Nach wie vor befindet sich Bergisch Gladbach unter dem harten Regime der Haushaltssicherung. Solange die Ausgaben die Einnahmen überschreiten (und das tun sie bei weitem) darf der Rat nur einen Nothaushalt verabschieden, der den Gestaltungsspielraum der Stadt erheblich einschränkt. Unter diesen Voraussetzungen musste der noch neue Bürgermeister Lutz Urbach einen Etatentwurf vorgelegt, der dem ausgewiesenen Finanzexperten keinen Spaß macht. Urbach:
„Wir sprechen nicht mehr vom Wünschenswerten oder Sinnvollen,
wir sprechen nicht einmal mehr über das Notwendige!“
Am Ende des Tages wurde der Haushalt 2010 mit den Stimmen von CDU, FDP und Freien Wählern verabschiedet. Doch richtig glücklich ist damit niemand.
Die bittere Ausgangslage
Zunächst hatte Kämmerer Jürgen Mumdey noch ein Minus von 13,1 Mio Euro veranschlagt. Doch vier Faktoren sorgten laut Mumdey dafür, dass das geplante Defizit inzwischen auf 33,5 Mio. angeschwollen ist:
- Sinkender Anteil der Kommunen an der Einkommenssteuer kostet 7 Mio Euro
- Schlüsselzuweisungen bei Steuern und Abgaben schrumpfen um weitere 2,5 Mio.
- Gewerbesteuer bricht ein, was 6,5 Mio kostet
- Fallzahlen im Bereich „Junge Menschen und ihre Familien“ explodieren, was 3,5 Mio Euro kostet
Auf alle vier Faktoren, so Mumdey, habe die Stadt kaum Einfluss. Daher könne sie auch kaum gegensteuern. Mumdeys Fazit:
„Ich kann mir bei der derzeitigen Einnahmesituation nicht vorstellen,
wie wir ein strukturelles Loch von 33,5 Millionen Euro stopfen sollen.
Die Stadt rutscht dauerhaft in den Nothaushalt.”
Die Eckdaten des Etats 2010:
Auf dieser Basis musste die Stadt einen Haushaltsentwurf vorlegen, der drastisch zeigt: die Stadt ist de facto pleite. Die Eckdaten sehen wie folgt aus:
- Summe ordentlicher Aufwendungen: 208,8 Mio Euro
- Summe ordentlicher Erträge: 180,3 Mio Euro
- Strukturelles Haushaltsdefizit: 33,5 Mio Euro
- Höhe der Gesamtverschuldung: 285 Mio Euro (vorläufige Angaben)
- Kreditrahmen für Investitionen 5,9 Mio Euro
- Investitionen 2010: 17,45 Mio Euro
Wo geht das ganze Geld hin?
Immerhin rund 200 Mio Euro gibt die Stadt also Jahr für Jahr aus. Zum Beispiel für:
- Personal – 45 Mio. Euro (ohne städtische Eigenbetriebe!)
- Jugend und Soziales – 24 Mio. Euro
- Hilfen für Menschen in Notlagen – 3 Mio. Euro
- Schulen – 21 Mio. Euro
Der allergrößte Teil der Ausgaben basiert auf gesetzlichen Pflichten, an diesen Pflichtausgaben ist nicht zu rütteln. Nur rund zwei Mio. Euro – also gerade einmal ein Prozent aller Ausgaben – fallen in den Bereich der freiwilligen Leistungen. Und ausgerechnet hier legt der Nothaushalt Stadt und Rat die Pflicht auf, Jahr für Jahr zehn Prozent zu kürzen.
Ziemlich überraschend schlug die CDU vor, auch die Aufwandsentschädigungen für Ratsmitglieder um zehn Prozent zu kürzen. Doch der Vorschlag wurde von der Opposition rasch als populistisch abgetan – und offenbar auch mit einigen Stimmen aus der CDU niedergestimmt.
Sanierer vs. Investoren – ein gespaltener Rat
Bei der Debatte nachmittags im Hauptausschuss und abends im Rat stellte sich heraus, dass man mit diesem Daten ganz unterschiedlich umgehen kann. Die eine Gruppe, vor allem in den Reihen von CDU, FDP, Freien Wählern und auch Kidinitiative stark vertreten, setzt sich für einen rigorosen Sparplan ein, um die Finanzen zu sanieren und die Stadt mittelfristig wieder aus der Haushaltssicherung zu befreien.
Die andere Gruppe, bestehend aus SPD, Grünen und Linken, versucht, sich dem Sparzwang zu widersetzen und fordert mehr Ausgaben für unstrittige Schlüsselbereiche wie die Schulen.
Die Debatte über das Tafelsilber
Spielraum für Ausgaben entdecken SPD, Grüne und Linke vor allem im Bäderfonds. Die Stadt hatte einst die Einnahmen aus dem Verkauf ihrer Anteile an der Belkaw im so genannten Bäderfonds angelegt, aus dem der Unterhalt der Schwimmbäder finanziert wird. Rund 36 Mio. Euro schlummern in diesem Fonds, die eigentlich auch ganz anders eingesetzt werden könnten.
