Obwohl das Gymansium in Herkenrath im laufenden Schuljahr als Bündelungsgymnasium dient und aus allen Nähten platzt, geht die Schule bei den jüngst vorgestellten Plänen zum Schulausbau leer aus. Die Schulleitung ist frustriert, setzt aber weiter auf Gespräche mit der Verwaltung zur Renovierung der Schule. Derweil formieren sich Schüler- und Elternschaft für Protestaktionen. „Nur wer am lautesten schreit bekommt etwas vom Träger“, so deren Eindruck.

Gymnasium Herkenrath, Klassenraum der 7c. Es läutet gerade zum Ende der sechsten Stunde. Englischlehrerin Anna Scharrenbroch springt von einem Klassentisch, in der Hand ein Kabel. Damit hatte sie zuvor den Beamer unter der Decke mit einem Tablet auf dem Tisch verbunden. Die Drahtlos-Verbindung hat wie so oft nicht richtig funktioniert. Also hat sie in der Schulstunde pragmatisch eine Leitung gelegt.

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Schulleiter Dieter Müller und seine Stellvertreterin Romina Matthes schauen ein wenig resigniert. Ein Kabel das quer im Raum hängt, statt einer kabellosen Funkverbindung – das ist symptomatisch für den Zustand der weiterführenden Schule.

Pädagogisch laufe es gut in Herkenrath, sagt Müller – viele AGs, ein USA-Austausch, gute Kooperation mit der Musikschule, Aufbau eines Schülerorchesters und vieles mehr. Personal sei genügend an Bord, zum Beispiel in den Mangelfächern.

Auch für die Aufgabe als Bündelungsgymnasium habe man genügend Lehrer:innen: Die Herkenrather Schule nimmt seit dem laufenden Schuljahr all jene Schüler:innen der Region auf, die an den Gymnasien nicht in die Einführungsphase (Stufe 11) versetzt wurden oder jetzt ans Gymnasium wechseln wollten.

Romina Matthes und Dieter Müller, Schulleiter am Gymnasium Herkenrath, Foto: Holger Crump

Raumverteilung „auf Kante genäht“

Schwierig wird es indes mit der Infrastruktur. „Ja, ich habe bei der Frage nach dem Bündelungsgymnasium gesagt, dass wir dies schaffen“, macht Müller gleich zu Beginn des Gesprächs klar. „Aber immer unter der Prämisse, dass wir – wie immer wieder betont – auch mindestens vier zusätzliche Klassenzimmer brauchen.“ Eine Prämisse, die sich in der Pressemitteilung der Schulleitung vom Februar 2023 allerdings nicht wiederfindet. 

Die benötigten Klassenzimmer kamen nicht. Stattdessen aber 85 zusätzliche Schüler:innen, die nun die Einführungsphase besuchen. Das Gymnasium platzt aus allen Nähten. „Die Raumorganisation ist auf Kante genäht“, macht Romina Matthes in einer Computerübersicht deutlich.

„Und das klappt nur weil wir – wie am NCG – auf Multifunktionalität setzen.“ Hierbei werden Fachräume zu normalen Schulklassen umgewidmet. „Wenn eine Klasse rausgeht, kommt die nächste rein.“

Zudem habe man einen Raum mit der Realschule nebenan getauscht, der sei größer. „Wenn die Nachbarschule das Klassenzimmer wieder beanspruchen sollte bricht uns die Planung wieder weg“, sorgt sich Matthes.

Die beiden Schulleiter stehen noch deutlich unter dem Eindruck der letzten Sitzung des Schulausschusses. Da wurde die G9-Erweiterung des DBG mit einem Klassenhaus beschlossen, ein neues Gebäude für das Schulzentrum Kleefeld auf den Weg gebracht, ein Mensagebäude für die GGS Hand angeschoben.

Hintergrund

Schulen bauen, Schulen planen, ohne Plan?

Drei neue Projekte zur Erweiterung und Erneuerung der maroden Schulen in Bergisch Gladbach hat der Schulausschuss einstimmig freigegeben. Weil an der großen Bedürftigkeit von DBG, GGS Hand und Kleefeld kein Zweifel besteht. Gleichzeitig wird aber deutlich, dass es anderen Schulen womöglich noch schlechter geht – und es bislang keine Priorisierung gibt. Unser Kurzprotokoll fasst die Entscheidungen und Themen zusammen.

