Friederike Naroska hatte mit dem ersten Band von „Veränderungen einer Stadtansicht“ oben an der Hauptstraße im Strundorf angefangen. Im 2. Band „Zwischen Gronauer Mühlenweg und Heiligenstock“ legt sie jetzt eine weitere Zeitreise vor, die den Kern der Stadt umfasst, das „Hätz vum Jläbbisch“. Die Dokumentation mit historischen Fotos aus dem Archiv von Walter Osenau legt einen frappierenden Verlust an historischer Substanz offen – zeigt aber auch einige städtebauliche Konstanten.

Bergisch Gladbach hat erst seit 1945 eine Hauptstraße. Seit 1887 Straßennamen vergeben worden waren führte die Hauptachse der Stadt durch die Innenstadt die Namen Gronauer Straße, Wilhelmstraße und Wipperfürther Straße. Sie wurden von den Nazis zur Adolf-Hitler-Straße zusammengeführt und heißen seit 1945 Hauptstraße.

+ Anzeige +

Die Autorin Friederike Naroska hat sich im zweiten Band ihrer „Veränderungen einer Stadtansicht“ jetzt mit dem „Hätz vum Jläbbisch“ befasst, dem Teilstück von der Unterführung am Bahndamm bis zum Viktoria Kino. Dabei greift sie vor allem auf Fotos aus dem Archiv von Walter Osenau zurück.

Naroska startet ihren Weg die Hauptstraße hinauf an einem Gebäude, das zwar längst seine Funktion verloren, seine äußere Gestalt aber weitgehend bewahrt hat: Der ehemalige Hauptbahnhof in Gronau wird jetzt als Verwaltungsgebäude der FHDW genutzt.

Ohnehin ein Bereich, wo Alt und Neu gegenüber stehen: Das Gebäude der Polizei und der „Glaspalast“ im Gronauer Kreisel werden flankiert vom Gronauer Wirtshaus (entworfen vom Architekten Bopp) und zwei gut erhaltene, Denkmal-geschützten Wohnhäusern: Die Villa Odenthal (1894) und das Felbersche Haus (1907).

Sie können jedes Foto mit einem Klick groß stellen, am besten auf einem etwas größeren Bildschirm, auf dem Handy im Querformat. Alle Fotos: Archiv Walter Osenau, Friederike Naroska.

Tiefe Eingriffe in die Bausubstanz (die im Krieg so gut wie nicht beschädigt worden war) zeigen sich dann etwas weiter in der heutigen Fußgängerzone. Hier war bereits in den 1960er Jahren das Kaufhaus Woolworth hingeklotzt worden. Anfang dieses Jahrtausends wurde auch die Hausnummer 127, ein Jugendstilhaus mit dem beliebten Café Samowar abgerissen, um der 2009 eröffneten RheinBerg Galerie viel Platz zu machen.

Die Kreuzung zur Poststraße ist ohnehin eine interessante Ecke: Wo heute der Haupteingang zur RheinBerg Galerie liegt wurde 1891 das erste Postamt gebaut, 1955 ein deutlich schlichteres Bürogebäude, in den 1960er Jahren das Woolworth-Kaufhaus und schließlich die RheinBerg Galerie.

Jenseits der Poststraße stand und steht heute immer noch das schöne bergischer Fachwerkhaus mit der Schieferfassade, in dem nach Recherchen Naroskas der Arzt Dr. Gronau residierte – und das heute ein Tatoostudio beherbergt.

Schritt für Schritt geht die Fotodokumentation die Hauptstraße entlang, zeigt die Vorgängerbauten des Thalia-Gebäudes und des Lindlar-Hauses der Kreissparkasse.

Wechselhaft ist auch die Geschichte des Loewen CityCenter: Hier, an der Hauptstraße 155 stand das Gebäude von Zweirad Meyer, das als eines von sehr wenigen Häuser im 2. Weltkrieg durch eine Bombe zerstört wurde. Direkt daneben lag in der NS-Zeit das „Braune Haus“, als Sitz der NSDAP 1936 gebaut und erst 1974 abgebrochen. 1975 zog das Kaufhaus Hertie in den Neubau ein, das heute als Loewencenter firmiert.

Besonders häufig verändert wurde der Marktplatz (früher: Am Markt, Adolf-Hitler-Platz, Marktplatz und seit 1967 Konrad-Adenauer-Platz), mit dem „historischen“ Rathaus (1906, von Ludwig Bopp) und der Laurentiuskirche (erbaut und erweitert zwischen 1845 und 1878) als Konstanten.

