Rund 1200 Menschen sind dem Aufruf eines breiten Bündnisses zur Demonstration gegen die AfD, gegen Rassismus, Antisemitismus und Fremdenhass gefolgt. Die Rednerinnen und Redner waren sich mit dem Publikum einig: Jetzt müsse die Demokratie entschlossen gegen die Rechtsextremen verteidigt werden, auf der Straße und im Alltag. Wir dokumentieren Auszüge, zeigen alle Reden im Video und lassen viele Fotos sprechen.

Aus allen Richtungen strömten am Samstagvormittag Menschen aller Altersstufen in die Innenstadt, um 11 Uhr war der Trotzenburgplatz vor der Post gefüllt, bald reichte die Protestversammlung in in beide Richtungen der Fußgängerzone hinein. Die Veranstalter sprachen von 1500 Teilnehmer:innen, das Bürgerportal schätzt die Zahl auf 1200 Personen, was auch die Polizei bestätigte.

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Fotos: Redaktion

Die Veröffentlichungen von Correctiv zum Geheimtreffen von AfD-Leuten und Neonazis und die Deportations-Pläne hatten, das merkten mehrere Redner:innen an, die demokratischen Kräfte wachgerüttelt. Jetzt müsse es wirklich jeder verstanden habe, sagte Redouan Tolih, Vorsitzender des Integrationsrats. Niemand könne sich später herausreden, er habe ja nichts gewusst.

Die Polizei war mit großen Aufgebot vor Ort, hielt sich aber im Hintergrund. Keinerlei besondere Vorkommnisse, meldete sie nach der Veranstaltung. Die AfD habe ihre angekündigten Wahlkampfstände in der Innenstadt und in Refrath kurzfristig abgesagt.

Besonders viel Applaus erhielt die 15-jährige Noemi Coumont, die für die Grüne Jugend Bergisch Gladbach beherzt an das Mikrofon trat und frei bekannte: „Ich habe Angst.“ Die Rechten nutzten die Schwächen der Demokratie genau wie damals die NSDAP, und ihre Umfragewerte stiegen. Daher müsse jetzt Schluss sein mit „Gelaber“ und „Parteipolitik“. Ihr Appell: „Wir wissen alle, wofür die stehen – hört auf wegzuschauen und wählt keine Fascho-Partei!“

Hinweis der Redaktion: Im folgenden dokumentieren wir die Rede von Noemi Coumont, ein Video mit allen Beiträgen der Rednerinnen und Redner finden Sie unten.

Coumont richtete sich vor allem an die jungen Menschen im Publikum: „Es geht um uns, wir sind die Zukunft. Daher müssen wir jetzt laut werden.“ Die Rechten seien viele, „aber wir sind mehr“, machte sie Mut – und forderte: „Seid schlau, wählt bei der Europawahl kein blau“.

Volker Schiek, Vorsitzender der SPD in Bergisch Gladbach, wandte sich direkt an die Menschen mit Migrationshintergrund und alle, die von möglichen Deportationen bedroht wären: „Wir stehen bei Euch, wir passen auf Euch auf!“

Man dürfe den rassistischen und nazistischen Kräften keinerlei Raum geben, ihre Ziele zu verwirklichen – und ihnen „bei den Wahlen die rote Karte zeigen“.

Fotos: Andreas Weinand

Redouan Tollih, Vorsitzender des Integrationsrats der Stadt Bergisch Gladbach, freue sich über die starke Beteiligung – das sei „genau die richtige Reaktion auf diesen widerlichen Masterplan“ der Rechtsextremen. Für Menschen wie ihn selbst, mit einer internationalen Familiengeschichte, sei Deutschland nicht nur ein Ort – sondern für viele „ihre einzige Heimat“.

Es sei nicht zu fassen, dass in Deutschland erneut eine Minderheit zum Sündenbock gemacht werde. Nun gelte es, gemeinsam gegen Rassismus, Antisemitismus und Fremdenhass zusammen zu stehen, rief Tolih: „Wir müssen kämpfen und gerade diese Zeit nutzen, um Brücken zu bauen, statt Mauern.“

Hale Bagherzadeh, Mitglied des Integrationsrats für die Linke internationale Liste, berichtete, dass sie vor einem „rassistischen und faschistischen Regime in Iran“ nach Deutschland geflohen sei, und dass sie in ihrer neuen Heimat für Meinungsfreiheit, freie Wahlen und einen säkularen und demokratischen Rechtsstaat dankbar sei. Nun gelte es, diese Werte zu verteidigen und zusammen gegen Rassismus, gegen Hass und gegen Antisemitismus einzustehen.

