Das Interview des neuen Baudezernenten Flügge („Flügge weist Kritik an Flächennutzungsplan ab“) findet einen großen Widerhall. Es gibt Anlass, auf eine zutreffende These und zwei unzutreffende Thesen einzugehen.
1. These: FNP als „Möglichkeitsmacher“
Die Aussage von Harald Flügge ist zutreffend. Ein FNP ist im wahrsten Sinne des Wortes ein „Möglichkeitsmacher“. Die großen und unmittelbaren rechtliche Auswirkung eines FNP ergeben sich nicht nur aus dem enormen Vermögenszuwachs – auf Basis des sog. „Vorentwurf des FNP” in Höhe von mehreren hundert Millionen € – in Form eines Bauerwartungslandes (vgl. auch § 5 Abs. 2 ImmOWertV), sondern es gibt eine Reihe anderer unmittelbarer rechtlicher Bindungswirkungen, und zwar u.a.
- Bebauungspläne aus einem rechtwirksamen Flächennutzungsplan bedürfen keiner Anzeige oder Genehmigung ( § 10 BauGB),
- Der Stadt Bergisch Gladbach steht ein finanziell in der Regel lukratives Vorkaufsrecht zu bei durch Satzung festgelegten Flächen im Außenbereich ( § 25 BauGB),
- Es ist der Erlass von Entwicklungs- und Ergänzungssatzungen einfacher möglich (vgl. § 34 BauGB),
- Gleiches gilt für Maßnahmen im Außenbereich (§ 35 BauGB),
- Ferner ist der Flächennutzungsplan von Bedeutung für den Rahmen, der der Gemeinde bei der Veräußerung von Grundstücken gesetzt ist ( § 39 BauGB),
- Auch entfaltet der FNP eine sog. enteignungsrechtliche Vorwirkung bei der Enteignung der Grundstückseigentümer z.B. bei einer Ertüchtigung von Straßen ( § 95 BauGB)
2. These: Etwaiger Verstoß gegen Bürgerbeteiligung ohne rechtliche Folgen
Die weitere These, dass eine rechtliche Überprüfung etwaiger Verstöße der Stadt nicht erfolge, jedenfalls nicht durch die Bürger, ist zu hinterfragen. § 3 BauGB sieht strikte Vorgaben an eine Bürgerbeteiligung vor, bei der es sich nicht (nur) um eine Bürgerinformation handelt, sondern um eine „echte“ Beteiligung.
2.1. In Literatur und Rechtsprechung wird die Wichtigkeit dieser Regelung betont, insbesondere dass es sich nicht – so verführerisch dies aus Sicht von Verwaltung aufgrund des vorgeblichen Fehlens eines individuellen Klagerechtes sein mag – um eine Alibi-Maßnahme handelt.
Die in erstaunlicher Offenheit in dem Interview eingeräumte Intention, man könne den Vorentwurf des Flächennutzungsplans „durchziehen“, weil den einzelnen Bürgern keine Klagebefugnis gegen die Aufstellung des Flächennutzungsplans zustehe (wobei rechtzeitig vor der Kommunalwahl die Verabschiedung des FNP erfolgen soll und erst geraume Zeit nach der Kommunalwahl der erste B-Plan), erscheint dies nicht nur politisch wenig erfolgversprechend, sondern auch rechtlich.
Maßgebende Fragen über formelle und/oder materielle Mängel des Flächennutzungsplans und des Verfahrens werden inzident durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit bei der Überprüfung eines B-Plans geprüft. Die Anzahl der gegen einen B-Plan klagebefugten Person dürfte vorliegend beachtlich sein. Die bisher bekannt geworden Reaktionen dürften mehr als nur ein Indiz dafür sein, dass auf die Stadt eine Klagewelle hereinbrechen würde. Das kann von Niemanden gewünscht sein.
2.2. Es besteht eine gesetzliche Verpflichtung die Öffentlichkeit nicht nur frühzeitig zu unterrichten, sondern auch über unterscheidende Lösungen, also sind auch Alternativszenarien darzulegen und so aufzubereiten, dass eine Bewertung durch die Bürger erfolgen kann.
In der Standardkommentierung zum BauGB von Batties heißt es bei § 3, Rd-Nr. 8:
„Unterrichtung und Anhörung sollen möglichst frühzeitig erfolgen. Die Beteiligung darf nicht erst dann einsetzen, wenn die Planung so verfestigt ist, dass die Öffentlichkeitsbeteiligung zur Farce wird. Andererseits begrenzt die Notwendigkeit des Vorliegens zwar allgemeiner, aber diskussionsfähiger Planungsziele den Zeitpunkt der Öffentlichkeitsbeteiligung nach vorne.”