Maroder als marode?

Warum das Gymnasium Herkenrath in der Sitzung nicht mit zusätzlichen Räumen oder zumindest Containern bedacht wurde, erschließt sich den beiden Pädagogen selbst auf mehrfache Nachfrage nicht.

Sind andere Schulen maroder als ihre Schule, die ja die Bündelung für alle übernommen hat? „Keine Ahnung“, so Müller. Bei der Rückkehr zu G9 würden im Jahr 2025/26 alle Schulen ein Raumproblem bekommen. „Wir haben es schon jetzt!“ betont er immer wieder. Es wäre schön, wenn die Stadt kommunizieren würde, wann welche Schule renoviert würde, so Müller.

Das Gymnasium Herkenrath ist wie so gut wie alle Schulen der Stadt schwer sanierungsbedürftig. Sie können jedes Foto mit einem Klick groß stellen, dann erscheinen auch die Bildzeilen. Fotos: Thomas Merkenich

Hintergrund

Bergisch Gladbachs Gymnasien sind für G9 viel zu klein

Ab Sommer 2025 müssen die Gymnasien der Stadt wieder eine Jahrgangsstufe zusätzlich unterbringen, doch dafür gibt es nirgendwo Platz. Alleine für DBG, Gymnasium Herkenrath und AMG beziffert die Stadt den „unstrittigen zusätzlichen Mindestbedarf“ auf fast 50 Räume.

Keine Rückmeldung

Damit ist aber erst Anfang 2024 zu rechnen, hatte die neue Fachbereichsleiterin Immobilien im Rathaus, Alexandra Meuthen, im Schulbauausschuss erläutert. Bis dahin will die Stadt die Bedarfe aller Schulen per Steckbrief erfasst und mit den Schulleitungen eine Schulbauleitplanung zur Vorlage in der Politik erstellt haben.

Das große Ganze steht also noch aus, aber auch im Kleinen scheint es zwischen Kommune und Schule nicht rund zu laufen. „Warum bekommen wir bei Anträgen keine Rückmeldung“, fragt Müller frustriert? Ihm würde schon ein geht nicht genügen, aber selbst das bliebe oft aus.

Komme ein Meeting zustande, wie zuletzt Ende Mai 2023 zur Baubesprechung, erreiche ihn das Protokoll erst Ende August. „Termine, die wir für die Sommerferien besprochen haben, sind dann bereits verstrichen.“

Nicht im Regen stehen lassen

Die beiden Schulleiter berichten von ziemlich ekliger Arbeit in Eigeninitiative. Die Außenwand des wieder in Betrieb genommenen Pavillon sei mit Kot beschmiert gewesen, die Reinigung erfolgte in Eigenleistung. Zwei Räume wurden von der Stadt gestrichen. „Gestrichen werden müssten aber weitere zehn Räume“, sagt Matthes, zusätzlich zum Bedarf neuer Räume.

Und sie zählt weitere Dinge auf, die auf der To-Do-Liste ganz oben stehen: Gasanschluss für einen weiteren Chemieraum, Sanierung des Mittelstufen-Schulhofes, Verdunkelung für Klassenräume zur Arbeit mit Smart Boards, Breitbandanschluss, WLAN-Ausleuchtung.

Schön wäre es auch wenn die Schüler:innen eine Freistunde nicht im Regen verbringen müssten, zeigt sich Müller ironisch. Zwei Aufenthaltsräume für 350 bis 400 Jugendliche sei zu wenig. Zudem müsse der große Flur („Schulstraße“) endlich möbliert werden. „Hier sitzen die Schülerinnen und Schüler auf dem Fußboden!“

Fotos: Thomas Merkenich

Kreidezeit für Digital Natives

Mit dem städtischen Fachbereich IT habe man eine Notlösung mit LTE-Routern in der Schule installiert, um halbwegs online zu arbeiten. Das laufe ganz passabel. Aber der Zugang zum Breitband (1 Gbit/s) sei auf die Abschlussklasse und die Oberstufe begrenzt. Und zeitlich versetzt geschaltet, damit die Leitung nicht in die Knie gehe.

