Der Rapper Gandhi Ghahine erarbeitet mit Jugendlichen eine Multimedia-Show

Im Q1 ist ein Workshop für Jugendliche angelaufen, der sich mit dem Nationalismus in Vergangenheit und Gegenwart auseinandersetzt. Das Ergebnis solle eine „fette Multimedia Performance” sein.

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Seit September schon spricht das Projekt gezielt Jugendliche an, die mit Hilfe von Profis eigene Vorhaben umzusetzen und Teil einer „fetten Show“ werden wollen. Ob Songschreiben, Acting, Kurzfilm oder Poetry Slam, die Teilnahme ist kostenlos und es sind noch Plätze frei. Beteiligt ist u.a. der Rapper Gandhi Ghahine mit seiner Band „Sons of Gastarbeita”.

Das Thema ist die Auseinandersetzung mit Nationalismus: was das eigentlich heißt und welche Folgen nationalistische Überzeugungen für unser Leben und unseren Alltag haben. Ein Thema, das 2018 genauso aktuell ist wie 1918 – daher heißt das Projekt auch 1918/2018 – der erste Weltkrieg und sein Erbe”. Veranstalter ist Heurekanet, ein freies Institut für Bildung, Forschung und Innovation e.V., finanziert vom Jugendministerium NRW.

Was wäre wenn

Jugendliche könnten sich oft nicht vorstellen, was passieren würde, wenn nationalistische Überzeugungen zur politischen Realität würden und welche Folgen das für ihr eigenes Leben haben könnte, sagt Projektleiter Dirk Schubert.

Der Rapper Gandhi Ghahine hat die Rolle des künstlerischen Leiters übernommen. Er war einer der ersten deutschsprachigen Rapper, hat früher mal den Jugendkulturpreises NRW gewonnen und arbeitet mit Goethe-Instituten in Italien, Frankreich und Belgien.

1918/2018: Multimediaprojekt zum Thema Nationalismus
Workshops: montags, 16 bis 19 Uhr
Q1 Jugend- und Kulturzentrum an der Gnadenkirche
Kontakt: schubert@heurekanet.de

Ihn und seine Mitstreiter treibt um, dass viele Jugendliche keine Vorstellung davon haben, was passiert, wenn nationalistische Überzeugungen zur Realität werden; welche Folgen das für ihr eigenes Leben haben kann. Dieses Verständnis soll entstehen, wenn sich die Jugendlichen in Form von Texten, Songs oder Theaterszenen mit der europäischen Geschichte auseinandersetzen.

Man nimmt Gandhi Gahine sein Engagement ohne weiteres ab. Als Produzent, Gründungsmitglied und Rapper der Ruhrgebiets-Band S.O.G „Sons of Gastarbeita” holt er mit seiner Lyrik nicht nur die jungen Migranten in ihrem Alltag ab.

Neben Gahine arbeitet auch S.O.G.-Gitarrist Germain Bleich beim Workhop in Bergisch Gladbach mit; ein Beispiel für ihre Produktionen zeigt dieses Video:

Motivation nach allen Regeln der Kunst

Gahine entwickelte zusammen mit Projektleiter Schubert schon mehrere Modellprojekte, die Bildungs- und Integrationsthemen aufgreifen und interkulturelle Teilhabe fördern. Es geht also darum, alle jungen Menschen mit ihren Sorgen und Ideen sichtbar zu machen und zu motivieren, zur Teilnahme am Kulturleben aber auch dazu selbst Akteur der Kulturszene zu werden.

Konkret werden künstlerisch-kreative Methoden entwickelt, die Jugendliche gezielt in ihren Begabungen ansprechen, um sie für ein freiheitlich-demokratisches, für ein europäisches Selbstverständnis zu begeistern.

Das Positive betonen

Gahine beginnt zuallererst mit einer Gruppendiskussion über die gesellschaftlichen Errungenschaften der letzten 100 Jahre. Es ist vielen der Teilnehmer nicht klar, dass Frauenwahlrecht, Meinungs- Presse-, und Versammlungsfreiheit relativ junge Freiheiten darstellen und nicht selbstverständlich sind. Er spricht sehr eindringlich, wenn er sagt „Es sind von Menschen gemachte Gesetze, die ebenso wieder abgeschafft werden könnten“.

Unwissenheit hat ja auch was Positives

Die Jugendlichen kennen es nicht anders, es ist eben „immer so gewesen “, ergänzt Schubert. Eine Nachfolgegeneration, die den Krieg nicht kennt, sei eine wesentliche Errungenschaft eines nie zuvor so lange andauernden, friedlichen Miteinanders.

Gleichzeitig spielt bei dem Projekt die Migration eine wichtige Rolle. Denn unter den Zugewanderten gibt es viele, für die Krieg nicht abstrakt, sondern ganz konkret ist. Daher spricht das Projekt auch junge Migranten an; sie stellen bislang zwei der 18 Teilnehmer.

Emotionen bevorzugt

Das ganze Projekt ist langfristig angelegt. Zunächst wird der Stoff erarbeitet, dann historische Fälle in verschiedenen Konstellationen nachgespielt. Im Unterschied zur verschulten Frontalbespielung, wo es um die Auflistung von Fakten geht, werden in den Workshops Emotionen bevorzugt.

Beispielsweise wird mit Schauspielerei das Selbstbewusstsein gestärkt, aber auch Empathie kann durch einen Perspektivwechsel geübt und angewandt werden.

Kreativität die Geschichte macht

Spielerisch werden historische Bezüge, Gegenwart und Zukunft mit dem eigenen, subjektiven Blickwinkel verwoben. Ganz systematisch wird mit dem Nachspielen an den eigenen Erfahrungshintergrund geknüpft.

So werden Vorfahren und ihre Intentionen schrittweise lebendig. Der vorher theoretisch-spröde Vergleich von Deutschland 1918 mit heutigen Menschenbildern und nationalistischen Haltungen, wird nun am eigenen Arbeitsbeispiel spürbar.

Mut zu hohen Zielen

Die praktische Herausforderung der Akteure liegt vermutlich im extrem hochgesteckten Anspruch, der auf die Erziehung der Jugendlichen zu mündigen Bürgern zielt. Sie können einen Beitrag leisten, „um autoritäre Bestrebungen und Haltungen entgegen zu wirken und sich für Demokratie, Menschenrechte und friedfertiges Miteinander einzusetzen,“ heißt es in der Projektbeschreibung.

Überwindung von Alltagshürden

Hinzu kommt der viel beschworene, sogenannte niedrigschwellige Zugang. Dabei sind es weniger die Sprachbarrieren, die den allgemeinen Zugang zu Kultur und Bildung erschweren, wie man vielleicht meinen könnte. Vielmehr sind es vor allem der streng getaktete Lehrplan und die starre Schulstruktur, die für Veranstalter und Jugendliche außerschulischer Projekte derart umständlich machen, so resümieren die Anwesenden die ersten Monate seit Projektbeginn.

Eine Arbeit von Vielen

Das Projekt 1918/2018 ist eine Kooperation der Stadt Bergisch Gladbach mit der Akademie der kulturellen Bildung in NRW, mit Heurekanet, dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., dem Integrationsrat Bergisch Gladbach und dem Jugend- und Kulturzentrum Q1.

Im September werden die Ergebnisse der Jugendlichen in einer öffentlichen Multimedia-Performance Show gezeigt. Die Veranstalter wünschen sich mehr mediale Aufmerksamkeit und mehr Kooperation mit den bergischen Schulen.

Neugierige und Interessierte sind eingeladen, in den Workshop zu schnuppern, jeden Montag ab 16.30 Uhr.

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