Daß eine solche „verfestigte Planung“ vorliegt und eine ernsthafte und ergebnisoffene Diskussion – die auch ein Infragestellen des gesamten FNP-Verfahrens nicht a priori ausschließend darf – nicht gewünscht wird, wird durch das autorisierte Interview belegt.
2.3. Vor der Veröffentlichung der Stadtverwaltung des sog. „Vorentwurf des FNP” als defakto “verfestigte Planung” wurde noch die Ergebnisoffenheit betont, vgl. die im Ratsinformationssystem abrufbare Niederschrift vom 06.10.2014, wo die Verwaltung darauf hinweist:
„Bevor jedoch eine förmliche Beteiligung auch der Öffentlichkeit vorgenommen wird, sei es opportun, insbesondere aus Akzeptanzgründen auch schon vorher die Bürger auf informellem Wege zu beteiligen. Das im Baugesetzbuch vorgesehene Scoping zu diesem frühen Zeitpunkt habe den Sinn, dass andere zu beteiligende Behörden und sonstige Träger von öffentlichen Belangen aufgefordert werden, frühzeitig ihre Umweltbelange mitzuteilen, damit sie rechtzeitig Eingang in das Aufstellungsverfahren finden.”
Ausweislich der Niederschrift vom 05.03.2015 (ohne Seitenzahl, unter Ziff. 8.) wurde gleichfalls
„nochmals an,[gemerkt] dass alle Zwischenschritte abgestimmt werden und nicht erst das fertige Produkt nach dem 3-jährigen Prozess.”
2.4. Belegt wird dies ferner durch eine aktuelle Beschlußvorlage der Stadtverwaltung:
Am 07.12.2016 fand die Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Klimaschutz, Infrastruktur und Verkehr statt. Ein wenig versteckt findet sich der Tagungsordnungspunkt Ziff. 13:
„Überprüfung der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Kanalnetzes und Entwicklung erforderlicher Maßnahmen im Hinblick auf die Flächen- und Einwohnerzuwächse infolge des Flächennutzungsplanes 2035.”
Die dazu gehörige Beschlußvorlage geht ohne weiteres von einer Verwirklichung des sog. „Vorentwurf des FNP“ aus. Die Stadtverwaltung will jetzt in einem ersten Schritt 100.000 Euro für die Beauftragung eines nicht namentlich genannten Ing.-Büros ausgeben, um die Auswirkungen des FNP-Plans auf das Kanalnetz zu überprüfen.
Auch wenn der Antrag vom Ausschuss zurückgewiesen wurde: dieser Vorstoß der Stadtverwaltung belegt gleichfalls, das bis zum heutigen Tage und unter Verstoß gegen § 3 BauGB eine „verfestigte Planung“ seitens der Stadtverwaltung vorliegt.
2.5. Das rechtlich zwingende Abwägungsmaterial im Rahmen der Bürgerbeteiligung wird nicht vollständig vorlegt.
Um nur ein Beispiel zu erwähnen: Die desolate Verkehrssituation an der „Perlenschnur“ Voislöhe-Herkenrath-Asselborn soll durch eine „Bergbahn“ von Bensberg über Moitzfeld bis nach Kürten „geheilt“ werden. In dem FNP wird eine entsprechende „Vorstudie“ mehrfach erwähnt, jedoch nicht beigefügt.
Der Verfasser erbat bei der Bezirksregierung Köln unter Hinweis auf §§ 4-5 IFG um Übersendung dieser Vorstudie. Von dem Mitarbeiter D. der Bezirksregierung wurde die Information erteilt, man kenne eine solche Studie nicht, habe aber aufgrund der Anfrage eigens bei der Stadt Bergisch Gladbach, und zwar dort bei Frau W., nachgefragt und von dieser die Mitteilung erhalten, ja, es gebe eine solche Vorstudie als Machbarkeitsstudie und diese stamme aus dem Jahr 2015, man solle diese von der Stadt Bergisch Gladbach anfordern.
Die Stadtverwaltung Bergisch Gladbach hat, als von dieser u.a. diese Vorstudie gem. §§ 4, 5 IFG angefordert wurde, diese „Vorstudie“ nicht zur Verfügung gestellt und einen ablehnenden Bescheid mit Rechtsmittelbelehrung erteilt. Unter dem Gesichtspunkt von Transparenz, modernes Verwaltungshandeln als auch (Ergebnis-)Offenheit im laufenden FNP-Verfahren ist dies bedauerlich.
