„Einfach machen" ist das Motto von Claudia Timpner, ab 1. Januar 2021 neue Intendantin am Theas

Am 1. Januar übernimmt Claudia Timpner die Leitung des Theas. Sie will das Konzept von Theater und Theaterschule weiterentwickeln, mit digitalen Kursen, Hybrid-Theater und einigen neuen Ideen. Deutliche Worte findet sie beim Thema Kulturförderung und erklärt, welchen Stellenwert Kultur gerade in der Pandemie hat.

Das Theas Theater ist trotz laufender Heizung kühl, als Claudia Timpner die Räume an diesem Tag im Advent öffnet. Der Saal wirkt fast wie ein Abziehbild der Kulturlandschaft – keine Proben, keine Zuschauer. Kultur im Wartemodus, eingefroren.

Doch davon lässt sich Claudia Timpner nicht bremsen. Sie übernimmt am 1. Januar 2021 die Intendanz am Theas – Theaterschule und Theater in Bergisch Gladbach. Und hat einiges vor. Im Rahmen der Möglichkeiten in Zeiten von Corona.

Improvisation als Ressource

„Man muss einfach machen,“ lacht sie und zitiert den Medienkünstler Nam Jun Paik „When too perfect, lieber Gott böse“. Vielleicht beschreibt dies ihre Intendanz schon recht gut – denn sie liebt die Improvisation. Sie hat als Improvisationsschauspielerin gelernt, mit dem zu arbeiten, was gerade verfügbar ist.

Zudem schöpft sie aus einem Fundus aus Erfahrung: Timpner ist nicht nur Schauspielerin, sondern auch Autorin und Sprecherin, Theaterdozentin, Kommunikationstrainerin und Coach.

Sie war vor ihrer Zeit im Bergischen u.a. als Regieassistentin und Regisseurin am Thalia Theater in Hamburg aktiv. „All diese Zweige spielen mir in die Hände. Einer muss zwar sagen, wo es im Theater langeht. Aber es wichtig, alle mit einzubeziehen.“

Weiterentwicklung notwendig

Nach zwölf Jahren, in denen sie bereits als Dozentin für Schauspiel am Theas aktiv war, übernimmt sie nun die Leitung des kreativen Hotspots in der Jakobstraße aus den Händen des Gründers David Heitmann.

„Claudia Timpner kennt Theas von Anfang an, sie respektiert das Vorhandene und ist enthusiastisch dabei, Neues zu entwickeln. Daher ist sie die richtige Besetzung“, erklärt Heribert Bergermann. Vorsitzender des Vereins Theas Theater & Theaterschule e.V. Der Verein unterstützt das Theater und hält den Betrieb aufrecht.

„David Heitmann hat Theas gegründet und damit ein Konzept von Theaterschule und Theater vorgelegt“, blickt Bergermann zurück. Das Konzept werde sicherlich erhalten bleiben, erfordere aber auch eine Weiterentwicklung.

Verschärft habe sich diese Notwendigkeit durch die Pandemie. Wo Präsenzveranstaltungen nicht mehr gehen, brauche es übergangsweise andere Formate, so Bergermann. „Online-Angebote werden entwickelt und vielleicht sind sie auch unabhängig von Corona zukunftsweisend,“ so sein Ausblick.

Nah dran

Claudia Timpner steht zunächst einmal für Vielfalt beim Theater. Sie beschreitet nicht den einen, für sie relevanten Königsweg: „Ich mag Theater, das etwas wagt, das sich brisante Themen sucht.“ Wie die Produktion Der Tod und das Mädchen (Regie: Hussam Alden Kaka), in dem eine Frau auf ihren Folterer trifft. Oder ein Stück zum Thema Burnout, das sie als Autorin verfasst hat.

Es könne gerne opulent wie bei Robert Wilson sein, sie bringe mit Freude Elemente aus Musik und Tanz ein, schätze aber auch Schwimmbäder, Bunker oder Tiefgaragen als Spielorte. Und im Theas seien Schauspieler:innen nah am Publikum, „und umgekehrt.“ Das biete spannende Möglichkeiten.

