In unserem durchstrukturierten, hektischen Alltag bleiben erholsame Momente oft auf der Strecke. Dabei sind kurze Atempausen so wichtig: Sie können dabei helfen, den Stress zu reduzieren und den vollgeladenen Alltag entspannter anzugehen. Sozialarbeiterin Lea Gietz gibt ganz konkrete Anregungen, wie sich Achtsamkeit mit kleinen, einfachen Übungen in den Alltag integrieren lässt. Alleine oder zusammen mit dem Kind.

Achtsamkeit stammt als eine Form der Meditation ursprünglich aus dem Buddhismus und bedeutet, dass man den Moment bewusst erlebt, ohne ihn zu bewerten. Die Konzentration ist dabei ausschließlich auf die eigene innere Wahrnehmung gerichtet.

So werden der Alltag und der Stress um einen herum kurz entschleunigt, man kann sich sammeln und danach wieder besser fokussieren. Das kann eine stärkende Wirkung auf die Psyche haben.

An dieser Stelle werden einige fragen: Wer hat denn im normalen Alltag – auf der Arbeit, bei der Kinderbetreuung oder dem Haushalt – überhaupt Zeit für eine Meditation „zwischendurch“?

Doch Achtsamkeit bedeutet zum Glück nicht, sich irgendwie noch eine Stunde Meditation in den sowieso schon überladenen Tagesplan zu quetschen, um dann währenddessen über die weiteren Termine nachzudenken.

Kleine Übungen für den Alltag

Achtsamkeit bedeutet vielmehr, verschiedene kleine Übungen in den Alltag zu integrieren. Das ist wirklich ganz einfach umzusetzen und hat schon nach kurzer Zeit einen positiven Effekt.

  • Bei der Kleidungsübung halten Sie einen kurzen Moment inne und achten bewusst darauf, wie Sie ihre Kleidung wahrnehmen. Wie fühlt sie sich auf der Haut an? Ist Ihnen warm oder kalt, sind sie vielleicht zu dünn oder zu dick angezogen? Sitzt alles bequem, oder werden Sie eingeengt und würden vielleicht lieber etwas anderes tragen?
  • Die Konzentrationsübung bündelt Ihre Konzentration auf ein Objekt Ihrer Wahl – zum Beispiel ein Wasserglas oder eine Büroklammer, was eben gerade verfügbar ist. Fokussieren Sie sich so lange wie möglich auf dieses Objekt. Achten Sie darauf, ob Ihre Gedanken abschweifen und wie sich das anfühlt.
  • Bei der Zuhörübung achten Sie in einem Gespräch darauf, wie aktiv Sie zuhören. Konzentrieren Sie sich auf das Gesagte und folgen den Worten Ihres Gesprächspartners? Halten Sie Augenkontakt? Oder schweifen Sie in Gedanken ab und denken schon an den nächsten Termin oder die Einkaufsliste? Spüren Sie beim aufmerksamen Zuhören einen Unterschied in der Gesprächsqualität?
  • Die Dankbarkeitsübung ist ein schönes Ritual vor dem Einschlafen. Hierbei reflektieren Sie noch einmal kurz Ihren Tag und nehmen bewusst die schönen Momente noch einmal wahr. Nehmen Sie sich für jeden Moment, jeden Menschen, jede Situation oder jedes Ereignis, für das Sie heute besonders dankbar waren, 20 Sekunden Zeit.
  • Auch beim Essen kann man Achtsamkeit üben und nicht nebenbei noch schnell eine Nachricht schreiben oder telefonieren. Achten Sie darauf, wie sich ihr Körper anfühlt. Riechen, kauen und schmecken Sie bewusst. Kauen Sie langsam, und lassen Sie Ihrem Körper Zeit, die Nahrung aufzunehmen. Fühlen Sie immer wieder in sich, ob Sie noch Hunger haben oder vielleicht schon satt sind.
  • Eine weitere Möglichkeit, sich eine kurze Pause vom Alltag zu gönnen, ist eine kleine Yoga-Einheit. Bei Youtube finden sich viele kurze Videos, die man sehr einfach zu Hause mitmachen kann.

Schon Kinder erleben Stress

All diese Übungen gehen, je nach Alter, auch mit Kind. Denn schon Kinder können in ihrem Alltag gestresst sein. Ab der Schulzeit nehmen Gedanken über Zukunft oder Vergangenheit immer mehr Raum ein, was zu Überforderung und/oder Stress führen kann.

Es ist kein Geheimnis, dass Kinder sich einiges von ihren Eltern abgucken und Verhaltensweisen von ihnen übernehmen. Daher ist es auch wichtig, ihnen einen achtsamen Umgang mit sich selbst vorzuleben.

Zum Beispiel durch „Singletasking” statt Multitasking. Versuchen Sie es zu vermeiden, verschiedene Aufgaben gleichzeitig auszuführen, und nehmen sich bewusst Zeit für eine Aktivität mit ihrem Kind. Zeigen Sie ihm dabei, dass Sie präsent sind und die gesammelte Aufmerksamkeit auf das Malen, Spielen oder Essen richten. Das hat nicht nur eine positive Wirkung auf ihr Kind, sondern auch auf Sie selbst.

In der Natur kann man mit Kindern ebenfalls gut Übungen einbauen, zum Beispiel bei einem Waldspaziergang:

  • Beim Beobachten können Sie gemeinsam Pflanzen und Tiere entdecken, aber auch die Sonnenstrahlen auf der Haut und den Windstoß in den Haaren fühlen. Oder Sie schauen einfach in den Himmel und entdecken lustig geformte Wolken.
  • Im Wald kann man auch viele schöne Gegenstände sammeln und genau inspizieren: Blumen, Blätter, Moos, Steine, Stöcke, Tannenzapfen… Das Kind kann ihre Form und Farbe bestaunen und ertasten, wie sie sich anfühlen. 
  • Außerdem kann man in der Natur wunderbar bauen, etwa ein Tipi aus Stöcken. Suchen sie mit Ihrem Kind Materialien im Wald und probieren Sie aus, wie sich diese verhalten, wie schwer sie sind und was sich damit alles herstellen lässt.

Und noch eine Übung, die Sie, alleine oder mit Kind, fast überall machen können: Bei der Körperwahrnehmung nimmt man zunächst einige bewusst wahrgenommene Atemzüge. Dann spürt man nach und nach bewusst in die Füße, die Beine, den Bauch, die Arme, den Kopf. Wenn Sie die Übung mit ihrem Kind machen, leiten sie es mit ruhiger Stimme an.

Abschließend ist wichtig zu beachten: Seien Sie nicht zu streng mit sich, wenn Sie mal vergessen, die eine oder andere Übungen einzubauen. Es wird im Alltag oft passieren, dass der Kopf so voll ist, dass man nicht an Achtsamkeit denkt – auch wenn man sie genau dann am nötigsten bräuchte.

Es dauert oft eine Weile, bis man solche kleinen Rituale verinnerlicht hat. Geben Sie nicht auf, und versuchen Sie ab und zu daran zu denken. Oder schreiben Sie sich einen kleinen Erinnerungszettel: „Heute schon eine Atempause genommen?!“.

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ist Sozialarbeiterin und aktuell in den letzten Zügen eines Masterstudiums „Innovationsmanagement in der Sozialen Arbeit“. Sie arbeitet als Jugendreferentin im Stadtteilhaus Herrmann-Löns-Forum, mit Aufgaben im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit. In der Vergangenheit hat Lea Gietz bereits in...

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