3. These: Überlastetes Verkehrsnetz hat keinerlei Bedeutung für Verabschiedung des FNP
3.1. In der Sitzungsniederschrift vom 06.10.2014 heißt es auf Blatt 4 unten, dass
„als weiterer Schritt geplant ist, die Bürger zu fragen, wo und welche Schwachstellen im Verkehrsnetz gesehen und behoben werden sollten.”
Das Ausblenden der Verkehrssituation im sog. “Vorentwurf des FNP” ist erstaunlich, zumal es in der Niederschrift vom 05.03.2015 heißt:
„Herr Dresbach empfindet, dass das Schwerpunktthema Verkehr zu wenig bei der Bearbeitung des Flächennutzungsplans beachtet wird.”
Wiederholend Niederschrift vom 28.10.2015 (Blatt 4, vorletzter Absatz):
„Herr Dresbach fragte nach, inwieweit die Verkehrssituation berücksichtigt worden ist.
Herr Sterl antwortet darauf, dass das Mobilitätskonzept derzeit noch in Bearbeitung ist und daher im ersten Aufschlag die Reserveflächen betrachtet werden. Im weiteren Verfahren wird natürlich die verkehrliche Anschließung von potenziellen Bauflächen bewertet.
Herr Schmickler ergänzt, dass aktuell die konkreten Maßnahmenentwüürfe hausintern abgestimmt und infolge im interfraktionellen Arbeitskreis (29.09.2015) diskutiert werden.”
3.2. Wenn im Rahmen der Bürgerbeteiligung das Fehlen im FNP zur “verkehrlichen Anschließung” der Bau- und Gewerbefläche z.B. an die L289 moniert wird und auch die vorgelegte „Präsentation Verkehr“” hierzu nichts enthält, der FNP auch keinerlei Grobkonzepte enthält, ist dies zum einen widersprüchlich in Hinblick auf vorherige entgegenstehende Äußerungen im Rat und in den Ausschüssen, sondern erst recht im Abgleich mit dem beabsichtigten FNP:
Eine grobe Planung der verkehrlichen Entschließung im FNP und nicht erst in naher oder ferner Zukunft in den einzelnen B-Plänen ist umso zwingender, als der gesamte FNP z.B. an der „Perlenschnur“” Moitzfeld-Voislöhe-Herkenrath-Asselborn eine Grundvoraussetzung, mit der der FNP steht oder fällt, hat, und zwar die „verkehrliche Anbindung” an die L289 und damit an die Autobahnausfahrt Moitzfeld.
Deswegen sollen ja gerade die diversen Landschaftsschutzgebiete an der L289 von Moitzfeld über Voislöhe über Herkenrath bis zum nordöstlichen Zipfel Asselborn bebaut werden. Insoweit verfängt sich der FNP in einen unauflösbaren Widerspruch.
Das Interview und weitere Reaktionen:
Sehr geehrter Herr Havermann,
in der Sache selbst kann man Ihren Unmut sicherlich nachvollziehen und auch ich bin über gewissen Abläufe auch sehr erstaunt (zuletzt teilte die Stadt in einem Schreiben, mit dem ein Anspruch auf ein Einsichtnahme in eine vorliegendes Gutachten zur Verkehrssituation zurückgewiesen wurde, mit, es würde sich nicht um ein vorzulegenden Gutachten handeln, sondern nur um einen Entwurf, mit dem die Stadt an einigen Punkten nicht einverstanden ist und der dann noch zu ändern sei unter ausdrücklichen Betonung, daß es sich nicht um einen insoweit unabhängigen Sachverständen handelt; wäre sicherlich interessant zu sehen, wie denn die Ursprungsversion aussieht).
Aber: Begrifflichkeiten wie „verführen, lügen, hintergehen“ gehören NICHT in die Diskussion, sondern allein Sachargumente, oder wie es so schön auf lateinisch heißt: sine ira et studio.
Ein weiteres Mal entlarvt Prof. Günther die Rechtsbehauptungen der Stadt und fürht damirt den gesamten FNP-E. as absurdum. Die Bürger Bergisch Gladbachs werden auf unglaubliche Art und Weise hinters Licht geführt. Es war augenscheinlich Vorsatz,einen FNP-E. zu präsentieren, der ohne Änderungen realisiert werden sollte nach dem motto: Die Bürger werden uns schon ins Netz gehen. Amerikanische Verhälnisse in BGL: Verwaltung und Politik behaupten, verrführen, lügen, hintergehen, und das Wahlvolk merkt es nicht. Verehrte Damen und Herren aus Politik und Verwaltung, diesen Zahn werden Ihnen die Bürger ziehen, ohne Betäubung.