Der Stadtrat hatte die neuen Regeln beschlossen. Foto: Thomas Merkenich

Der Haushalt der Stadt Bergisch Gladbach für das laufende Jahr weist ein Minus von 17,2 Millionen Euro aus, das in den nächsten Jahren noch deutlich größer wird. Dank der Rücklagen kann das Minus gedeckt und laut Kämmerer Thore Eggert mittelfristig auch ausgeglichen werden. Um das sicher zu stellen verabschiedete der Stadtrat jetzt neben dem eigentlichen Etat ein freiwilliges Haushaltssicherungskonzept und eine Sanierungssatzung. Wir arbeiten die Details auf.

Der Haushalt einer Kommune wie Bergisch Gladbach besteht aus einem sehr, sehr dicken Wälzer. Er listet im Detail jede Einnahme und Ausgabe der Stadt auf und erlaubt damit einen tiefen Blick in alles das, was eine Stadt für ihre Bürger:innen leistet, und wo das Geld dafür herkommt (siehe Dokumentation unten).

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Aber damit nicht genug: damit die Stadt ihre Finanzen in den Griff bekommt hat die Kämmerei auch noch ein freiwilliges Haushaltssicherungskonzept (HSK), eine Haushaltssanierungssatzung und einen Investitionsband entworfen. Alles sehr umfangreich und etwas kompliziert – aber wir arbeiten und der Reihe nach durch.

Der Haushalt und das freiwillige HSK sind am Dienstag mit den 29 Stimmen von Grünen, SPD, FWG und Bürgermeister beschlossen worden; gegen CDU, FDP und AfD; die Bergische Mitte enthielt sich.

Wie zu erwarten fiel die Bewertung des Haushalts (und der damit verbundenen Politik) in den Haushaltsreden der Fraktionsvorsitzenden sehr unterschiedlich aus:

17 Millionen Euro Defizit und „fiktiv ausgeglichen“

Wie sich die Stadt finanziell entwickelt, und ob es ihr gelingt, mit ihren Mittel auszukommen, ohne wieder das Zwangskorsett eines Haushaltssicherungskonzeptes (HSK) zu fallen, zeigt der Gesamtergebnisplan an.

Die Grundzüge hatten Bürgermeister Frank Stein und Kämmerer Thore Eggert bei der Einbringung des Haushalts im Dezember ausführlich erläutert. Seither sind einige der Zahlen angepasst worden, weil inzwischen bessere Prognosedaten zum Beispiel über die Steuerschätzung vorliegen – an den Grundverhältnissen hat sich jedoch nichts geändert.

Die Stadt plant in 2023 mit Ausgaben von rund 407 (2022: 374) Millionen Euro. Die ordentlichen Einnahmen werden auf 359 (2022: 320) Millionen veranschlagt. Allerdings kann die Stadt u.a. Sonderausgaben für die Folgen des Ukrainekriegs und von Corona in Höhe von 24 Millionen herausrechnen (und muss sie über 50 Jahre hinweg abstottern).

Weiter drei Millionen rechnet Kämmerer Eggert als „globaler Minderaufwand“ heraus – denn die Stadt kann schon alleine aufgrund des Personalmangels nicht alles erledigen, was sie zum Jahresanfang geplant hatte. Und schließlich rechnet die Stadt bei den Finanzerträgen mit Einnahmen von 3,6 Millionen Euro.

Unter dem Strich bleibt ein Haushaltsdefizit von 17,2 Millionen Euro.

Dieses Minus gleicht die Stadt durch einen Griff in die Ausgleichsrücklage aus. Die war 2020 durch die Auflösung stiller Reserven in Höhe von 135 Millionen Euro (Schütt-aus-hol-rück-Verfahren) gut gefüllt worden. Damit gilt der Haushalt 2022 als „fiktiv ausgeglichen“.

Bürgermeister Frank Stein mit Kämmerer Thore Eggert (links) und dem Fachbereichsleiter Finanzen Harald Schäfer (2.v.l.). Foto: Thomas Merkenich

Schulden steigen an

Die gesamte Verschuldung der Stadt Bergisch Gladbach, die in den vergangenen Jahren allmählich zurück gegangen war, steigt mit dem Haushalt 2023 scharf nach oben, von (real) 309 auf (geplant) 478 Millionen Euro. Die CDU nimmt das als Beleg für eine verantwortungslose Politik.

Kämmerer und Bürgermeister verweisen dagegen darauf, dass hinter diesen Zahlen die gewaltigen Investitionen in Schulen, Straßen und sonstige Infrastruktur steckt, die überfällig seien. Zum ersten Mal hat die Kämmerei alle diese Projekte in einem eigenen Investitionsband aufgeschrieben. Auf rund 100 Millionen Euro summieren sich die Kreditaufnahme für Investitionen, für weitere 141 Millionen Euro werden Verpflichtungsermächtigungen für die Folgejahre ausgesprochen.

