Theresia Meinhard, Fraktionsvorsitzende der Grüne. Foto: Thomas Merkenich

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Theresia Meinhardt, hält in ihrer Haushaltsrede der CDU (und ihrem damaligen Partner SPD) vor, bis 2020 Zukunftsthemen wie Klimawandel, Mobilitäts- und Energiewende sowie Digitalisierung ignoriert und die Stadt zum Sanierungsfall gemacht zu haben. Am Haushalt 2023 könne man ablesen, dass die Weichen inzwischen neu gestellt worden seien. Beim Klima müsse aber noch mehr Tempo gemacht werden.

Wir dokumentieren die Rede von Theresia Meinhardt der Rede im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Stein,
meine Damen und Herren,

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Herr Dr. Metten hat nun viel Mühe darauf verwendet uns zu erklären, was seiner Meinung nach alles an diesem Haushalt nicht funktioniert oder in die falsche Richtung weisen würde.

Ich werde Ihnen, verehrte Ratskolleginnen- und Kollegen – und dies ist sicher keine  Überraschung – erläutern, warum dies nach Überzeugung der GRÜNEN Ratsfraktion ein guter Haushalt ist.

Denn es gilt zu konstatieren:

Bergisch Gladbach ist aus dem Schlafwagen ausgestiegen. 

Aus dem Schlafwagen, der bis 2020 die Zukunftsthemen wie KlimawandelMobilitäts– und Energiewende oder auch Digitalisierung – mit all ihren komplexen Folgethemen – ignoriert hat und gleichzeitig die städtische Infrastruktur zum allumfassenden Sanierungsfall hat verkommen lassen.

Wir haben nach der Kommunalwahl 2020 die Jalousien hochgezogen, um uns den Herausforderungen zu stellen.

Heute – nach 2,5 Jahren – befinden wir uns auf einem Bahnhofsdrehkreuz. Aber nicht, um auf den nächsten Schlafwagen zu warten. Nein! Wir sortieren Gepäck, stellen Weichen, planen neue Gleise und schicken einen Zug nach dem anderen auf die Reise, bestückt mit Fachpersonal, der notwendigen Ausstattung und klaren Zielbestimmungen.

Welch langwieriger und komplexer Umladeprozess hier stattfindet, ist von außen oft schwer zu erfassen und ich gebe zu, dass auch wir uns immer wieder mehr Tempo und schnellere Resultate wünschen. Im Gegensatz zum Gladbacher Bahnhof geht es auf unserem Drehkreuz aber nicht „nur“ um ein zweites Gleis. Nein: unser Umladebahnhof ist riesig und gefühlt kommen im wochentakt neue Herausforderungen hinzu. 

Aber das bedeutet keineswegs Stillstand: Als nächstes wird ein Schnellzug mit dem Integrierten Klimaschutzkonzept – gekoppelt mit dem European Energie Award – den Bahnhof verlassen. Das Konzept wird im Mai der Politik vorgestellt und dann im Juni hoffentlich im Hauptauschuss politisch beschlossen. 

Mit einem Bündel an Maßnahmen – von denen sich einige auch heute schon in der Umsetzung befinden –  wird das Ziel der Bundesrepublik, bis 2045 klimaneutral zu sein, erstmals auch für Bergisch Gladbach beschrieben. Unsere zwei Klimaschutzmanagerinnen haben hier unter Federführung von Ragnar Migenda in wenig mehr als einem Jahr Großartiges geleistet. Dafür unser herzlichster Dank!

Das Integrierte Klimaschutzkonzept landet bei uns sicher nicht einfach so in der Schublade, wie vordem geschehen beim Mobilitätskonzept von 2016, welches beschlossen und dann nur auf einem Gleis abgestellt wurde.

Konzepte sind unerlässlich. Denn sie beschreiben Notwendigkeiten und Lösungsansätze. Bei der Umsetzung wird es dann allerdings oftmals kniffelig. Und sobald es konkret wird, wird deutlich, welch riesige Veränderungen angepackt werden müssen. Ab hier regt sich dann auch schnell und lautstark Widerstand.

Nachvollziehbar im Sinne der uns Menschen eigenen Beharrungskräfte. Aber tatsächlich auch noch vertretbar, im Sinne der aktuellen Veränderungsnotwendigkeiten? 

