Seit rund 18 Monaten ist die Grube Weiß ein Atelierhaus. In ihrer zweiten Ausstellung widmet sich die Ateliergemeinschaft der Künstler:innen jetzt der Farbe Weiß. Ausgangspunkt mag die Location sein, inhaltlich bietet die unbunte, hellste aller Farben indes viele künstlerische und kulturelle Anknüpfungspunkte, wie ein Blick vorab in die Ausstellung zeigt.
Text: Holger Crump. Fotos: Thomas Merkenich
Schon Anfang des Jahres hätten sie über ein Thema für die Ausstellung gesprochen, erzählen die Künstler:innen, die ihre Ausstellungen stets im Team planen. Spielerisch, so heißt es, entschieden sie sich für den Titel „Weiß plus“ – eine Überschrift, die den Bogen zwischen ihrem Atelierhaus Grube Weiß und der Farbe Weiß aufspannt.
Weiß gehört zu den unbunten Farben, wie Schwarz oder Grau. Es ist die hellste Farbe, keine Spektralfarbe, entsteht durch ein Gemisch aus Einzelfarben. Soweit die Theorie. Darüber hinaus hat Weiß aber auch viele kulturelle Bezüge, wie in dieser Ausstellung deutlich wird.
„Unschuld und Friede. Weiß taucht in Religionen auf, die Farbe steht in manchen Kulturen für “, erklärt Beatrix Rey, eine der ausstellenden Künstlerinnen. Anknüpfungspunkte finde man beim Papier, das in unterschiedlichsten Tönungen zu finden ist. „Weiß ist nicht gleich weiß“, bringt sie es auf den Punkt.
Birgit Voos-Kaufmann fand gar über 100 Begriffe für unterschiedlichste Weiß-Färbungen im Handel für Künstlerbedarf. Die weiße Farbe namens Elephant breath sei ihr Favorit bei den Recherchen gewesen, lacht sie. „Die Assoziation zu Licht ist “, ergänzt Gisela Eich-Brands, verweist auf die Grundfarben als Bestandteile von Weiß.
Wolfgang Buyna ist mit reduzierter, abstrakter Malerei zu sehen, schichtet Weiß über dunkle Farben, untersucht so Tiefe und Facetten des Themas. Grafische Elemente gehen in den Dialog mit dem Magazin – die Ausstellungshalle der Grube Weiß ist fast ein Exponat für sich, verlangt nach einer Behauptung der darin ausgestellten Arbeiten. Buyna geht mit seinen Werken fast eine Symbiose ein.
Gemeinsam mit Christiane Klapdor zeigt Gisela Eich-Brands Schablonendruck auf Röntgenbildern, die von Licht und Schatten leben. Formen werden aufgegriffen, weitergesponnen, übereinandergelegt – ein sinnliches Objekt, das zusätzlich durch Transparenz gewinnt und den Betrachter zur Erforschung der Kehrseite einlädt.
Wo Licht ist, da ist auch Schatten. Licht – das greift Eich-Brands auch bei „Weiß plus“ auf, wo sie das Zusammenwirken der Spektralfarben untersucht.
Die Arbeiten von Beatrix Rey stehen oft im Kontext von Umwelt, Natur, Klima. So auch bei ihren „Säulenheiligen“ – ein Zitat aus einem Gedicht von Rose Ausländer.
Rey inszeniert Bäume, die im Sturm gefallen sind, überträgt deren Jahresringe per Frottage auf lange Papierbahnen – schwer und leicht zugleich, sehr archaisch, stimmig komponiert. Passend dazu kräftige Efeu-Ranken, wie Skelette eingepfercht: Weiß und Trauer – die Arbeiten erinnern eindringlich an das Sterben von Fauna und Flora.
Weiß plus
Ausstellung der Ateliergemeinschaft Grube Weiß
Vernissage: Sonntag 12.11., 12 bis 16 Uhr, mit A Capella Chor „Himmel un Ääd“)
Finissage: Sonntag 19.11,, 14 bis 18 Uhr, Tanzperformance Christiane Budden um 15 Uhr
Geöffnet: Do 16. Nov. 16 bis 19 Uhr (offene Ateliers), Fr 17. Nov. 16 bis 19 Uhr, Sa 18. Nov. 16 bis 22 Uhr (19.30 Uhr Musik der Band Arnold X)
Grube Weiß 18, 51429 Bergisch Gladbach-Moitzfeld
atelierhaus.grubeweiss@web.de
Birgit Voos-Kaufmann lädt den Betrachter zum intensiven Erforschen ihrer Arbeiten ein, sie wollen eindringlich sondiert werden. So spannt sie bei „Drunter und Drüber“ ein Panoptikum an verwobenen Streifen auf, die mit einem herrlichen Spiel von Licht und Schatten nicht zuletzt das Ausgangsthema auf seine Möglichkeiten untersuchen.
Weiß als Anfang, Schwarz als Ende – was gibt es dazwischen? Fragen, die sie auch mit der nur scheinbar formal-strengen Arbeit „Raus aus den Streifen“ aufwirft und Kontraste auf Ebene von Farbe, Gestaltung oder auch Materialität gegeneinander setzt.
Liebe und Reinheit
„Hier wird so viel geheiratet“, lacht Margret Schopka, und bezieht sich in ihrer dreiteiligen Arbeit „Die schönen Kleider der Braut“ auf das Magazin im Atelierhaus, das als Event-Location oft weitaus weltlichere Dinge als eine Ausstellung beherbergt.
Ein umgedrehter Teppich als ramponierte Corsage. Lattex und Blüten vereint zu einem drängenden Geheimnis, das vielleicht von den Umtrieben der Liebe erzählt. Nachdem das daneben hängende Kleid abgelegt wurde. Versetzt mit Algen, Blüten und Kaffeesatz erzählt das Kleidungsstück nüchtern bis pessimistisch vom „Bund des Lebens“. Eine sinnliche Arbeit, die zudem das breite Spektrum der Künstlerin wunderbar abbildet.
Mystisch wird es zur Finissage, wenn Christiane Budden die Ausstellung mit einer Tanzperformance beschließt. Sie trägt dabei ein eigens gestaltetes Objekt der Designerin Juliane Diefenbach – ein Vorhang aus weißen Schnüren, welche die Bewegungen verstärken, überzeichnen, verlängern.
Budden lässt ein archaisches Wesen ohne Antlitz aufleben, das betrachtet und zugleich betrachtet werden will. Orakelhaft, okkult und letztlich doch unfasslich wird die Tänzerin Bezug zum Raum und den Kunstwerken aufnehmen.
Vom Neben- zum Hauptdarsteller
In Museen und Galerien ist Weiß meist Statist. Ein ruhiger Hintergrund, vor dem sich Kunstwerke entfalten. In der Grube Weiß kehrt sich dies um, wird die unbunte Farbe zum Hauptdarsteller. Für Fotografie, Malerei, Installation, Grafik, Objekte und Textilarbeiten.
Spannend ist es allemal, wie die Künstler:innen mit der Aufgabenstellung umgehen. Eine Reduktion kann ja auch zur künstlerischen Freiheit führen – so erzählt die Ausstellung nicht nur von der Weiß(s)heit der Kunst, sondern auch ihrer Protagonisten.
Ein wirklich guter Bericht über unsere Ausstellung und großartig der Titel: die Weißheit der Kunst, danke lieber Holger. Wie immer bin ich auch beeindruckt von den großartigen Fotos von Thomas Merkenich. Danke, lieber Herr Merkenich. Herzliche Grüße, Margret