Gut erhalten und inzwischen wieder schön herausgeputzt ist linker Hand zum Rathaus hin das Eckhaus von 1898. Hier gab es zunächst die Herrenbekleidung Büttgen, später das Schreibwarengeschäft Niedenhoff, dann das Marktcafé und inzwischen eine Bank.

Hinweis der Redaktion: Wir zeigen nur einen kleinen Teil der rund 250 Fotos.

Der Marktplatz selbst war viele Jahrzehnte lang der Verkehrsknotenpunkt und Parkplatz, ausgestattet mit einem Rathausbrunnen (später Löwenbrunnen, jetzt vor der Villa Zanders), Keppels Büdchen und Straßenbahnhaltestelle. Wirklich alt ist hier nur das Wirtshaus am Bock, das als „Bocker Gut“ schon im Mittelalter bewirtschaftet wurde.

Der Band II von „Veränderungen einer Stadtansicht“ von Friederike Naroska und Walter Osenau ist für 16,80 Euro erhältlich in der Redaktion des Bürgerportals (Hauptstr. 257), bei Thalia und bei Hetzenegger in Sand. In der Redaktion sind auch noch einige wenige Ausgaben des ersten Bandes vorrätig.

Spannend die Fotos von der Villa Zanders (1874), die erst als Wohnhaus der Zanders, dann vom Landrat und später von der Stadtverwaltung genutzt worden war – und in den 1960er Jahren von Straßen und Parkplätzen umgeben war.

Schräg gegenüber vom Rathaus der Bergische Löwe, einst der Gasthof Kolter, der von Ludwig Bob 1903 umgebaut worden war. 1950 wurde der angrenzende Mariensaal zum Kino umfunktioniert und 1977 abgebrochen – und Gottfried Böhms Bürgerhaus zu weichen.

Seit 1835 fast unverändert dagegen das Gasthaus Paas; auf den historischen Fotos wird es lediglich mal links und später rechts vom Hildebrand-/Löwenbrunnen flankiert (der zwischenzeitlich zum Rathausbrunnen gemacht worden war).

Luftaufnahme von 1970 mit Blick über den Markt in die Hauptstraße hinein. Links die Villa Zanders.

Auch weiter östlich, im Laurentiusviertel, zeigt sich ein massiver Wandel. Zwar stehen noch einige der Gründerzeithäuser, doch statt der Buchhandlung Engber, Kaisers Kaffee oder Mode Kröll finden sich heute dort Barbershops oder die Belkaw.

Weiter geht es zum Forum-„Park“, früher einmal als „Zanders Anlagen“ ein echter Park, der Ende der 1960er Jahr durch den Bau der Stadtbücherei verkleinert und um Zuge der Regionale 2010 weitgehend gepflastert worden war. Nach wie vor ein Hingucker ist die ehemalige Hirsch-Apotheke, von 1863.

Auch die Gnadenkirche ist weitgehend unverändert, hier fehlt nur rechts daneben das „Quirlsgut“: das 1775 gebaute Wohnhaus des evangelischen Pfarrers wurde in den 1970er Jahren abgerissen. Das Jugendzentrum Q1 dahinter war bereits 1952 gebaut worden, als Jungenwohnheim. Am Aufgang aus Bruchstein stand übrigens zwischenzeitlich auch mal der Hildebrand-/Löwenbrunnen, wie ein Foto beweist.

Gegenüber stand mal eine Häuserreihe mit eindrucksvollen Fassaden. Zum Teil, wie das Gebäude, in dem heute der DRK-Kreisverband seinen Sitz hat, ohne ihren alten Schmuck, Andere mussten Neubauten weichen, in denen sich heute Leder Bremer, Coworking GL und die Redaktion des Bürgerportals befinden.

Ein Foto mit Beweiskraft ist auch eine Aufnahme von 1932 vom Kulturhaus Zanders (1875, das damals noch Wohnhaus der Familie Zanders war und ganz ohne Mauer an der Kreuzung zur Odenthaler Straße stand.

Gegenüber kann man auf den Fotos noch die Alte Feuerwache erspähen – und spätestens hier gerät man mit dem Waatsack und dem Viktoria-Kino in die obere Hauptstraße. Die hatte Naroska zwar bereits mit dem ersten Band abgedeckt, liefert im zweiten Band aber weitere spannende historische Ansichten nach.

