Im Stadtrat nehmen CDU und FDP die Rolle der Sparkommissare ein. Genau aus diesem Grund finden die Liberale den Haushaltsentwurf für 2023 ausgezeichnet, die Union nennt ihn dagegen eine Katastrophe. Dennoch stimmt die CDU zunächst mit SPD und Grünen für die Lockerung des Sparkurses. Und votiert am Ende genauso wie die FDP gegen den Haushalt.
Der Haushalt der Stadt Bergisch Gladbach für das laufenden Jahr wird zwar erst am kommenden Dienstag im Stadtrat entschieden, nachdem die Fraktionschefs ihre Haltung in den Haushaltsreden dargelegt haben. Aber die Debatte und Vor-Abstimmung im Ausschuss für Finanzen am Mittwoch ließ bereits klar erkennen, wie der Hase läuft. Allerdings mit einigen interessanten Volten.
Hinweis der Redaktion: Dieser Text ist im Detail nicht einfach nachvollziehbar. Drei Dinge sollten Sie aber mitnehmen:
- Die Schließung einer Seniorenbegegegnungsstätte und der Bürgerbüros in Refrath und Bensberg wird es nicht geben; Vereine müssen keine Hallengebühren zahlen, bei den Schülerfahrtkosten gibt es keine Kürzungen.
- CDU und FDP lehnten den Haushalt 2023 ab.
- Grüne und SPD können auf die Stimmen der FWG zählen, damit erscheint eine knappe Mehrheit im Stadtrat sicher.
Zur Erinnerung: Kämmerer Thore Eggert hatte im Dezember einen Entwurf für den Etat 2023 eingebracht, der einige strukturelle Sanierungen sowie eine ganze Reihe von großen und kleinen Sparmaßnahmen in Form eines „freiwilligen HSK“ enthält.
Das Gesamtpaket soll sicherstellen, dass die Stadt ihre Defizite mittelfristig ausgleichen kann und nicht erneut in das gefürchtete Haushaltssicherungskonzept (HSK) fällt. Ein Ziel, das auf dem Papier erfüllt wird.
Wie Bergisch Gladbachs Finanzen gesunden sollen
Die Finanzlage der Stadt hat sich trotz Corona und Krieg besser entwickelt als erwartet, die Defizite gehen kräftig zurück. Dennoch bleibt der städtische Haushalt in roten Zahlen, Rücklagen werden aufgezehrt. Daher schlagen Bürgermeister und Kämmerer einen rigorosen Sparkurs vor, der an einigen Punkten ziemlich weh tun kann. Und auf mittlere Sicht auch Steuererhöhungen vorsieht.
Einige der insgesamt 59 Sparmaßnahmen gingen jedoch einigen Fraktionen zu weit. Im Finanzausschuss legen Grüne und SPD jetzt (wie im Gespräch mit dem Bürgerportal zuvor angekündigt) vier Sparmaßnahmen vor, die wieder gestrichen werden sollten:
- Reduzierung der Zahl der Seniorenbegegnungsstätten (Einsparvolumen: 60.000 Euro)
- Erhebung von Sporthallennutzungsentgelten (Mehreinnahmen ab 2025 jährlich rund 270.000 Euro)
- Reduzierung Schülerfahrtkosten (rund 200.000 Euro)
- Schließung der Bürgerbüros Bensberg und Refrath (rund 22.000 Euro)
Entscheidung eins: Sparmaßnahmen
Jede dieser Maßnahmen wird am Mittwochabend im Finanzausschuss einzeln aufgerufen – und bei jedem der vier Punkte stimmen neben Grünen und SPD auch CDU und Bergische Mitte zu. Die FDP stimmt gegen die ersten beiden Punkte, die FWG enthält sich hier. Bei drei und vier enthält sich auch die FDP.
