Im Nachgang zum 25. Todestag der Fotografin Tata Ronkholz zeigt die Galerie Schröder und Dörr eine Auswahl ihrer Arbeiten. Gemeinsam mit Künstlern wie Andreas Gursky oder Candida Höfer gehörte Ronkholz zu den ersten Studenten von Bernd Becher an der Kunstakademie Düsseldorf. Ohne jedoch zeitlebens deren Renommee zu erreichen. Völlig zu unrecht, wie die Ausstellung mit Handabzügen teils noch nicht präsentierter Arbeiten belegt.

Schwarz-weiß-Fotos aus dem Rheinland und dem Ruhrgebiet: Trinkhallen, Imbissbetriebe, große Eisentore, Verkaufsläden, Schaufenster, Häfen und Museumsbauten. Leer, ohne Menschen, keine Schatten, frontal fotografiert, kaum Perspektive mit führenden Linien.

Die Galerie Schröder und Dörr in Refrath zeigt ab Freitag Fotografien von Tata Ronkholz. Handabzüge aus der kurzen Schaffensperiode der Ausnahmefotografin, entstanden zwischen 1978 und 1986. Kurz bevor die Fotografie sich endgültig als künstlerisches Medium emanzipiert, konstruierte Bilder und das Digitale en vogue sind.

In ihrem Werk dokumentiert Ronkholz schlicht und sachlich den urbanen Raum jener Zeit. Mit Zeugnissen einer wegbrechenden Industriekultur. Mit Zweckbauten für den Konsum, die bis zur Decke mit Ware und Werbung vollgestopft sind. Pommes 80 Pfenning, heißt es da. Pußta Friko ist im Angebot. Die Currywurst kostet noch 2 Mark. Und Faßbier ist stets gekühlt vorrätig, wirbt ein Schild zwischen der neuesten Ausgabe der Fernsehzeitschrift Hörzu.

Das Werk von Tata Ronkholz – ein kulturellen Gedächtnis des Städtebaus der Nachkriegszeit. Ein Brennglas, unter dem der Puls einer Gesellschaft sichtbar wird. Nüchtern in der Darstellung, und darum umso eindringlicher.

Becher-Klasse

1940 als Roswitha Tölle geboren, studiert Tata Ronkholz zunächst Architektur und Innenarchitektur in Krefeld. Über ihren Ehemann Coco Ronkholz lernt sie das Künstlerpaar Bernd und Hilla Becher kennen. Und kommt so mit der Fotografie in Kontakt.

Nach Arbeiten als Produktdesignerin geht sie an die Kunstakademie Düsseldorf, wo sie 1978 zu den ersten Schüler:innen des legendären Bernd Becher gehört. Gemeinsam mit späteren Stars der Szene wie Andreas Gursky, Candida Höfer, Thomas Ruff oder Thomas Struth.

Die Truppe stellt damals die Kunstszene nachhaltig auf den Kopf. 40 Jahre später soll das Städel Museum Frankfurt die Werke dieser als „Becher-Klasse“ bezeichneten Künstler:innen ausstellen: „Fotografien werden Bilder“ lautet der Titel.

Kurze Schaffensphase

Aufmerksamkeit, Ruhm und Erfolg – all dies erfährt Ronkholz im Gegensatz zu ihren Kommilitonen kaum in ihrem kurzen Leben. Sieht man von einer Ausstellung 1979 mit Candida Höfer, Axel Hütte und Thomas Struth 1979 im Rheinischen Landesmuseum einmal ab.

Zwar dokumentiert sie während des Studiums gemeinsam mit Thomas Struth den Abriss des Düsseldorfer Rheinhafens – eine Auftragsarbeit der Stadt, die etwas Geld in ihre Kasse spült. Entdeckt die Trinkhallen als Objekt, bannt soziale Treffpunkte wie Imbissbuden oder schlichte Verkaufsläden mit der Fachkamera aufs Foto.

Gleichwohl wirft sie 1986 sie das Handtuch: Die Fotografie lohnt sich nicht. Ronkholz zieht sich zurück, jobbt in Köln in einer Fotoagentur und stirbt 1997 einsam auf Burg Kendenich. Die Arbeiten werden zum Großteil erst posthum ausgestellt.

