Der Rapper Ben Salomo war zu Gast am Nicolaus-Cusanus-Gymnasium und hielt einen Vortrag vor den Religionskursen der Oberstufe. Er forderte einen bewussteren Umgang mit Rapsongs und deren Inhalten – und machte die Schüler:innen auf Antisemitismus im Alltag aufmerksam. Ein Experiment zeigt, dass die meisten von ihnen damit schon einmal konfrontiert waren.
Der deutsch-jüdische Rapper Ben Salomo hielt einen Vortrag vor Schüler:innen der Religionskurse der Jahrgangsstufen Q1 und Q2 des Nicolaus-Cusanus-Gymnasium. Vermittelt wurde Ben Salomos Besuch durch Petra Hemming vom Verein zur Förderung der Städtepartneschaft Ganey Tikva – Bergisch Gladbach e. V., unterstützt wurde die Veranstaltung durch die Friedrich-Naumann-Stiftung in Person von Frau Schlösser und Frau Dörne.
In seiner Begrüßung erläuterte Jörg Schmitter, der stellvertretenden Schulleiter des NCG, dass der Besuch durch den Zusammenfall zweier günstiger Ereignisse zustande gekommen sei. „Im vergangenen Schuljahr bin ich in einer Materialsammlung zum Thema „Gottesvorstellungen“ auf ein Lied von Ben Salomo gestoßen, das ich in meinem Religionsunterricht in der damaligen Q1 ausprobiert habe. Der Text des Liedes und die Arbeitsergebnisse meiner Schüler:innen war dann für mich so spannend, dass ich das gleiche Material in diesem Schuljahr in der aktuellen Q1 wieder verwendet habe. Wenige Tage später erhielt ich dann eine Mail von Frau Hemming, dass sie einen spannenden Besucher für die Schule vermitteln könne. Ob ich schon einmal von dem Rapper Ben Salomo gehört hätte. Da habe ich dann direkt zugegriffen und einen Termin in unserer Schule gemeinsam mit ihr auf den Weg gebracht.“
Ben Salomo äußerte zu Beginn seines Vortrages dann auch seine eigene Überraschung, dass eines seiner Lieder mittlerweile den Weg in den Schulunterricht gefunden habe. Das war ihm bislang nicht bekannt.
„Wer hat Antisemitismus erlebt?“

Seine eigentlichen Ausführungen startete er dann mit einer Frage an die anwesenden Schüler:innen: „Wer von Euch hat denn schon einmal Erfahrungen mit antisemitischen Äußerungen gemacht?“ Darauf meldeten sich etwa 20 Prozent der anwesenden Jugendlichen.
Ben Salomo kündigte auf diese Rückmeldung an, dass er im weiteren Verlauf des Vortrages ein Experiment mit allen Anwesenden machen werde, um aufzuzeigen, dass vermutlich schon fast jeder und jede in irgendeiner Form mit antisemitischen Vorurteilen in Berührung gekommen sei – dies aber zumeist unbewusst.
Zunächst richtete Ben Salomo dann seinen Blick aber auf das Land Israel: „Leider ist es so, dass man in Deutschland zuerst an den Nahost-Konflikt oder Religionsstreitigkeiten denkt, wenn das Wort Israel fällt. Dass viele technischen Innovationen aus Israel stammten, dass Israel die einzige funktionierende Demokratie im Nahen Osten ist, ist dagegen den allermeisten Menschen nicht bekannt.“
Salomos Jugendzeit in Berlin
Danach berichtet Ben Salomo von seiner Jugendzeit in Berlin, in dass er gemeinsam mit seinen Eltern und seiner Schwester als Kind von Israel aus gezogen sei. Sehr eindrücklich schilderte er seine erste Erfahrung mit antisemitischen Übergriffen auf ihn:
„Von dem einen auf den anderen Tag wollte mein bester Freund, mit dem ich am Tag vorher noch Fußball gespielt hatte, nichts mehr von mir wissen. Und das bloß, weil ich ihm erzählt habe, dass ich Jude bin. Viel schlimmer: Wenige Tage später wurde ich von anderen Jugendlichen verprügelt, mein bis dahin bester Freund war einer der Angreifer.“
Auch in der Schule wurde von da an immer wieder antisemitisch beschimpft, wo es nur ging, verheimlichte er seine Herkunft. „Ich habe z. B. nie Mitschüler:innen nach Hause eingeladen, weil die dann gemerkt hätten, dass meine Familie jüdisch ist.“ Die einzige Möglichkeit, diese traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten, sei sein Talent gewesen, Gedichte und später Rap-Songs zu schreiben.