Eine erdrückende Konkurrenz durch den Kulturort Köln sieht sie weniger. „Vielmehr kamen vor kurzem Tänzer aus Köln zu uns für Filmaufnahmen und freuten sich über die atmosphärische Location, vergleichbare und erschwingliche Räumlichkeiten gibt es dort anscheinend nicht so viele“, meint Claudia Timpner, die seit 20 Jahren in Bergisch Gladbach lebt: „Da wo ich wohne will ich auch wirken!“

Kulturelles Selbstbewusstein von GL

„Das Theas leistet einen wesentlichen Beitrag zur Kulturlandschaft in Bergisch Gladbach“, antwortet Timpner auf die Frage, warum die Stadt eine Theaterschule und ein Theater braucht. „Wir schaffen hier Spielraum für Gruppen, Amateure und Profis, und bilden damit ein breites Spektrum ab.“

Man sei keine Schauspielschule, nein, aber jeder, der sich für Theater begeistere, finde hier Angebote, macht sie deutlich. So biete man neben Theater eben auch soziokulturelle Projekte an, wie die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen oder die Kooperation mit dem Cafe Leichtsinn und dem Theater-Inklusionsprojekt All inclusive. „Das will ich ausbauen und erweitern“.

Ob die Stadt über ein Selbstbewusstein in punkto Kultur verfügt? „Heikles Thema“, meint sie. Es sei Entwicklungspotentzial vorhanden, aber: „So wie ich es erlebe wird es nicht wertgeschätzt, und dies spiegelt sich in der geringen bis nicht vorhandenen finanziellen Unterstützung wider“, findet sie deutliche Worte. Sie verweist auf die schwierige Situation der Solokünstler:innen in der Stadt.

„Kultur rechnet sich nicht! Aber hinter der Kultur steckt ein Mehrwert, und der ist unbezahlbar.“

Mehrwert der Kultur unbezahlbar

Man brauche einfach Planungssicherheit, nicht zuletzt für grundlegende Dinge wie Instandhaltung und Pflege des Theaters. Dies sei wenigen klar, vieles laufe nur mithilfe von Ehrenamtlern am Theas, sowie den Dozent:innen, Projektleitern oder dem Vorstand des Theas-Vereins. Dessen Förderung sowie die Einnahmen aus den Vorstellungen würden das Theas am Leben halten, darüber hinausgehende Förderung durch die Stadt gebe es wenig.

„Projekte des Jungen Ensembles beispielsweise können nur durch andere Förderungen im Fortbestand gesichert werden und es ist natürlich auch immer unklar, ob man berücksichtig wird. Und manche geplanten Projekte fallen einfach raus. Das ist sehr schade.“

Ihr Plädoyer für die Unterstützung der Kultur bringt das Thema auf den Punkt: „Kultur rechnet sich nicht! Aber hinter der Kultur steckt ein Mehrwert, und der ist unbezahlbar. Aus Kultur erwächst eine schöpferische Gesellschaft, daraus entstehen Ideen, Konzepte, Austausch, das Erlernen von Kreativität. Und wir brauchen Kreativität mehr denn je in Zeiten wie diesen, um zu überleben. Das Theas liefert hierfür einen kleinen aber wichtigen Baustein in der Stadt.“

Hybrid-Theater, neue Kurse, Netzwerk

Und damit kommt sie zu den geplanten Projekten für 2021. „Es soll so schnell als möglich wieder Live-Vorstellungen geben“, parallel werde man jedoch Online-Kurse anbieten, die auch über die Pandemie hinaus Bestand haben könnten. Produktionen könne man via Internet anbieten.

Proben und Vorstellungen würden hierzu hybrid geplant, mit Schauspieler:innen aus zwei Haushalten auf der Bühne sowie weiteren Akteuren via Internet vor der Kamera.

Hier blitzt die zu Beginn des Gesprächs erwähnte Improvisationskunst einmal mehr auf: „Wir nehmen einfach die Bedingungen die herrschen und setzen diese kreativ um. Nichts zu tun wäre schade.“ Der Wille zum Machen, zur Prägung der Spielzeit auch in Zeiten der Pandemie wird durch eine gehörige Portion Optimismus geprägt.

Spuren im Wasser - Produktion des Jungen Ensembles im Theas 2014
Spuren im Wasser – Produktion des Jungen Ensembles im Theas 2014, lange vor Corona

Zudem denkt Claudia Timpner an neue Kursangebote: Stimme und Ausdruck komme neu dazu, ebenso wie kreatives Schreiben für Theater. Sie sei auf der Suche nach weiteren Dozent:innen, um das Spektrum am Theas auszubauen.