Brigitta Opiela, Mitglied der CDU und Koordinatorin der Flüchtlingshilfe Refrath/Frankenforst, stellte klar, dass „Remigration“ ein Begriff Rechtsextremer einschließlich der AfD sei, der für Vertreibung steht – und ein direkter Angriff auf die Freiheits- und Bürgerrechte sei. Es sei an der Zeit, „Aufzustehen, laut zu werden, Widerspruch zu leisten, und Haltung zu zeigen.“

Fotos: Klaus Hansen

Bei den rechten Fantasien handele es sich nicht um ein Randphänomen, „sondern um eine ernstzunehmende Bedrohung in unserer Gesellschaft“. Es gehe jetzt auch darum, Sensibilität dafür zu entwickeln, wo Menschen im Alltag diskriminiert werden. „Wir brauchen ein Selbstverständnis in unserer Gesellschaft, das Vielfalt nicht nur als Realität, sondern auch als Normalität begreift“, forderte Opiela. Das gerade gebildete Bündnis müsse gestärkt werden, „um unsere Demokratie zu schützen und die Ausbreitung des Hasses zu verhindern“.

Roland Vossebrecker, Sprecher der Initiative KlimaGerechtLeben, verwies darauf, was auf dem Spiel stehe: „Gewinnen die Rechten, dann ist das das Ende von Klimaschutz, Gerechtigkeit und Leben.“ Die Freiheit, die wir genießen könnten, sei ein Privileg und Verpflichtung zugleich – denn die Demokratie müsse verteidigt werden, jeden Tag.

Er forderte ein Verbot der AfD und eine glasklare Abgrenzung aller anderen Parteien. Die Politik dürfe den Rechten keinen Schritt entgegen kommen, wie das bei der Abschiebepolitik jedoch derzeit geschehe: „Rechte Gesinnung bekämpft man nicht mit rechter Politik.“

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„Wenn die AfD durchkommt wird es in meiner Schule ziemlich leer“

Der Bericht des Recherchezentrums Correctiv über Pläne von AfD-Leuten und Neonazis über Deportationen haben für Menschen mit Migrationshintergrund eine besondere Dimension. Wir lassen einige von ihnen aus Bergisch Gladbach zu Wort kommen. Sie zeigen sich ebenso besorgt wie kämpferisch. Und weisen darauf hin, dass es nicht um Ausländerinnen oder Flüchtlinge gehe, sondern um die Grundpfeiler der Demokratie.

Patrick Graf, Sprecher des DBG-Netzwerks Bergisch Gladbach, verwies darauf, dass auch die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter für Vielfalt und Respekt stünden – und die Pläne der AfD nicht zulassen würden. Aus der Mitte der Gesellschaft müsse das Signal kommen: „Mit der Radikalisierung und der Diffamierung von Menschen mit Migrationsgeschichte finden wir uns nicht ab, wir treten öffentlich dagegen auf.“ Er forderte dazu auf, Zeichen im Alltag für eine Vielfaltsgesellschaft zu setzen, mit Schildern in Betrieben, Läden, Schulen und Büros.

Willy Bartz sprach für die FDP Bergisch Gladbach und zitierte zwei Plakate aus dem Publikum: „Die Gesellschaft ist vielfältig – und das ist schön“ sowie „Wir schützen die Demokratie“. Genau darum gehe es jetzt. Menschen wie jene AfDler, die mitten in Bergisch Gladbach einen Mann japanischer Herkunft mit der Frage konfrontierten, warum er „als Asiate überhaupt hier sei“ müssten gestellt werden, ihr Taten und Worte dürften nicht hingenommen werden.

Axel Bolte vom Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft Ganey Tikva-Bergisch Gladbach e.V. reagiert auf aktuelle Behauptungen der AfD, Juden- und Israel-freundlich zu sein – was eine lächerliche Lüge sei. Die Juden in Deutschland hätten Angst, seit dem Angriff der Hamas-Terroristen auf Israel mehr denn je. Daher gelte es, hohle Phrasen abzulegen und aktiv gegen jede Form von Antisemitismus und Israel-Feindlichkeit vorzugehen.

