Drei Künstlerinnen, drei Generationen, zwei Genres: Im Partout Kunstkabinett in Herkenrath sind ab Freitag Bilder von Eneka Razquin sowie Bronzeplastiken von Else und Petra Giesberg zu sehen. Eine Ausstellung, die nicht zuletzt durch den Kontrast von moderner Malerei und klassischer Skulptur besticht.

Holger Crump, Text. Thomas Merkenich, Foto

„It’s a women’s meeting“ lautet die Überschrift der aktuellen Schau im Partout Kunstkabinett. Ein Dialog von Malerei und Skulptur, von Gemälden und Zeichnungen mit Bronze- und Tonplastiken. Über Generationen und Genres hinweg.

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Galeristin Ursula Clemens-Schierbaum bringt Gemälde und Zeichnungen der gebürtigen Spanierin Eneka Razquin (1973) mit Ton- und Bronzeplastiken von Else Giesberg (1923 bis 2008) und ihrer Tocher Petra (1954) zusammen.

Da vereinen sich Perspektiven auf das Menschein, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Woraus die Ausstellung letztlich ihren Reiz bezieht.

Mediterraner Blick

Eneka Razquin hat eine ganz eigene Handschrift entwickelt. Die Farben überbordend, leuchtend bin neonfarbig, saftig und lebensfroh, ohne jedoch schrill daher zu kommen. Es ist vielmehr ein glanzvoller, mediterraner Blick, den die gebürtige Spanierin auf Städte, Natur und Menschen im Bergischen wirft. Eine Region, die irgendwann mal zu ihrer neuen Heimat geworden ist.

Öl und Acryl trägt sie zuerst auf, luftig-leicht, nie pastös. Fast wie im Aquarell, pudrig, lasierend. Daraus arbeitet sie weiter, oft auch mit Collagen. Verarbeitet Folie oder Einwickelpapiere von Bonbons und Pralinés. „Es muss funkeln“, sagt sie.

„Es ist ein wenig so wie beim Tetris-Spielen. Ich habe plötzlich eine Idee im Kopf.
Ich drehe sie in der Luft und auf einmal passt es. Ich bekomme das Gefühl,
es ist ein „Kann-Bild“, es kann so klappen. Ich male weiter und ich merke intuitiv, es klappt.“
Eneka Razquin

Es entstehen impressionistisch anmutende Arbeiten, durchzogen von fließenden Linien, geometrischen Figuren, Ornamenten, floralen Motiven, typografischen Elementen – immer an der Grenze zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktheit.

Alles außer vorhersehbar

Die Kompositionen atmen Freiheit, spielerische Leichtigkeit, transportieren Ruhe und Komtemplation. „Ich komme damit runter“, sagt sie immer wieder, wenn es um die Beschreibung ihres Malprozesses geht.

Drängend die aus den Bildern fließende Lebenslust der Natur. Erhaben das Majestätische urbaner Räume, die sie aus verschiedensten Perspektiven inszeniert.

Zur Person: Eneka Razquin (geb. 1973) studierte Kunst an der baskischen Universität (UPV, Standort Leioa), Bizkaia. Ausstellungen im In- und Ausland. Werkserien zur Stadtarchitektur, Naturimpressionen, Menschen und Wege. Mehr Infos auf der Webseite der Künstlerin.

„Ich verliebe mich in den Moment, zum Beispiel Gräser, dann folgt der Rest“, beschreibt sie ihr Vorgehen. Das kann statt eines Motivs aus der Natur aber auch der Kühlergrill eines Sportwagens sein. Razquin ist eben alles – außer vorhersehbar.

Flirrendes Kaleidoskop

Und überrascht dann mit Arbeiten, die mit sie Permanent Marker, Edding, Lackstift zeichnet. Eine neue Werkgruppe. Feinlinige Kompositionen, fast wie Skizzen oder Cartoons, denen sie Flächen oder Typografie entgegensetzt. In sich ruhende Kompositionen, die aus der Not geboren wurden:

„Ich habe zuhause im Flur gearbeitet, mit Öl war es da schwierig. Der Permanent Marker war einfacher zu handhaben“, sagt sie. DasLichtInDerKunst oder FerrarrArt lauten die Titel. Sprache zieht sie wie Objekte zusammen. Oder umgekehrt?

Foto: Thomas Merkenich

Razquin besticht mal durch einen konsequent emotionalen Blick auf ihr Sujet, mal durch kühl-ironische Distanz. Aber immer durch eine rundheraus subjektve Sichweise auf ihre Umgebung. Sie überzeugt durch die leise Wucht der Gestaltung, durch die omnipräsente Lust an der Malerei, durch lässige Virtuosität und endlose Vielfalt, mit der sie ihre Objekte in Szene setzt.