Was nach Angaben von Galerist Uli Dörr einem Glücksfall zu verdanken ist: Ein befreundetes Ehepaar, das Ronkholz den Namen Tante Tata verliehen haben soll und zeitlebens nichts von ihrer Künstlervergangenheit gewusst haben will, habe nach Ronkholz Tod den künstlerischen Nachlass entdeckt und ihn vor der Vernichtung gerettet.

Kompakt aber umfassend

Und gibt ihn in die Kunstszene weiter. Ein Teil des Nachlasses wird seit 2011 vom Auktionshaus Van Ham in Köln betreut. Schon seit 2001 kümmert sich die Galerie Schröder und Dörr um die andere Hälfte, mit Abzügen, Kontakten und Negativen.

Nach 2017 zeigt die Galerie nun erneut Arbeiten von Tata Ronkholz. Und gibt einen kompakten aber gleichwohl umfassenden Überblick über die Werkgruppen der Fotografin. Mit einem Novum: Drei Arbeiten zeigen Museumsbauten, die nach Angaben von Galerist Uli Dörr erstmals öffentlich zu sehen sind.

Foto: Thomas Merkenich

Zum XXV. Todesjahr – Fotografien von Tata Ronkholz
Galerie Schröder und Dörr
Wingertsheide 59, 51427 Bergisch Gladbach – Refrath

Vernissage: Fr 17. November 20 Uhr, Ausstellung bis 24. Februar 2024
Öffnungszeiten: Di bis Fr 14 bis 18.30 Uhr, Sa 11 bis 14 Uhr
Achtung: Galerie geschlossen vom 4. Dezember bis 27. Januar

Die Bilder sind eine kleine Zeitreise: Zurück zur strengen Becher-Schule, mit ihrer sachlichen Frontalität und schwarz-weiß Ästhetik. Zurück in die 70er und 80er des vorangegangenen Jahrhunderts, mit einem formalen Blick auf scheinbar unwichtige Objekte, denen sich sonst künstlerisch niemand gewidmet hätte.

Die Fotografien sind konsequent in der Machart. Und konsequent in der Abwesenheit der Menschen, deren Anwesenheit die gezeigten Objekte eigentlich zwingend erfordern würde. Aus eben dieser Spannung heraus entfalten die Arbeiten ihre Sogwirkung, ihren dokumentarischen Wert, der eher subtil statt plakativ daher kommt.

Weitere Beiträge zum Thema

Lade…

Something went wrong. Please refresh the page and/or try again.

ist Reporter und Kulturkorrespondent des Bürgerportals.

Reden Sie mit, geben Sie einen Kommentar ab

3 Kommentare

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

  1. Sehr geehrte Galeristen,
    mit den Informationen zu Ihrer Ausstellung tauchte Tata wieder sehr lebendig in meiner Erinnerung auf. Oft sprach sie von ihren Arbeiten als Innenarchitektin und Fotografin. Einige konnte ich auch in ihrer Wohnung in der Burg Kendenich bewundern. Etwas irritiert hat mich die Aussage, dass sie vereinsamt gestorben sei. Ich und Bewohner meines Hauses gegenüber der Burg und auch die Burgbewohner hatten regelmäßigen Kontakt mit ihr. Vielleicht meinen sie das Verschwinden in der Szene. Ok.
    Ich werde mir die Ausstellung anschauen.
    Viele Grüße
    Inge Cürten-Noack

  2. Lieber Uli Dörr, lieber Manfred Schröder,
    wie schön, dass ihr der garnicht mehr so unbekannten Tata Ronkholz erneut ein Forum gebt.
    Ich freue mich mit euch auf die Vernissage.
    Herzliche Grüße und auf bald
    Detlef

    1. Lieber Detlef Kribus,
      und damit die leider so früh verstorbene Tata Ronkholz weiterhin präsent bleibt, richten wir diese kleine und intime Schau aus, in der Hoffnung, dass viele interessierte Besucher sich von diesen beeindruckenden Photographien inspirieren lassen!
      Es grüßt herzlich und freut sich auf deinen Besuch
      Uli Dörr