Im Klartext: der Verzicht auf die Einsparungen zu Lasten der Seniorenbegegnungsstätten, der Sportvereine, der Fahrschüler:innen und der Bürgerbüros fand eine klare Mehrheit. Die CDU steht hier auf der Seite von Grün-rot, nur die FDP hält an der Rolle des Sparkommissars fest.
Entscheidung zwei: freiwilliges HSK
Bei der Abstimmung des gesamten „freiwilligen HSK“ (inklusive der Punkte eins bis vier) ändert sich das Abstimmungsverhalten der Opposition: Die FDP stimmt jetzt mit Grünen, SPD, und FWG dafür, die CDU votiert dagegen, die Bergische Mitte enthält sich.
Damit hat das „freiwillige HSK“ eine klare Mehrheit.
Entscheidung drei: Haushalt 2023
Zum Schluss wird über den gesamten Haushalt abgestimmt. Dazu hatten CDU und FDP im Verlauf der Sitzung klar Position gezogen.
Der von Kämmerer Thore Eggert, der Mitglied der FDP ist, vorgelegt Haushalt gehe genau in die richtige Richtung, stellt Alexander Engel für die FDP fest. Nur wenn mit allen Mitteln gespart werde, könne man ein pflichtiges HSK verhindern. Und darum sei es grundfalsch, einzelne Sparmaßnahmen wieder herauszunehmen – wie gerade geschehen. Unter diesen Bedingungen stimme die FDP gegen den Haushalt.
Auch für die CDU, das erklärt ihr stellvertretende Fraktionschef Harald Henkel, sei klar, dass ein echtes HSK mit allen Mitteln verhindert werden müsse. Der Eggert-Haushalt führe jedoch genau in ein solches HSK, sei eine Katastrophe, untragbar, verantwortungslos, nicht hinnehmbar. Die Stadt müsse maßvoller investieren. Konkrete Vorschläge macht die CDU dafür nicht, hält ihr die SPD vor.
Konsequenterweise stimmen CDU und FDP gegen den Haushalt, die Bergische Mitte enthält sich. Doch mit Grünen, SPD und FWG gibt es eine knappe Mehrheit für den Haushalt.
Das letzte Wort haben am Dienstag die Fraktionschef, danach stimmt der Stadtrat endgültig ab.
Die Notwendigkeit der angesprochenen Sparsamkeit wird besonders deutlich, wenn man sich die Zahlen betrachtet.
Im aktuellen Haushaltsplan wächst das geplante jährliche Haushaltsdefizit von
17 Mio. (in 2023) auf 25 Mio. (in 2026) an.
Der Haushalt gerät also mittelfristig (so weit reicht die konkrete Planung) tiefer in die roten Zahlen. Trotz der inzwischen durch die Kämmerei verbesserten Planungsqualität und der langen Liste an Sparmaßnahmen.
Und trotz der für 2026 vorgesehenen Erhöhung von Gewerbe- und Grundsteuer in Höhe von insgesamt ca. 10 Mio..
Der Stadtrat sollte die geplanten Ausgaben überprüfen auf Notwendigkeit und die zusätzlichen Ausgaben, dass alle Gruppen der Bürger berücksichtigt werden mit sinnvollen Maßnahmen. Dass Geld für Lieblingsgruppen verschleudert wird – wie wir es schon mehrfach erlebt haben, sollte unterbleiben, da diese Beträge woanders fehlen.
Der Sparwille in der Politik ist aber nur selten vorhanden. Man hat manchmal eher den Eindruck, dass die Mitglieder im Ausschuss die Vertreter von Vereinen, Gruppierungen oder ähnlichem sind, und ihr bestmögliches versuchen, die Einschränkungen so gering wie möglich zu halten.
Jedem Ausschuss müssten Sparvorschläge von 20% gemacht werden, wo dann die Mitglieder mit Diskussion 15% draus machen dürfen.
Und wie hat die AfD gestimmt?
Gar nicht. Sie hat im Finanzausschuss kein Stimmrecht. Aber das wissen Sie als sachkundige Bürgerin der AfD ja auch.
YMMD!