Zu wenig Kitaplätze, und selbst die können oft nicht mehr mit Personal ausgestattet werden. Ein Problem, dass sich weiter verschärft. Foto: Thomas Merkenich

Die Zahl der Kita-Plätze in Bergisch Gladbach wächst, das Defizit schließt sich perspektivisch. Allerdings nur auf dem Papier – denn die geplanten neuen Kitas sind noch nicht fertig. Zudem wirkt sich der Fachkräftemangel noch stärker als bisher. Daher rechnet die Stadtverwaltung mit weiteren Klagen von Eltern und sieht dringenden Handlungsbedarf.

Die aktuelle Planung der Stadt Bergisch Gladbach für das Jahr 2024 /2025 weist insgesamt 4312 Kita-Plätze aus, knapp 300 mehr als noch ein Jahr zuvor. Die Zahl der benötigten Plätze geht dagegen leicht zurück. Damit müsste sich – eigentlich – das bekannte Defizite an Betreuungsplätzen erledigen, unter dem Strich fehlen im Plan über die gesamte Stadt hinweg nur noch 36 Plätze. Statt wie im Vorjahr mehr als 400.

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Eigentlich. Denn abseits des Plans gibt es vier große „aber“, die diese positive Entwicklung zunichte machen. Die Vorlage der Stadtverwaltung für die kommende Sitzung des Jugendhilfeausschusses enthält daher eine deutlich Warnung: „Die aktuelle Realität ist eine andere.“

Die Stadt kann den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz nicht für alle Altersgruppen und alle Stadtteile erfüllen und müsse daher weiterhin mit (wahrscheinlich erfolgreichen) Klagen von Eltern rechnen.

Es sind vor allem vier Sachverhalte, die die positive Entwicklung zerschießen.

Erstens gibt es in der Altersgruppe zwischen zwei und drei Jahren deutlich mehr Plätze, als voraussichtlich benötigt. Umso größer ist das Defizit bei den Kindern unter zwei Jahren (162 Plätze zu wenig) sowie über drei Jahren (62 zu wenig). Ein Hin- und Herschieben der Plätze ist nur sehr begrenzt möglich.

Zweitens verteilen sich diese Unter- und Überangebote unterschiedlich auf die Stadtteile; der Rechtsanspruch gilt jedoch für einen wohnortnahen Platz.

Drittens geht diese Planung davon aus, dass rund 320 neue Plätze in den vier geplanten Sofortkitas sowie im Ausbau der Kita Zum Frieden Gottes bereits zum Sommer zur Verfügung stehen. In der Realität sei das jedoch nicht der Fall, räumt die Vorlage ein – vier der fünf neuen Kitas sollen frühesten zwischen März und Juni 2025 in Betrieb gehen. Damit fehlen im Sommer weiterhin sehr viele Plätze – in einer Größenordnung von rund 300.

Viertens aber, und darin besteht die eigentliche Dramatik, gelingt es den Trägern der Kitaeinrichtungen immer weniger, die bestehenden Kitaplätze mit Personal auszustatten. Die Situation, so die Vorlage, spitze sich „aufgrund des eklatanten Fachkräftemangels stetig zu“. Daher könne es jederzeit passieren, vor oder nach dem Sommer, dass die Träger einzelne Gruppen abmelden und / oder die Betreuungszeiten reduzieren müssen.

Hinweis der Redaktion: Wir haben für diesen Beitrag die Vorlage für den Jugendhilfeausschuss im Ratsinformationssystem ausgewertet. Bürgermeister Frank Stein und die Beigeordneten Thore Eggert sowie Ragnar Migenda wollen Anfang kommender Woche zu den Zahlen und wohl auch zum Handlungsbedarf Stellung nehmen.

Dass sich diese Notlage entspanne, so die die Stadtverwaltung, sei „aktuell nicht abzusehen“. Hinzu kommt, dass der Fachkräftemangel voraussichtlich auch die neuen Kitas betreffen wird.

Unter dem Strich konstatiert die Verwaltung einen „dringenden Handlungsbedarf“. Zwar habe die Stadt mit dem Kita-Ausbauprogramm bereits auf die Notlage reagiert – aber in der Realität schafft das ganz offenbar noch keine Abhilfe.

Dokumentation

Die Beschlussvorlage für den Jugendhilfeausschuss im Original

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Journalist, Volkswirt und Gründer des Bürgerportals. Mail: gwatzlawek@in-gl.de.