Allerdings könnten die Planzahlen gar nicht erreicht werden – weil es am Personal fehlt, diese Investitionen so schnell umzusetzen. Ganz so hoch und schnell wird die Verschuldung also nicht steigen.

Bis 2032 aus den roten Zahlen

Noch wichtiger als die Daten für 2023 sind jedoch die Planzahlen für die nächsten Jahre – denn Bergisch Gladbach muss den Haushalt mittelfristig nicht nur fiktiv, sondern auch nominell ausgleichen. Weil die Ausgleichsrücklage bis 2027 verbraucht ist und schon 2026 in die Haushaltssicherung geraten könnte.

Zunächst steigt das geplante Defizit in den kommenden Jahren jedoch auf fast 28 Millionen Euro an, bevor es ab 2026 schrittweise reduziert werden soll. 2032, so das Zahlenwerk, soll Bergisch Gladbach dann erstmals aus den roten Zahlen kommen und einen minimalen Überschuss machen.

Damit das gelingt und das HSK vermieden wird muss die Stadt heftig auf die Ausgabenbremse treten. Bereits 2021 hatte der Stadtrat daher beschlossen, ein „freiwilliges Haushaltssicherungskonzept“ aufzustellen. Eigentlich ein Widerspruch in sich, und dennoch hat der Kämmerer im Dezember 2022 ein Broschüre mit genau diesem Titel vorgelegt (siehe Dokumentation unten.) 

De facto „nur“ eine Selbstverpflichtung zum Sparen – aber die hat es in sich. 58 Einzelmaßnahmen listet das „freiwillige HSK“ auf, die zwischen 70 und 9,9 Millionen Euro pro Jahr einsparen oder zusätzlich einbringen sollen. Die Ergebnisverbesserung soll sich bei einer Umsetzung aller Maßnahmen nach und nach aufbauen, von bescheidenen 1,2 Millionen Euro in 2023 bis auf 27 Millionen Euro in 2033.

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Wie Bergisch Gladbachs Finanzen gesunden sollen

Die Finanzlage der Stadt hat sich trotz Corona und Krieg besser entwickelt als erwartet, die Defizite gehen kräftig zurück. Dennoch bleibt der städtische Haushalt in roten Zahlen, Rücklagen werden aufgezehrt. Daher schlagen Bürgermeister und Kämmerer einen rigorosen Sparkurs vor, der an einigen Punkten ziemlich weh tun kann. Und auf mittlere Sicht auch Steuererhöhungen vorsieht.

Teil der Maßnahmen sind auch Steuererhöhungen, der Grundsteuer B ab 2026 und noch einmal ab 2031 um jeweils 50 Punkte sowie der Gewerbesteuer ab 2026 um 50 Punkte. Die sind aber noch nicht beschlossen und sollen nach Möglichkeit durch Einsparungen vermieden werden – und sind damit ein Anreiz, die Konsolidierung ernst zu nehmen.

Aufweichung des freiwilligen HSK

Allerdings hat der Stadtrat vier der 59 Sparmaßnahmen aus dem freiwilligen HSK bereits wieder einkassiert: Auf Antrag von Grünen und SPD (und mit Zustimmung der CDU) wurden im Finanzausschuss folgende Maßnahmen zurückgenommen:

  1. Reduzierung der Zahl der Seniorenbegegnungsstätten (Einsparvolumen: 60.000 Euro)
  2. Erhebung von Sporthallennutzungsentgelten (Mehreinnahmen ab 2025 jährlich rund 270.000 Euro)
  3. Reduzierung Schülerfahrtkosten (rund 200.000 Euro)
  4. Schließung der Bürgerbüros Bensberg und Refrath (rund 22.000 Euro)

Im Durchschnitt gibt die Stadt damit in kommenden zehn Jahren jedes Jahr 500.000 Euro mehr aus. Ein Schritt, der von der FDP hart kritisiert wird und zur Ablehnung des gesamten Haushalts 2023 führt. Kämmerer und Bürgermeister gehen dagegen davon aus, dass das freiwillige HSK diese Aufweichung aushält.

Der Blick vom Verwaltungspodium in den Stadtrat, der noch immer im Bergischen Löwen tagt. Foto: Thomas Merkenich

Haushaltssanierungssatzung

Damit das mit den Einsparungen nun aber auch wirklich funktioniert hat die Stadt zudem eine Haushaltssanierungssatzung entworfen, die nun ebenfalls vom Rat beschlossen worden ist (siehe Dokumentation).

