chores

Die Pandemie-Entwicklung halte man im Blick. Sie war und ist für den Chor nicht einfach. „Wir werden wie in den vergangenen Jahren uns im Rahmen dessen bewegen, was erlaubt ist“, erklärt Condon und berichtet aus dem Lockdown.

Mit Zoom-Proben, um den Donnerstagabend als Probentermin zu halten. „Dann gab es private Proben im Garten, nur zu zehnt. Die Woche drauf waren andere zehn Chormitglieder dran.“

Sonja Condon

Auf einem Schulhof habe man schließlich mit Stirnlampe und Verlängerungskabeln für das E-Piano hantiert. Und statt Konzertsaal gab es ein Wandelkonzert im Freien. „So werden wir es im nächsten Lockdown auch machen.“

„Denkt an Amazon“

Die ersten Klänge von Lux Aeterna (Dan Forrest) wehen durch den Raum. Rodrigo Affonso führt sicher durch das Werk, badet im Klang. Hält am Ende kurz inne: „Seht Ihr den Takt in der Partitur – da heißt es Frieden! Denkt an der Stelle an etwas schönes, von mir aus an ein Paket von Amazon!“

Gelächter im Chor – und bei der Wiederholung hat der Dirigent den Klang, den er wollte.

So weltlich kann es zugehen, wenn Rodrigo Affonso geistliche Musik inszeniert. Das Ergebnis zählt.

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ist Reporter und Kulturkorrespondent des Bürgerportals.

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