An dieser Stelle möchte ich gerne den von mir sehr verehrten Bernd Ullrich – Redakteur der Wochenzeitung Die ZEIT – zitieren:

Mittlerweile haben die Krisen und Probleme ein solches Ausmaß angenommen, dass sie mit den überlieferten Methoden der guten alten Zeit selbst dann nicht mehr sinnvoll zu bearbeiten wären, wenn diese konventionelle Politik weitgehend optimiert, also merkelisch angewendet würde.“ (DIE ZEIT 5.2.2023)

Die Analyse scheint schlüssig – und auf Bergisch Gladbach übertragen bedeutet dies, dass wir noch viel mutiger neue Wege einschlagen – bekannte Trampelpfade verlassen – und auch unbequeme und kontroverse Züge schneller aufs Gleis setzen müssen.

Breiten Konsens dafür zu suchen ist demokratisch immer geboten und wir tun dies auch – siehe Zanders!

Beim Thema Mobilitätswende haben wir GRÜNEN allerdings den Verdacht, dass sich die politische Debatte schnell in eine bloße Verweigerungshaltung verfestigt, sobald Parkplätze wegfallen und der motorisierte Individualverkehr ein Stück seiner vorherrschenden Privilegien, zugunsten eines fairen und gleichberechtigten Verkehrsmix abgeben soll. Ich kann dazu nur sagen: Die Dinge, über die wir uns hier streiten, sind Lappalien gegen alles was global betrachtet noch auf uns zukommen wird. 

Der Weltklimarat hat letzte Woche zum zigsten Mal vor den Folgen unseres anhaltenden Zuwenig Tun gewarnt. Dieser Vorwurf ist auch an jede und jeden von uns gerichtet. Ausreden, dass wir zB mit den angeschobenen Verkehrsmaßnahmen in Bergisch Gladbach das globale Klima sowieso nicht retten, entlarven eine Verweigerungshaltung bei der Übernahme von eben dieser globalen Verantwortung.

Wenn wir im reichen Deutschland – wenn wir in Bergisch Gladbach – nicht zeigen, dass man Klimaschutz und  Co2-neutrales Wirtschaften verbinden kann mit einem sozialen Ausgleich, wer soll es dann vormachen? 

Wir müssen also noch mehr Tempo machen.

Neben dem bereits erwähnten Klimaschutzkonzept stehen auf unserem Umladebahnhof  weitere Züge abfahrbereit bzw. sind schon losgefahren: 

  • mit der nun transparenten und verbindlichen Bauleitplanung konzentriert sich die Stadt auf die Innenentwicklung und hier besonders auf die Entwicklung des Zandersgeländes – Grünzüge und Außenflächen werden geschont, das Instrument dazu wurde unserer Verwaltung mit der Klimafunktionskarte an die Hand gegeben
  • die to-do Liste der Straßensanierungen und Umgestaltung auch für einen sicheren Fuß- und Radverkehr ist enorm – für uns am Wichtigsten für 2023: die Paffrather Straße, die Laurentiussstraße, die Altenberger Dom Straße – und all diese Umgestaltungen werden nun barrierefrei geplant
  • der ICE „Schulbau GmbH“ steuert erste Ziele an – die Sofortschulen stehen zum neuen Schuljahr
  • der ICE „neues Stadthaus“ für unsere Verwaltung fährt
  • seit dem letzten Jahr bezieht die Stadt komplett Ökostrom und auch die neue Ausschreibung schreibt Ökostrom vor
  • wir gratulieren der neu gegründeten Bürgerenergiegenossenschaft – Konkurrenz belebt das Geschäft – das macht auch der BELKAW Beine
  • für den S-11 Abschnitt auf Bergisch Gladbacher Gebiet läuft das Planfeststellungsverfahren, vorbereitende Planungen zur Umnutzung des Bahndamms laufen, sowie zur Neunutzung des Bahndreiecks
  • weitere Mobilstationen entstehen, der B-Plan grüner Mobilhof wird städtischerseits mit hoher Priorität begleitet
  • die E-Ladesäulen-Infrastruktur wird mit Hochdruck ausgebaut, die erste Wasserstofftankstelle auf Zandersgeht in diesem Jahr an den Start
  • das Kulturleitbild rollt, es gibt einen Kultursommer
  • die Digitalisierung der Verwaltungsprozesse nimmt Fahrt auf
  • das Mohnwegbad wird gebaut
  • wir stellen, die für unsere Stadtgesellschaft so wichtige sozialräumliche Netzwerkarbeit – trotz freiweiliger Leistung – nicht in Frage
  • dies sind nur einige Beispiele, weitere könnte ich noch aufzählen 

Aber schon durch diese Aufzählung wird klar: Der vorgelegte Haushalt stellt die richtigen Weichen, um Bergisch Gladbach zukunftsfest und enkeltauglich zu machen. Unser Bürgermeister Frank Stein leistet hier tagtäglich eine Sysiphosarbeit und hat mit Thore Eggert einen Kämmerer an der Seite, der trotz multipler Krisen einen Haushalt aufgestellt hat, der bis 2026 fiktiv ausgeglichen ist und bis 2033 auch nominell ausgeglichen sein kann.

