Die Sander Bauernstube ist geschlossen, das Gebäude wird abgetragen. Fotos: Friederike Naroska

Reibekuchen jeden Donnerstag und Freitag, Rippchen, Matjes und gutes Kölsch, Heike Ommer in der Küche und Wolfgang an der Theke: für viele Bergisch Gladbacher war die Sander Bauernstube eine Institution. Nach mehr als 100 Jahren ist damit Schluss, die Gastwirtschaft geschlossen. Unsere Autorin lässt die Geschichte des Hauses und ihre eigenen Erinnerungen Revue passieren. Und war beim Abschiedsabend mit einem ungewöhnlichen Auftritt vor Ort.

Von klein an mochte ich keine Reibekuchen. Ich konnte schon den Geruch nicht leiden. Meine Mutter hat – entweder aus Bequemlichkeit oder weil es sich für eine Person nicht lohnte – nie selbst Reibekuchen gebacken. Weil sie sie aber doch gerne aß, war sie freitags bei unserer Nachbarin zu Gast, bei der sich die frisch gebackenen Reibekuchen zu Türmen stapelten. 

Jahre später, als die Nachbarin nicht mehr lebte, ging meine Mutter regelmäßig zum Reibekuchenessen in die Sander Bauernstube. Damals lebte ich in Tübingen und wenn ich dort nach Hause kam und schon donnerstags abends da war, wurde ich von meiner Mutter mit den Worten begrüßt: „Heut Abend geh’n wir aber nach Sand Reibekuchen essen!“ 

Zum Glück gab es auch damals schon ein umfangreiches und viel­fältiges Angebot aus der regionalen Küche, sodass auch ich auf meine Kosten kam. Besonders lecker waren immer die Matjes „Hausfrauenart“ (Wolfgang Ommer dazu: „Ja, wir ham da ´ne gute Quelle.“).

Und es gab mein Lieblings-Kölsch, auf das ich mich bei jedem Besuch in Gladbach schon vorher gefreut habe. Außerdem war es in der Sander Bauernstube auch besonders gemütlich. Und deshalb bin ich gerne mitgegangen. 

Meine Mutter bestellte – wie immer – Reibekuchen mit Apfelkraut. Und jedes Mal, wenn die Reibekuchen auf dem Tisch standen, dieselbe Frage: „Willst du nicht doch mal probieren?“ Ich muss zugeben, dass der Geruch schon sehr verlockend war.

In guten Händen, bei Heike und Wolfgang Ommer

Seit ich die Sander Bauernstube kenne, war die Küche das Reich von Heike Ommer, in der sie traditionelle deutsche Gerichte besonders lecker zubereitet und entsprechend den Jahreszeiten variiert hat. Bei allem, was sonst noch in dem Bereich links der Haustür zu erledigen war, wurde Heike von guten Geistern unterstützt. 

Wolfgang Ommer war der Verbindungsmann zur Küche. Er regelte alles im Lokal und an der Theke, nahm Bestellungen und Reservierungen entgegen, zapfte und servierte. Bei Bedarf wurde er von einem Team von freundlichen jungen Mädchen aus der Nachbarschaft unterstützt. 

Zum Abkassieren kam der Chef aber auf jeden Fall persönlich. 

Gastwirtschaft und Germania Saal

In der Speisekarte der Sander Bauernstube habe ich gelesen, dass die Gaststätte schon seit über 100 Jahren im Eigentum der Familie ist. 1910 kaufte Johann Kesseler das Haus Sander Straße 190. 

In dem verschieferten Fachwerkhaus war die Gastwirtschaft – damals noch nicht „Bauernstube“. Dazu gehörten der Germania Saal auf der einen Seite und auf der anderen eine Lebensmittelhandlung. 

In den urigen Gasträumen gab es Platz für ungefähr 100 Gäste. Und an den Spezialitätentagen – wie zum Beispiel dem Hähnchen- oder Rippchen-Tag (immer an einem Mittwoch) – waren alle Plätze besetzt und der Laden manchmal schon Wochen vorher ausgebucht. 