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Jan Lobermeier, Ko-Vorsitzender der Grünen Bergisch Gladbach, zog die Perspektive ganz weit: „Die AfD ist eine Gefahr für die gesamt Art und Weise, wie wir es genießen, zusammen zu leben.“ In ganz Deutschland seien die Menschen wach geworden und machten klar: „Wir lassen uns von Neofaschisten nicht vorschreiben, was deutsch ist! Bergisch Gladbach ist bunt – nicht braun, wir sind solidarisch, nicht arisch.“

Tomás Santillán, Ko-Vorsitzender der Linke im Kreis, Initiator des Bündnisses und Versammlungsleiter, warnte davor, dass nicht nur Ausländerinnen und Ausländer von einer Deportation bedroht wären – sondern auch andere Gegner der Rechten. Daher müsse es ein lautes „Nein zur AfD und ihren dunklen Plänen“ geben.

Santillán wiederholte, dass sich das ad hoc gebildet breite Bündnis in Bergisch Gladbach nach dieser sehr kurzfristig geplanten Demonstration erneut zusammenfinden werde, um über weitere gemeinsame Aktionen nachzudenken.

Demo AfD Georg Cürten Schneider
Hartmut Schneider. Foto: Georg Cuerten

Vorn Hartmut Schneider, der sich als Privatperson und Fotograf schon lange mit den Rechtsextremen beschäftigt, ging vor allem auf Martin Sellner ein, der im Zentrum der Correctiv-Enthüllungen und vieler anderer rechter Vernetzungen steht. Damit macht er deutlich, wie weit die Gewaltphantasien der Neonazis reichen. Sein Fazit: „Wir brauchen keinen (weiteren) österreichischen Politiker mit Gewaltfantasien.“ 

Die Kundgebung wird auf unserer Facebook-Seite intensiv diskutiert. Sie können Ihre Kommentare gerne auch hier auf unserer Seite etwas weiter unten abgeben.

Journalist, Volkswirt und Gründer des Bürgerportals. Mail: gwatzlawek@in-gl.de.

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22 Kommentare

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      1. Auch wenn der Name ungewöhnlich ist zählt der „Volksverpetzer“ zu den angesehenen Fakten-Checker. Das Grimme-Institut urteilt:

        „Die Faktenchecks des Volksverpetzers sind meist gut recherchiert und argumentieren überzeugend. Über die Sinnhaftigkeit der teils doch recht provokanten Sprache in Bild und Text kann man sicherlich streiten – uns erscheint dies in puncto Seriosität eher hinderlich –, allerdings hebt sich der Volksverpetzer damit auch deutlich von den recht nüchtern aufgezogenen anderen Faktenchecks ab und spricht damit ggf. andere Zielgruppen an.“

        https://www.medienbildungshub.de/die-faktenchecks-des-volksverpetzers-analyse-und-bewertung/

        Das Grimme-Institut wiederum ist eine angesehene Forschungs- und Dienstleistungseinrichtungen die sich mit Fragen der Medienkultur und -bildung im digitalen Zeitalter befasst.

  1. Da ich persönlich angesprochen wurde:

    Ich war mit meiner Frau übers Wochenende zu einer seit langem geplanten Familienfeier verreist. Deshalb konnte ich leider nicht präsent sein. Ansonsten hätte ich an der Demonstration teilgenommen.

    Sie können sicher sein, dass ich persönlich als jemand, der jetzt schon fast 40 Jahre engagiertes Mitglied der SPD ist, die Ablehnung der AFD uneingeschränkt teile.

  2. Liebe Redaktion,
    vielen Dank für diesen ausführlichen, wirklich informativen und facettenreichen Bericht über die Demo am Samstag in der Innenstadt von Bergisch Gladbach! Ich finde diese Art von detaillierter journalistischer Berichterstattung wirklich bewundernswert!
    Eine sehr eindrucksvolle Dokumentation des Geschehens! Nochmals vielen Dank!

  3. @ Ralph Thiel @dieter heinzel @Peter Schlösser
    Es gibt erste Überlegungen, das sichtbar gewordene Mobilisierungspotenzial im Sinne des Vorschlages von Peter Schlösser zu nutzen.
    Ich bin auch der Meinung, dass diese erfolgreiche Demonstration nicht das Ende, sondern der Anfang einer Entwicklung sein sollte.

  4. mit das Beste ist ua, dass alle demokratischen Parteien ZUSAMMEN mit im Boot waren gegen rassistische und antisemitische Hetze.
    Deshalb auch der CDU (und vorne weg Frau Opiela) besonderen Dank.
    Jetzt müsste es ein ÜBERPARTEILICHES BÜNDNIS geben , die bisherigen Nichtwähler zwecks Stärkung der Demokratie zu überzeugen, wieder wählen zu gehen.

    1. Ich drücke die Daumen, dass es in GL nicht zu antisemitischen Ausschweifungen bei den Teilnehmern kommt, wie in anderen Städten, wo, teils vermummt, die Parolen gesungen wurden.