Auch die Zusammenarbeit mit anderen Kultureinrichtungen wolle sie ausbauen. Das Miteinander sei ihr wichtig, „weg vom Solo-Denken“. Hinein in soziokulturelle Zentren solle es gehen, auch mit Angeboten für Schulen.

Stufenweiser Start

„Dabei stelle ich mir kontinuierlich Fragen: Wie wollen wir leben, was haben wir für Werte, was sind die Fragen der Zeit, welche Utopien streben wir an.“ Darüber finde sie die Inhalte für ihr Programm. Mit Kindern und Jugendlichen soll so beispielsweise ein Projekt mit dem Titel „Wo stehe ich in 20 Jahren“ entstehen.

Der Start in 2021 erfolge stufenweise, zunächst mit Online-Angeboten. Eine Planungssicherheit gebe es derzeit nicht, den Normalbetrieb zum 10. Januar 2021 könne sie sich noch nicht vorstellen. Am Beispiel des geplanten Hybrid-Theaters zeigt sie auf, wie komplex die Situation ist. „Die Förderung zum Einstieg ins Digitale mit Kameras, Breitbandanschluss etc ist wichtig. Leider kommen die Gelder aber erst dann ann wenn Premiere sein sollte.“

Dabei wird die Schauspielerin und Intendantin zur Managerin, zur Organisatorin. Aber sie versuche dies zu trennen: „Wenn ich kreativ bin, dann bin ich nur kreativ. Wenn ich von Beginn an denke „Was braucht es dafür?“ dann müsste ich klein denken. Nein, kommt nicht infrage.“

Erste Digitalproduktionen

Einen Vorgeschmack auf den digitalen Weg, den das Theas einschlägt, gibt Claudia Timpner zum Abschluss gleich zweifach: „Am 14. Dezember wird der Film All in one unserer Gruppe All Inklusive veröffentlicht“, erklärt sie, anstelle der ursprünglich geplanten Adventsaufführung. Es geht um die Pandemie, darum dass physische Distanz nicht zugleich soziale Distanz bedeute.

Der Film läuft auch als Wettbewerbsbeitrag bei den digitalen Weihnachtshelden, einer Initiative des Branchenverbandes Bitkom. Seit 14. Dezember kann für die Beiträge online abgestimmt werden. Am gleichen Tag erscheint der Film auch auf Youtube.

Nano ist der erste Theaterfilm des Jungen Ensemble am Theas

Mit Happy Birthday Nano hat das Junge Ensemble am Theas zudem Corona-bedingt seinen ersten Theaterfilm produziert. Eine 444 Jahre alte Duschgelflasche, die langsam zerfällt, macht sich Gedanken über ihre Umweltverträglichkeit.

Ein eindrucksvoller Beleg für die Auseinandersetzung mit Fragen der Zeit, den Claudia Timpner anstrebt. Der Film kann gegen einen kleinen Obolus im Internet ausgeliehen werden.

Hoffen auf neues Kulturkonzept der Stadt

Am Theas weht frischer Wind. Dennoch wird – sofern es die Pandemie zulässt – auch nochmals zurückgeblickt. Wenn möglich werde der Verein sein 10-jähriges Bestehen feiern. Und auch eine Abschiedsfeier für David Heitmann solle veranstaltet werden, erklärt Heribert Bergermann.

Die Weichen für eine inhaltliche und konzeptionelle Weiternetwicklung sind gestellt. Bleibt zu hoffen, dass das Theas auch ökonomisch über die Runden kommt.

„Wir stellen, wo immer es möglich ist, Antrage zur Förderung“, erläutert Herbert Bergermann. „Nur mit solchen zusätzlichen Finanzmittel können wir die neuen Herausforderungen bewältigen.“

Da es für das Theater keine institutionelle Förderung gebe, etwa in der Übernahme der Miete oder Personalkosten, sei man gewohnt mit wenig zu haushalten und nach wie vor auf Spenden angewiesen. „Zu unserem Glück gibt es auch in dieser Pandemiezeit Menschen, die uns durch ihre Spenden unterstützen. Vielleicht wird das neue Kulturkonzept der Stadt hier eine andere, bessere Grundlage schaffen“, appelliert Bergermann an die Kommune.

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ist Reporter und Kulturkorrespondent des Bürgerportals.

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1 Kommentar

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  1. Ich mag unser kleines Theater sehr und hoffe, dass es noch lange bestehen bleibt. Dafür wünsch ich Frau Timpner viele Ideen, viele Unterstützer und ein baldiges Ende der Corona-Krise.