Abgerundet wird das Buch von einer knappen Stadtchronik – und dem Gedicht „Dat Hätz vum Jläbbisch“ – das den städtebaulichen „Fortschritt“ und den Verlust der „gartenstädtischen Tradition“ wunderbar auf Platt rekapituliert.

Weitere Beiträge zum Thema

Lade…

Something went wrong. Please refresh the page and/or try again.

Journalist, Volkswirt und Gründer des Bürgerportals. Mail: gwatzlawek@in-gl.de.

Reden Sie mit, geben Sie einen Kommentar ab

7 Kommentare

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

  1. Wenn man sich die Bilder anschaut hat man nicht den Eindruck, daß GL schöner geworden ist.
    Abgesehen von den Bausünden des Brutalismus, die teils auch einfach der bezahlbaren Notwendigkeit geschuldet waren, ist es der Stadtplanung nicht gelungen, die Innenstadt optisch attraktiv zu gestalten.
    Vor allem der Marktplatz ohne Bäume ist eine häßliche Betonwüste. Die Fußgängerzone, wieder ohne grün, steht dem in nichts nach. Ich gehe wirklich gerne in GL einkaufen, es gibt dort so gut wie alles, aber hübsch ist wirklich anders. Vor allem das Löwencenter ist absolut furchtbar, aber da hat man ja in Bensberg gesehen, wie es noch schlimmer geht.

  2. Bitte helfen Sie mir, meine folgende Frage zu beantworten.Das Foto, das mit ‘Postamt 1891‘ untertitelt ist, macht mir Kopfzerbrechen.

    Ich lebe immerhin schon seit 1977 in Bergisch Gladbach und meine, dass ich für postalische Zwecke immer in ein dem Woolworth diagonal entgegengesetztes großes mehrstöckiges Haus, mit großer Treppe an der Poststraße gelegen (dem heutigen TKmax gegenüber), gegangen bin. Heute bzw. nun auch schon seit längerem befinden sich dort – wo ich meine bzw. bis heute überzeugt bin die Post aufgesucht zu haben – die Thalia Buchhandlung sowie einige Ärzt*innen in den oberen Stockwerken. Irre ich mich? War da nie die/irgendeine Post? Wenn tatsächlich nicht – was war denn da sonst?

    1. Ihre Erinnerung ist richtig. Wir haben hier nicht das ganze Buch von Frau Naroska dokumentiert, aber aus ihren Fotos geht hervor, dass auf dem heutigen Thalia-Grundstück ein weiteres Postgebäude (Baujahr 1936) stand, dass 2005 abgebrochen wurde.

      1. Vielen Dank.
        Dieses ‚weitere Postgebäude‘ muss ja dann zur ‚HAUPTpost‘ aufgestiegen und als solche sehr lange Zeit genutzt worden sein, nachdem das ‘Postamt 1891‘ anderen Bestimmungen zugeführt oder abgerissen wurde.

  3. Die Luftbildaufnahme aus 1970 zeigt wirklich gut, wie die Autolobby in den letzten Jahren das Stadtbild geprägt hat ;)

  4. Leider existiert das „schöne“ Bergisch Gladbach weitgehend nur noch auf dem Papier.

    Es gibt wohl kaum eine andere Stadt, die so geschichtsvergessen und gleichgültig gegenüber ihrer eigenen (Bau)Geschichte war. Ich erinnere mich noch gut an eine Diskussion im Stadtrat in den 80er Jahren, als es um ein denkmalgeschütztes Haus in der Johann-Wilhelm-Lindlar-Str. ging, das in einer Nacht- und Nebelaktion so hergerichtet wurde, dass ein weiterer Denkmalschutz obsolet wurde. Die CDU, die sich damals noch als die eigentliche Eigentümerin der Stadt empfand, hatte mehr als volles Verständnis für den Bausünder.

    Die damals Herrschenden pflegten ihre nostalgischen Bedürfnisse in Karnevals- und Heimatvereinen und sahen die Stadt als Spielfeld ihrer finanziellen Interessen. Warum diese Haltung gerade in Bergisch Gladbach so ausgeprägt war und rücksichtslos die historische Bausubstanz zerstört wurde, ist mir bis heute ein Rätsel.