Der Entwurf der Verwaltung war im Finanzausschuss in letzter Minute wurde auf Antrag von Grünen und SPD um einen Passus ergänzt worden, wonach bei allen Investitionen die Klimaauswirkungen von der Herstellung bis zum Rückbau berücksichtigt werden müssen. Weitere vier Passagen wurden auf Antrag der FWG (Zanders, Digitalisierung, …) aufgenommen.

Die Änderungen durch Grüne und SPD wurden im Prinzip auch von der CDU begrüßt. Auf ihre Rückfragen im Stadtrat, welche konkreten Auswirkungen diese haben, gab es jedoch keine Antworten von der Verwaltung. Bürgermeister Stein stellte klar, dass die ökologischen Kriterien einen nur deklaratorischen Charakter hätten. Daraufhin stimmte auch die CDU zu, lediglich die AfD votierte gegen die Sanierungssatzung.

Bürgermeister dankt und kritisiert

Bürgermeister Frank Stein äußert sich in einer persönlichen Erklärung zufrieden über die Verabschiedung des Etats. Gleichzeitig mahnt er Vorsicht sowie Weitsicht an – und kritisiert das Verhalten der CDU.

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Frank Stein: „Haushalt ermöglicht gute Politik“

In einer (ungewöhnlichen) persönlichen Erklärung hat sich Bürgermeister Frank Stein nach der Verabschiedung des Haushalts 2026 zufrieden geäußert. Gleichzeitig mahnt er Vorsicht sowie Weitsicht an – und kritisiert das Verhalten der CDU im Haushaltsaufstellungsverfahren.

„Von denjenigen, die den Haushalt abgelehnt haben, ohne mit nur einem einzigen inhaltlichen Antrag oder Vorschlag deutlich gemacht zu haben, welche eigenen politischen Vorstellungen sie dem Haushaltsentwurf entgegen halten, würde ich mir für die Beratungen des nächsten Haushaltes wünschen, die politische Diskussion mit konkreten Gegenvorschlägen zu bereichern,“ sagte Stein.  

Dokumentation

Der gesamte Haushaltsbuch, Stand Dezember 2022

Das freiwillige Haushaltssicherungskonzept

Die Haushaltssanierungssatzung (Entwurf, die wurde später auf Antrag der FWG durch vier Punkte ergänzt)

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Journalist, Volkswirt und Gründer des Bürgerportals. Mail: gwatzlawek@in-gl.de.

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6 Kommentare

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  1. Auch von meiner Seite vielen Dank für die umfassende und verständliche Zusammenfassung.

    Eine Korrektur finde ich für das Verständnis dieser Haushaltsplanung aber wesentlich:

    Der Haushalt wird mittelfristig nicht ausgeglichen sein, wie es in der Zusammenfassung zu lesen ist.

    Vielmehr wächst das Defizit von 17 Mio. in 2023 auf 25 Mio. in 2026 an. Dies kann man in der letzten Zeile „Jahresergebnis“ der gezeigten Tabelle
    Gesamtergebnisplan“ gut erkennen und steht auch im Haushaltsbuch natürlich nicht anders.

    Dabei geht es mir nicht darum, Haare zu spalten oder Recht zu haben. Ich finde aber wichtig zu wissen, in welche Richtung die konkrete Planung sich tatsächlich bewegt: In Richtung zunehmendes Defizit. Trotz Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen.

    Und ganz besonders geht es mir darum deutlich zu machen, wie wichtig Haushaltsdisziplin im Stadtrat und bereits in jedem Fachausschuss ist. Ab sofort. Denn sonst wird man diesen Trend nicht umkehren.

    1. Sehr geehrter Herr Schulze, im Text finden Sie folgende Passage:

      „Zunächst steigt das geplante Defizit in den kommenden Jahren jedoch auf fast 28 Millionen Euro an, bevor es ab 2026 schrittweise reduziert werden soll. 2032, so das Zahlenwerk, soll Bergisch Gladbach dann erstmals aus den roten Zahlen kommen und einen minimalen Überschuss machen.“

  2. Ich bedanke mich für die verständliche und übersichtliche Zusammenfassung der Haushaltssitzung. Für mich ist es einfacher, alles Wesentliche über dieses wichtige Thema zusammengefaßt zu lesen.

  3. Sehr geehrter Herr Watzlawek,
    ich habe bei der Auflistung leider nicht die Rede des Herrn Schöpf, von der AfD, entdecken können.
    Warum nicht?
    Versuchen sie diese Partei, bei der Meinungsbildung der Bürger, bewusst von vornherein auszuschließen?

    1. Sehr geehrte Frau Schüttler, die Rede von Herrn Schöpf liegt uns nicht vor, in der Zusammenfassung in „Der Tag in GL“ ist er berücksichtigt. Zu Ihrer zweiten Frage: Nein