Dies erreichen wir allerdings nichtohne die eine oder andere Aufgabe infrage zu stellen. Die Liste der freiwilligen Konsolidierungsmaßnahmen, die uns die Verwaltung zur Beratung vorgelegt hat, umfasst 59 Maßnahmen, wovon wir nur 4 nicht umsetzen möchten. 

Das sind:

  • der Wegfall der Zuschüsse für das Schülerticket – hier erwarten wir sowieso vom Land NRW in nächster Zeit ein Angebot für ein ermäßigtes Deutschlandticket 
  • die Streichung der Bürgerbüros in Bensberg und Refrath
  • die Schließung einer der fünf Seniorenbegegnungsstätten
  • auch die pauschale Einführung einer Sportstättennutzungsgebühr können wir uns nicht vorstellen. 

Alle anderen Maßnahmen sollen umgesetzt werden und so einen Beitrag zur Haushaltsdisziplin leisten. Wir danken unserer Verwaltung ausdrücklich für diese Vorschläge!

Viele davon können nur mit dem Know-How der Innenperspektive gemacht werden – umso wertvoller sind sie für die Politik, die mit ihrer Außensicht hier eher blind ist. Verhehlen möchte ich nicht, dass viele der Einschnitte schmerzhaft sind. Sie sind aber notwenig und unterstreichen unseren Konsolidierungswillen.

Der Kollege Henkel der CDU hat diesen Haushalt im Finanzausschuss als untragbar und verantwortungslos tituliert, genau wie der Kollege Metten gerade eben noch einmal. Wie wir möchte die CDU bei Schülertickets, Bürgerbüros, Seniorenbegegnungsstätte, Sportpauschale aber nicht den Rotstift ansetzen. Wo aber dann? 

Kein einziger Änderungsantrag zum Haushalt ist von Ihnen gemacht worden. Mit der pauschalen Aburteilung machen Sie es sich wirklich zu einfach! Das einzige was ich vernommen habe, war ein halbgarer Vorschlag die Investitionen zu strecken. 

Mehr fällt Ihnen tatsächlich nicht ein?

Dann bleibt nur der Schluss, dass Sie sich weiter der Zukunft verweigern! Denn das ist genau das merkelige Konzept, welches unsere Schulen, Kitas, unser Stadthaus und unsere Straßen zum Totalsanierungsfall gemacht hat und nun ein Vielfaches an Folgekosten verursacht.

Wir sagen dagegen ganz klar: Investitionen für unsere Kinder – und das sind Investitionen in unsere Bildungseinrichtungen ebenso wie in umfassenden Klimaschutz, lassen sich nicht strecken!

Und die FDP? Mein Kollege Dr. Bacmeister hat Ihnen Vorschläge gemacht, wie wir durch Einnahmesteigerungen u.a. bei den Parkgebühren, die vier nicht umgesetzen Kürzungen anderweitig kompensieren könnten. 

Da die FDP aber stur darauf beharrt, das freiwillige Haushaltssicherungskonzept in Gänze umzusetzendemontiert sie lieber ihren eigenen Kämmerer und lehnt den von ihm vorgelegten Haushalt ab. Sie könnten sich ja wenigstens enthalten!

Umso dankbarer sind wir, dass die Freie Wählergemeinschaft gemeinsam mit uns und der SPD Verantwortung für Bergisch Gladbach übernimmt.

Die Bauchschmerzen, die die FWG mit dem Abschmelzen unseres Eigenkapitals und dem Schuldenaufbau hat, teilen wir. Und dem entgegenzutreten bleibt Herausforderung für die nächsten Jahre.

Ja, manchmal wäre es tatsächlich bequemer, weiter im Schlafwagen zu sitzen und die Bilder an der Wand für die blühende Realität zu halten. Dafür sind wir aber nicht angetreten, und deswegen bleiben wir auf dem bisweilen zugigen Bahnhof und setzen uns dafür ein, die Ziele für Bildungsgerechtigkeit, soziale Teilhabe und natürlich den Klimaschutz erreichbar zu machen. Und genau dafür steht der vorgelegte Haushalt.

Dies ist ein guter Haushalt für Bergisch Gladbach. Ich bitte um Ihre Unterstützung.

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1 Kommentar

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  1. Gut, die Stadt ist aus dem Schlafwagen ausgestiegen. Als Bürger dieser Stadt wünsche ich ihr, dass für den neu bestiegenen Schnellzug allezeit die Gleise richtig gestellt sind.