Antisemitismus, Rassismus, Frauenverachtung und Homophobie
Letzteres, das Schreiben und Singen von Rap-Songs wurde da zu seinem Beruf, ja seiner Berufung. Er veröffentlichte selbst Lieder, arbeitete als Producer und initiierte die Veranstaltungsreihe „Rap am Mittwoch“, die es im möglich machte, von seiner Profession sogar zu leben.
Nachdem Ben Salomo allerdings auch in der Rap-Szene seine jüdische Herkunft öffentlich gemacht hatte, hatte er auch hier zunehmend mit Ablehnung und Hass, ja sogar der Androhung von Gewalt zu leben.
Dies führte dazu, dass er „Rap am Mittwoch“, das Projekt, das ihm so sehr am Herzen lag, 2018 beendete: „Die Erfahrung von realem Antisemitismus und Rassismus, von Frauenverachtung und Homophobie in der Szene hat mich mehr und mehr schockiert. Das alles passte nicht zu den ursprünglich von der Hip-Hop-Szene vertretenen Werten von Toleranz und Respekt. Da konnte und wollte ich nicht mehr mitmachen. Die Folge war, dass ich von vielen aus der Rap-Szene nun als Verräter verunglimpft wurde.“
Experiment mit den Jugendlichen
Ausgehend von der Schilderung seiner eigenen Erfahrung mit dem Antisemitismus startete Ben Salomo dann sein Experiment mit den anwesenden Jugendlichen. Er trug verschiedene antisemitische Vorurteile und Aussagen vor und bat die Schüler:innen, zunächst aufzustehen, wenn sie eine der Aussagen schon einmal gehört hätten.
Bei der zweiten Aussage, die ihnen bekannt sei, sollten sie einen Arm heben, bei der dritten den zweiten Arm und bei der vierten ihnen bekannten Aussage sich schließlich auf ihren Stuhl stellen.
Eindrucksvoll belegte das Experiment, dass alle Anwesenden, entgegen der zunächst festgestellten 20 Prozent am Beginn des Vortrages, zumindest eine der Aussagen schon gehört hatten, die allermeisten Anwesenden standen aber schließlich auf ihren Stühlen, so dass deutlich wurde, dass sie sogar schon mit vier oder mehr entsprechenden Vorurteile in irgendeinem Zusammenhang konfrontiert worden waren.
Nach diesem Experimente schloss Ben Salomo seinen Vortrag mit aufklärenden Ausführungen über die Zusammenhänge von antisemitischen und islamistischen Einstellungen, die er eindrucksvoll mit Bilder und kurzen Ausschnitten aus Rapvideos belegen konnte.
Appell an die Schüler:innen
Er forderte die Schüler:innen dazu auf, sich bewusst zu machen, dass viele der Rapsongs in ihren Playlists von entsprechendem Gedankengut durchsetzt sei. Ihm sei es wichtig, dafür zu sensibilisieren, denn seine Beobachtung: „Häufig fängt es mit Antisemitismus an, irgendwann kommt dann aber oft auch noch Islamismus, Frauenverachtung und Homophobie dazu!“
Deshalb richtete er zum Schluss einen Appell an die Jugendlichen: „Ihr seid diejenigen, die etwas dagegen unternehmen könnt und müsst! Deshalb, bitte, steht auf gegen jede Form von Antisemitismus!“
Der lange Applaus nach einem 90-minütigen, zwischendurch auch emotional herausfordernden, Vortrag machte deutlich, dass Ben Salomo mit seinen Erfahrungen und Gedanken bei den Schüler:innen einen Nerv getroffen hatte: „Viele Dinge, von denen Ben Salomo berichtet hat, waren mir so nicht bekannt“, äußerte ein Schüler im Anschluss an die Veranstaltung.
„Dass er auch so intensiv von seinen persönlichen Erfahrungen mit Antisemitismus berichtet hat und vor allem deutlich gemacht hat, was das mit ihm auch seelisch gemacht hat, hat mich tief beeindruckt“, so die Rückmeldung einer Schülerin, die von Mitschüler:innen in dieser oder ähnlicher Weise ebenfalls gegeben wurde.
Direkt im Anschluss kam der Wusch auf, Ben Salomo noch einmal auch für die Schüler:innen der Oberstufe des NCG einzuladen, die aus organisatorischen Gründen dieses Mal nicht dabei sein konnten. Wir hoffen sehr, dass das gelingt.