Foto: Thomas Merkenich

Sie lernte Bürokauffrau. Hatte eine Kneipe in Ehrenfeld. Arbeitete dort im Bürgerzentrum. Und prägte über 20 Jahre die Arbeit im Jugendkulturzentrum Q1 auf dem Quirlsberg. Nun verabschiedet sich Conny Vesper in den Ruhestand. Sie berichtet von Konzerten, erfolgreichen Formaten wie der Dichter-Schlacht – und was sich in der Jugendarbeit durch die Pandemie geändert hat.

Nach Bergisch Gladbach sei sie fast ein wenig durch Zufall gekommen. „Pfarrer Thomas Werner und mein späterer Kollege Kalla Piel – wir wohnten damals Ende der 1990er Jahre alle in Ehrenfeld“, berichtet Conny Vesper. Sie hatte eine Kneipe, arbeitete im Bürgerzentrum – man lernte sich im Veedel kennen.

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Dort sei dann auch die „Connection entstanden“, die später die Arbeit im Jugendkulturzentrum Q1 der evangelischen Gnadenkirche in Bergisch Gladbach prägen sollte.

Ein lachendes Auge

Wir haben uns mittags zum Gespräch im Q1 verabredet. Es ist ungewohnt still in dem Raum, der mit Billard-Tisch, Theke und Postern so typisch nach Jugendarbeit aussieht. Noch sind die Jugendlichen nicht da. Sie trudeln gegen Abend ein und bringen Leben auf den Quirlsberg.

Für Conny Vesper sind die Räume nun Vergangenheit. Sie sei schon eine Zeit lang weg, „da merkt man wie einem die Umgebung langsam fremd wird.“

Das klingt zumindest nach einem lachenden Auge – sie freut sich auf den neuen Lebensabschnitt. Sie will mehr Reisen, und vor allem mehr Kurse als Yoga-Lehrerin geben.

Foto: Thomas Merkenich

Erste Adresse für Heavy Metal

Gestartet sei sie im Q1 im Jahr 2000, „ich hatte hier zunächst eine Honorarstelle, für aufsuchende Jugendarbeit bei arbeitslosen Jugendlichen.“ Gemeinsam mit Kalla Piel habe sie dann die Leitung des Q1 übernommen. Und es zu einem Treffpunkt der Jugendkulturarbeit gemacht.

„Los ging es mit vielen Konzerten. Das Q1 war eine zeitlang die Adresse für Heavy Metal-Musik im Kreis schlechthin!“ Cat Ballou, Daniel Küblböck – illustre Namen fallen ihr ein. Für die Jugendlichen wurden Band-Wettbewerbe organisiert. „Als Preise winkten professionelle Musikproduktionen mit Video-Drehs!“

2010 folgte der Einstieg in Poetry-Slam, englisch für „Dichter-Schlacht“. Das sind literarische Wettbewerbe, bei denen bekannte und unbekannte Autor:innen ihre Werke live vortragen und um die Gunst der Zuhörer:innen buhlen. Das Konzept bewährte sich, hielt mit Online-Konzepten selbst der Pandemie stand. Am 18. März findet übrigens der nächste ReimBerg Slam im Engel am Dom statt, wirbt Conny Vesper.

Treffpunkt im Q1, Foto: Thomas Merkenich

GL-Tatort

Im Gespräch fallen dann viele weitere Schlagworte aus der Jugendarbeit. Kulturrucksack, Ferienfreizeit, Theater, Tanz, Kochen und Kunst. Es gibt eigentlich nichts, was die Sozialarbeiterin nicht schon angepackt hätte, um Jugendlichen etwas zu bieten. Bis hin zur Produktion des ersten GL-Tatorts. Titel „Die Papierleiche“, schmunzelt Vesper.

Das Q1 entwickelte sich aber auch zum offenen Jugendtreff – eine Anlaufstelle für Jugendliche ohne Konsumzwang. Bei inzwischen in der Gastronomie üblichen Preisen von 3 bis 4 Euro für einen Milchkaffe sowie nicht gerade günstigen Kursgebühren an Einrichtungen der Jugendarbeit ist das nicht unerheblich.

Ohnehin sei ihr wichtig dass die Angebote am Q1 immer kostenfrei waren und auch noch sind. „Der niedrigschwellige Ansatz öffnet die Jugendkultur für alle.“

Corona schärfte Stellenwert

Eine Zäsur sei sicher die Pandemie gewesen, mit der Schließung des Q1, so Vesper. „Das war extrem für unsere Jugendlichen.“ Man habe sie teils draußen auf der Straße aufgesucht um in Kontakt zu bleiben. Habe telefonische Beratung durchgeführt, um sie durch den Alltag zu bringen.

Die Pandemie habe natürlich spuren hinterlassen. „Manche Jugendliche entwickelten regelrechte Phobien, Ängste vor Gruppen“, schildert Vesper. Letztlich seien alle froh gewesen, als das Q1 wieder habe öffnen können. „Da schlug uns eine enorme Dankbarkeit und Wertschätzung für unsere Arbeit entgegen.“

Corona, das habe den Jugendlichen nochmals den Stellenwert des Jugendkulturzentrums verdeutlicht. „Aber auch wir als Mitarbeiter sind uns nach dem Ende der vielen Maßnahmen nochmals bewusst geworden, was wir hier eigentlich leisten!“

Da rücken die Debatten um die Förderung der Jugendkulturarbeit schon wieder ins Abseits. Aber die habe es in den vergangenen Jahren auch gegeben. „Viele Jugendeinrichtungen kämpften mit den Trägern um die Existenz – auch das Q1″, macht die Sozialarbeiterin klar.

Foto: Thomas Merkenich

Flüchtlingshilfe

Im letzten Jahr änderte sich dann nochmals die Aufgabe von Conny Vesper. Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine und der Flüchtlingswelle entschied sich die evangelische Kirchengemeinde, die Flüchtlingshilfe auch personell zu unterstützen.

Conny Vesper wurde zum Schluss ihres Berufslebens nochmals in einem anderen Bereich aktiv. „Da ging es vor allem um Unterstützung in der Pandemie, um Hilfen für infizierte Flüchtlinge bei allen Dingen des tägliche Bedarfs“, schildert Vesper. Einkäufe, Behördengänge, Sprachkurse, Spielegruppen.

Ihre Erfahrung in der Jugendarbeit sei ihr dabei natürlich zugute gekommen. „Den geflüchteten Kindern konnte ich durch meine Kontakte schnell und gut unter die Arme greifen.“

Ansonsten unterscheide sich die Arbeit mit Flüchtlingen aber grundlegend von der Jugendarbeit. Inhaltlich, aber eben auch durch die Sprachbarriere.

Keller aufräumen

Niemals geht man so ganz: Das gilt auch für Conny Vesper. Künftig wird man sie hin und wieder noch beim Peotry Slam im Engel am Dom treffen: „Wenn Organisator Kalla Piel keine Zeit hat werde ich ihn gerne vertreten.“

Sie wird auch in den Flieger steigen: „In Südamerika und Indien war ich noch nie“, lacht sie. Ansonsten würde sie das tun, was eigentlich alle im Ruhestand tun: „Keller aufräumen!“

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Holger Crump

ist Reporter und Kulturkorrespondent des Bürgerportals.

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