Das galt auch für die Taiwan-Abende, an denen die Schwiegertochter die Gäste – die meisten mit einem an bergische Küche gewöhnten Geschmack – mit Spezialitäten aus ihrer Heimat überrascht und begeistert hat. 

Urige Kneipe und bergisches Museum

Die Sander Bauernstube war aber nicht nur eine urige Kneipe, sondern auch – so ganz nebenbei – ein Museum für altbergisches Küchengerät, landwirtschaftliche Geräte, Werkzeug von früher und alte Möbel. 

Außerdem gab es Pokale zu bewundern und vor allem jede Menge Karnevalsorden – so viele, dass sie in den Vitrinen zum Teil doppelt und dreifach überein­ander hingen.

Überall zwischen dem „ahlen Kram“ hingen, damit auch ja kein Platz an den Fachwerkwänden ungenutzt blieb, alle möglichen Bilder. In der „Kölschen Eck“ konnte man signierte Porträts von Büttenrednern und Kabarettisten sehen, in der Ecke „Alt Sand“ Fotos mit Motiven aus dem alten Sand. 

Und da, wo noch Platz war – meist knapp unter der Decke – hingen die Bilder von Karnevalsprinzenpaaren aus vergangenen Jahren. 

Wie zu jeder guten Kneipe gehörte auch zur Sander Bauernstube eine Kegelbahn, die selbst bei Leuten aus der Umgebung wie Overath oder Leverkusen sehr beliebt war. 

An warmen Sommerabenden konnte man es sich auch in dem wunderschönen Biergarten im Schatten zweier riesiger Mammutbäume gut gehen lassen.

Abschied mit Wehmut

Am 27. Oktober 2023 war der letzte Tag, an dem die Sander Bauernstube geöffnet hatte, und viele Gäste wollten diesen Abend noch einmal genießen. Außer Speisen und Getränken bekamen die Gäste noch was Besonderes geboten. 

Ralf Strauch-Lerhoff kündigte das kleine Reitercorps der Närrischen Sander an: Personal und Chef der Sander Bauernstube, die über viele Jahre den Elferrat der Närrischen Sander gestaltet haben, tanzten nach der Melodie des Höhner-Lieds „Liebchen“ und sangen dazu den Refrain:

Liebchen, verjiss mich nich‘,
Liebchen, ich will nur dich,
Liebchen, lass mich nich‘ allein im Regen stehn.
Ohne dich is dat alles doch nur halv esu schön. 

Eine gelungene Vorstellung! 

Happy End beim Reibekuchen

Abgelenkt durch die Beschreibung der vielen liebenswerten Sachen, die neben den Ommers selbst die Atmosphäre der Sander Bauernstube ausgemacht haben, bin ich etwas von meiner Reibekuchengeschichte abgekommen. 

Also, der Geruch von Heikes frisch gebackenen Reibekuchen hat letztlich über meine Abneigung gesiegt. Ich habe die Reibekuchen dann irgendwann einmal probiert. Lecker. Sehr lecker! Und seitdem habe ich sie wirklich gerne gegessen, immer wieder – aber nur in der Sander Bauernstube und natürlich auch nur mit Apfelkraut. 

Eine Verführung waren allerdings auch die deftigen „kleinen“ Gerichte, die monatlich wechselten. Aber das Beste: Donnerstags und freitags frisch gebackene Reibekuchen.

Seit ein paar Jahren wohne ich wieder in meinem Elternhaus in Gladbach. Meine Mutter ist inzwischen gestorben, aber die Tradition, donnerstags in die Sander Bauernstube zum Reibekuchenessen zu gehen, ist geblieben. Und ich konnte sowohl meine Gladbacher Freunde wie auch meine Besucher aus Tübingen überzeugen, dass das so sein muss. 

Und jetzt? 

Nit nur dingsdaachs zo. 

Wenn das typisch bergische, verschieferte Fachwerkhaus einem Neubau weichen muss, wird es zum Glück nicht auf die übliche Weise abgebrochen, sondern von Markus Hetzenegger und seinen Leuten sorgfältig demontiert und die Balken gerettet, um das Haus an anderer Stelle in Sand wieder aufzubauen zu können. 


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