Das forderte vor allem die SPD vehement ein. Folge man der Priorität, die sich auch Bürgermeister Urbach auf die Fahnen geschrieben hat, nämlich die Sanierung der zum Teil schon völlig maroden Schulen, müsse man das Geld jetzt einsetzen, forderte SPD-Fraktionschef Klaus Waldschmidt:
„Um die zwingend erforderlichen Generalsanierungen zu finanzieren, müssen wir an unsere Notgroschen gehen.“
Weder Bürgermeister Urbach noch die CDU-Ratsfraktion wollen bislang völlig ausschließen, doch noch auf den Bäderfonds zurückgreifen zu wollen. Die Verabschiedung des Etats aber aufzuschieben bis das geklärt ist, wie es die SPD forderte, lehnten CDU und FDP entschieden ab.
Was dennoch geht: ein wenig Schulsanierung
In diesem einen Punkt sind sich alle Ratsfraktionen einig: die Sanierung der zum Teil schon fast baufälligen Schulen der Stadt genießt absoluten Vorrang. Aber der Investitonsstau ist so gewaltig, dass die dafür bereitgestellten Mittel allenfalls zum Nötigsten reiche.
Immerhin beiinhaltet der Investitionsplan für 2010 rund sechs Mio. Euro. Diese sollen vor allem der IGP, dem DGB, der Saaler Mühle und dem NCG zu Gute kommen. Hinzu kommen acht Mio. Euro für Schulsanierungen aus dem Konjunkturprogramm II.
Mehr zum Investitionsplan für die Schulen in diesem Bericht
Was dennoch geht: Abgespeckte Regionale 2010
Auf dieser Basis muss die Stadtverwaltung weiterhin schmerzhaft sparen und viele der wichtigen und liebgewonnenen Projekte zurückschneiden oder ganz aufgeben. Kunstrasenplätze, weitere Kreisel oder einen Stadtkulturgarten wird es nicht geben.
Dennoch scheint es der Stadtverwaltung dennoch hin und wieder zu gelingen, dem Nothaushalt ein Schnippchen zu schlagen. So besteht eine reale Chance, dass zentrale Projekte der Regionale 2010 (Sanierung der Fußgängerzone, Buchmühlenpark) realisiert werden, obwohl dafür im Haushalt bescheidene 300.000 Euro zur Verfügung gestellt werden.
Mehr zur Regionale 2010 in diesen Berichten.
Noch eine Chance für das Schwimmbad Mohnweg?
Keine Gelder sieht der Etat für das Schwimmbad Mohnweg in Refrath vor. Der Bürgermeister will das Bad aus Kostengründen abreißen lassen. Doch laut CDU-Fraktionschef Mömkes ist hier die entgültige Entscheidung noch nicht gefallen:
„Dieses Bad ist für das Schul- und Vereinsschwimmen und die Schwimmerlernung im gesamten südlichen Teil unserer Stadt unverzichtbar.”
Mehr zur Debatte über das Schwimmbad Mohnweg.
Aus für Bibliothek Bensberg – und das Progymnasium
Die wirklich harten Beschlüsse wurden in nichtöffentlicher Sitzung gefasst. So entschied sich der Rat, die Stadtteilbücherei Bensberg, derzeit noch in der Schlosspassage, endgültig zu schließen – und sie nicht in die Trägerschaft des Progymnasium e. V. abzugeben. Ein Beschluss mit weitreichenden Folgen.
Denn unter dem Etikett Progymnasium war am Eingang der Schlossstraße ein ehrgeiziges Projekt geplant. In dem Neubau sollte unter anderem ein integratives Modellprojekt entstehen, ein Literatur-Café mit behinderten Mitarbeitern und Buchausleihe. Dazu standen Fördermittel der Aktion Mensch in Aussicht. Voraussetzung war aber ein Investitionszuschuss in Höhe von 200.000 Euro der Stadt aus Mitteln des Konjunkturpaketes II. Zudem hätte die Stadt einen Betriebskostenzuschusses für die Bücherei in Höhe von 25 000 bis 50 000 Euro jährlich zahlen sollen.
Ohne Zuschuss der Stadt kein Geld von der Aktion Mensch – und damit auch keine Chance für das Projekt Progymnasium.
Weitere Informationen und Materialien:
Tagesordnung der Ratssitzung am 25.3.2010 mit sämtlichen Vorlagen
Cityweb: Der städtische Haushalt 2010
Der komplette Haushaltsplan 2010 (pdf)
Zum Vergleich: Alle Materialien zum Haushalt 2009
Haushaltsrede von Peter Mömkes, CDU
Haushaltsrede von Tomás Santillán, DIE LINKE (mit BfBB)
Aus für die Bücherei im Pro – BLZ 26.3.2010
Sparen oder Investieren? – KSTA 26.3.2010
Urbachs erster Etatentwurf, iGL 20.1.2010
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Das ist eine informative Zusammenstellung. Die wichtigsten Punkte um den Etat 2010 sind erläutert. Und man erkennt schnell: Nichts geht – die Kassen sind leer und es wird überall “gestrichen”. Wünsche mir sehr, dass rund um die Belange der Jugendlichen der Geldbeutel wieder mehr geöffnet wird.