Die Digitalausstattung mutet fast ein wenig archaisch an, die Router sind behelfsmäßig an die Wand geklebt. Dabei sollen hier die Digital Natives ausgebildet werden: „Acht Smart Boards haben wir, komplett finanziert vom Förderverein. Seit vorgestern gibt es drei neue Smartboards, erstmals vom Schulträger bezahlt. Sonst stehen überall Kreidetafeln als zentrales Medium,“ berichtet der Schulleiter.

Müller schüttelt den Kopf: „Dabei sind wir eine zertifzierte digitale Schule, und eine der wenigen Schulen im NRW-Modellversuch für Informatik Mittelstufe.“ Ausstattung und Infrastruktur klingen aber eher wie aus der schulischen Kreidezeit.

Fotos: Thomas Merkenich

Gespräche und Proteste

Matthes und Müller wollen – einmal mehr – das Gespräch mit dem Träger suchen. Instandsetzung, Gasanschluss, neue Räume, „vielleicht geht noch was“, so die Hoffnung in Richtung Stadtverwaltung.

Gepaart mit Unverständnis: „Warum kümmert sich eine Schulbau GmbH um einen Skaterpark?“, zeigt sich Müller konsterniert. Auch das war ein Thema im Schulausschuss: Für das relativ kleine Projekt im Umfeld der Otto-Hahn-Schulen hatte die Schulbaugesellschaft noch etwas freie Kapazität, erläuterte die Stadtverwaltung.

Zu Wochenbeginn gab es am Gymnasium Herkenrath eine Schulkonferenz, „mit deutlich aufgeheizter Stimmung“, schildert Romina Matthes. Schüler- und Elternschaft seien irritiert gewesen: „Letztes Jahr Container für das AMG. Dieses Jahr ein Klassenhaus für das DBG. Und wir gehen wieder leer aus“, zitiert die Schulleiterin Kritikpunkte aus der Schülerschaft.

Die will nun selbst aktiv werden. Einige Schüler:innen des Gymmasiums saßen zuletzt bereits kopfschüttelnd im Schulbauauschuss. Nun wollen Schülervertretung und Elternpflegschaft die Bürgersprechstunde besuchen, Mails an Verantwortliche schreiben und auf Lösungen pochen.

Geplant sind zudem Protestaktionen der Schüler:innen „mit vielen Ideen“, die man zunächst aber noch „hintenan gestellt“ habe, berichtet Müller. Wie lange es ruhig bleibe, sei jedoch unklar. „Offensichtlich bekommt nur jemand etwas vom Schulträger, der am lautesten schreit“, zitiert Romina Matthes Stimmen von Eltern aus der Schulkonferenz.

Ein Rundgang durch das Schulgelände

ist Reporter und Kulturkorrespondent des Bürgerportals.

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4 Kommentare

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  1. Die sträfliche Vernachlässigung der „Schule der Zukunft“ (wunderbar!) scheint wohl nicht allein am fehlenden Geld zu liegen: Das Protokoll einer Besprechung erst mehr als 3 (drei!) Monate später an die Betroffenen zu liefern, läßt eine miserable Amtsführung vermuten. Gibt es bei so einem Versagen nicht die Möglichkeit personeller Konsequenzen? Die Geduld der Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrerinnen, Lehrer und Schulleitung ist bewundernswert.

  2. „Schüler:innen der Region auf, die beim Übergang von G8 auf G9 die Einführungsphase nicht erreichen“
    Das verstehe ich nicht.

    1. Ich nehme an, es geht um Schüler aus dem letzten regulären „G8“-Jahrgang, die die letzte Klasse der Mittelstufe wiederholen bzw. wiederholt haben und letztlich die Oberstufe nach „G9“ absolvieren.

    2. Durch den Übergang von G8 zu G9 wechseln die Schüler:innen an Gymnasien in diesem Jahr aus den Klassen 9 der Sekundarstufe I nicht in die Sekundarstufe II, sondern bleiben erstmals wieder im Klassenverband der Jahrgangsstufe 10. Damit fehlt die Stufe 11 (Einführungsphase) an den Gymnasien. Wer von der Realschule wechselt oder das Schuljahr wiederholen muss geht daher an eins der sogenannten Bündelungsgymnasien.

      Wie haben den Text angepasst.