      1. Auf vielen Fotos sind die Flaggen zu sehen. Ein Beispiel. (Linkes oberes Drittel)
        https://images.noz-mhn.de/img/46302980/crop/cbase_16_9-w910-h511/1529481777/1735952142/hamburg-demo.webp

        Dazu der bemerkenswerte Einsatz des Herrn bei einer Demo, wo er der Gruppe Linker und Migranten mitteilt, dass diese Demo nicht mit dem Gaza-Konflikt zu tun hat und deren Punkte nicht hierher gehören.
        https://x.com/jsevincbasad/status/1747757889115066442?s=46&t=0ZxT761Sf2P-lK7YbmTuzw

        Nur ein paar wenige Beispiele.

      2. Mit Fahnen belegen Sie also „antisemitische Ausschweifungen“? Und Frau Basads Posting, in dem sie vom „linken Mob“ schwadroniert, ist eine reputable Quelle? Das lässt tief blicken.

      3. Sie können gerne eine andere Quelle des Videos nehmen, da gibt es ja einige. Wer das postet, ist mir egal.

        Wollen Sie verneinen, dass es diese Auswüchse bei den Demonstrationen gab?

      4. Belegt ist ein Auswuchs bei einer Demonstration, ohne verifizierbare Orts- und Zeitangabe.

      5. „Ausschweifungen“ – sehr witzig.
        wieder einmal reine Polemik ohne Sinn und Verstand.

      6. Ein böser, aber sehr durchschaubarer Versuch die Demonstrationen zu diskreditieren. Ist Ihnen das nicht peinlich? Im Gegensatz zu vielen Demonstrationen des rechten Flügels, gab es keine Galgen, keine Sachbeschädigungen und es wurden auch keine Pressevertreter attackiert. Wir, die Mitte, sind mehr, sind friedlich und wir wollen keine Nazis. Warum? Wir wissen wohin das führt. Wissen Sie das auch noch?

  5. Gut, dass über 1000 Menschen gekommen sind, um gegen rechts und afd zu sein. An die Parteien gerichtet, seid bitte alle 2 Wochen in der Innenstadt sichtbar, und nicht nur alle 4 Jahre bei Wahlen. Die afd war alle 2 Wochen präsent.

  6. Danke an das Bündnis, diese eindrucksvolle Demo gegen die AFD auf die Beine gestellt zu haben und das über alle Parteigrenzen hinweg. Gemeinsam mit meinen Freunden haben wir uns kalte Füße geholt… aber wir wussten warum.

    Die AFD hat sich an diesem Samstag mit Ihrem Infostand in der Stadtmitte offensichtlich auf Druck der Polizei zurückgezogen. Vielleicht kann sich das Bündnis in den kommenden Wochen mit einer eigenen Präsentation in Blickkontakt zum AFD-Stand positionieren, damit den AFD-lern „ keine Luft zum Atmen“ bleibt.

    Wir sind gerne bereit, uns mit stundenweiser Präsenz einbinden zu lassen.

    Peter und Susanne Schlösser

  7. Engagierte Redner/-innen mit informativen klaren Inhalten .
    Aber wo war unser Bürgermeister?

    1. Was soll das? Ich war auch nicht da und hatte meinen Grund. Auf Politiker, die aus strategischen Gründen an einer Demo teilnehmen, auf ein Bild wollen, kann ich verzichten. Entscheidend ist, daß die Politik stimmt.

    2. Vielleicht war er verhindert? Das ist die wahrscheinlichste Erklärung. Aber Ihre Frage ist natürlich legitim. Man kann auch mal fragen, wo die offiziellen Vertreter der Kirchen waren? Stadtdechant Ulrich Messing von der katholische Kirche in Münster z.B., sagte im Vorfeld zur Redaktion von Kirche+Leben, „er halte es für schwierig, als Kirche zur Demonstration gegen die AfD aufzurufen.“ Und ich frage mich die ganze Zeit: Warum?

  8. Wie schön – und Ganz wichtig, dass die breite Zivilgesellschaft aufwacht: Hitler hat 1930 in einem Strafprozeß erklärt, dass die NSDAP auf der Grundlage der Weimarer Verfassung agiere, sich an deren Regeln halte.

    Im Winter 1933 brauchte er drei Monate um im Zuge der Machtergreifung aus einer Demokratie einen Führerstaat zu machen – das weitere ist bekannt und nur noch unerträglich!
    Genauso (wie 1930) agiert die AfD derzeit.