Ein flirrendes Kaleidoskop wird da entfacht. Im Stileben wie im Landschaftsportrait, in urbanen Räumen wie in ihren Frauenbildern. Zeitgenössische Malerei auf der Überholspur, zugleich feinsinnig, sensibel, detailverliebt, virulent.

Zur Sache: „It’s a women´s meeting“
Werke von Else Giesberg, Petra Giesberg, Eneka Razquin
Partout Kunstkabinett
Vernissage: 22. September, 19 Uhr
zu sehen bis 4. November 2023
Geöffnet: Di, Do, Fr 16 bis 19 Uhr, Sa 11 bis 13 Uhr
www.partout-kunstgeschichte.de

Mensch im Mittelpunkt

Mit Else und Petra Giesberg sind Mutter und Tocher in der Ausstellung vereint. Beide widmen sich Skulpturen in Bronze. Von der Mutter sind indes – ein seltener Glücksfall – auch einige Entwürfe in Ton zu sehen, die nicht in Bronze abgeschmolzen wurden. Und so eine ganz eigene Aura entfalten.

Immer im Mittelpunkt steht der Mensch. „Stimmung, Körpersprache, Haltung“ es sind wenige Fixpunkte, an denen sich die beiden Künstlerinnen orientieren. Die enorme Schaffenskraft, die sie daraus entwickeln, spricht für hohes künstlerisches Potenzial.

Else Giesberg (1923 bis 2008) erhielt Unterricht im Malen und Zeichen nach Modellen und in der Natur bei Alfred Polenz von den Kölner Werkschulen, studierte an der Europäischen Akademie Trier und im Atelier des Bildhauers, Malers und Keramikers Jo Karl. Zahlreiche Einzelausstellungen. Mehr Infos hier.

Petra Giesberg (geb. 1954) studierte zunächst an der TH Aachen (Bauingeneurin), bevor sie sich 2010 dem Modellieren mit Wachs für Bronzeguss widmete. Zehn Jahre Lehrbeauftragte an der FH Düsseldorf im Fachbereich Design. Akt- und Portraitzeichnen, Schnitzen, Modellieren in Ton. Details online.

Ruhe und Harmonie

Mutter Else schuf bis kurz vor ihrem Tod Solitaire, selten Gruppenbilder. Großartige Charakterstudien, wie ein Archiv menschlicher Empfindungen. „Gedanken und Stimmungen in Körpersprache und -haltung auszudrücken ist mein Anliegen, und mein Wunsch ist es, dem Betrachter Ruhe und Harmonie zu vermitteln“, wird sie auf den Webseiten der Galerie zitiert.

Ähnlich auch Petra Giesberg, wobei ihr Oeuvre konzeptionell augesrichtet ist: Die Künstlerin setzt konsequent auf Skulpturen mit gleichem Maß (14 cm). In kleiner Auflage von stets 24 Stück – alle von Hand nachgearbeitet und so allesamt Unikate – hat sie so einen eigenen Kosmos geschaffen, der sich zueinander in Bezug setzen lässt. Es aber nicht muss.

Ihre Arbeiten atmen Leichtigkeit, sind zugleich modern und zeitlos, klassisch in der Haltung, gut proportioniert, reduziert in der Ausführung. Sie versammelt in sich ruhende Personen, unaufgeregte Zeitgenossen, Menschen die mit sich im Reinen sind, die man im Alltag vielleicht erst auf den zweiten Blick entdecken würde. Figuren, die Resilienz ausstrahlen, keine schillernden Egozentriker.

Eigenschaften und Gefühle aus der Körperhaltung eines Menschen ableiten, das sei es was sie fasziniere. Entsprechend die Titel der Arbeiten: Versunken, Aufmerksam, Sehnsüchtig. „Allesamt Zustände, die man selbst gerne erreichen würde“, meint Petra Giesberg.

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Werkschau mit Substanz

„It’s an exciting women’s meeting“ – die Ausstellung steht ganz im Spannungsfeld von Skulptur und Malerei, gewinnt dadurch nahezu musealen Charakter. Und zeigt damit nicht zuletzt die große Bandbreite an Genres und Künstler:innen, denen sich die Galerie in Herkenrath widmet.

Als Werkschau von Eneka Razquin und Petra Giesberg gibt sie zugleich einen guten Überblick über Arbeiten zeitgenössischer Künstlerinnen, die mit Substanz konsequent ihren Weg verfolgen. Das ist einen Besuch wert!

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ist Reporter und Kulturkorrespondent des Bürgerportals.

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