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13 Kommentare

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  1. Leider sehen wir hier unsere seit langem schon geäußerten Befürchtungen bestätigt: bei den U2 und Ü3-Kindern gibt es ein teils gravierendes Unterangebot, bei den 2-3-jährigen hingegen ein deutliches Überangebot.

    https://www.facebook.com/share/Gv1xwfH5zmxUHZFe/?mibextid=WC7FNe

    Die Schere zwischen Über- und Unterangebot wird sich auch in Zukunft weiter öffnen, wenn hier nicht entgegengesteuert wird.

    Die Stadt muss die Träger in die Pflicht nehmen, jetzt Ü3-Plätze auszubauen, damit a) unsere Kinder in der Tagespflege eine Chance auf einen Anschlussplatz haben und b) Eltern ohne Druck ihre Wahlfreiheit ausüben und ihren Kindern bis zum dritten Lebensjahr eine bindungsorientierte Betreuung ermöglichen können.

    Es darf nicht sein, dass Kinder aus Platzdruck nach einem Jahr einen verfrühten Bindungsabbruch erleben müssen oder Kinder mit 3 keine Chance auf Kita-Platz haben.

    Einem weiteren Ausbau von für die Träger sehr lukrativen Plätzen für 2-jährige unter dem Deckmantel der Trägerfreiheit muss von städtischer Seite unbedingt entgegengesteuert werden!

    1. Eine Kindertagesstätte zu führen, egal, mit welchem Plätzen, ist für Träger gerade alles andere als lukrativ. Ihr Beitrag führt da sehr in die Irre. Das hört sich gerade so an, als würden die Träger Geld damit verdienen? Ist das so? Bereichern sich die Träger? Ich dachte immer, das sind Non Profit Geschichten.

  2. Herr Lesnik, warum komplettieren Sie Ihre Aussage nicht?
    „fast vier Millionen Menschen die als erwerbsfähig gelten aber derzeit nicht arbeiten“???
    Von derzeit ca. 3,9 Millionen arbeiten 2,2 Millionen nicht, weil diese z. B. studieren, ihre Kinder betreuen oder Angehörige pflegen!
    Somit sind lediglich rd. 1,7 Millionen arbeitslos bzw. stehen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung.

    1. Hallo Rita,
      weil sich um ca. 3,9 Millionen Menschen (großzügig aufgrundet 4 Millionen) Menschen handelt, die erwerbsfähig sind und Arbeitslosengeld/Bürgergeld beziehen. (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1396/umfrage/leistungsempfaenger-von-arbeitslosengeld-ii-jahresdurchschnittswerte/).

      Ich habe den Zusatz bewusst weggelassen, weil es mir nicht darum geht, diese Gruppe an Menschen als Sündenbock für ein kaputtes System hinzustellen sondern ich würde es begrüßen, wenn man durch ein stärkeres Umschulungsangebot die Nachfrage bedient.

      1. Ich glaube Ihnen sogar, dass Sie die KORREKTE Angabe bewusst weggelassen haben, jedoch aus NIEDEREN Motiven!
        Bürgergeldempfänger, Studierende oder Personen die Angehörige pflegen, laufen in unserer DEMOKRATIE keine Gefahr als Sündenbock dazustehen, also brauchen Sie die auch nicht schützen. Oder denken Sie da bereits weiter?
        Dann beziehen Sie doch in Ihre Sündenbock-Rechenoperation auch noch alle RENTNER:INNEN mit ein, die müssen in unserer DEMOKRATIE auch nicht arbeiten, obwohl VIELE noch könnten.
        WEHE die HÖCKE-WEIDEL-STORCH (usw.) AFD kommt an die Macht !!!

      2. Bitte bleiben Sie sachlich, Unterstellungen mit Blick auf die Motive gehören nicht dazu.

        Sinnvoll in dieser Debatte ist der Begriff der „stillen Reserve“, auch dazu eine Quelle beim Statistischen Bundesamt:

        „Im Jahr 2022 wünschten sich in Deutschland 3,0 Millionen Nichterwerbspersonen im Alter von 15 bis 74 Jahren Arbeit. (…)

        Die Personen, die trotz Arbeitswunsch nicht auf dem Arbeitsmarkt aktiv sind, lassen sich in drei Gruppen einteilen. Zur ersten Gruppe gehören Personen, die zwar Arbeit suchen, jedoch zum Beispiel aufgrund von Betreuungspflichten kurzfristig (innerhalb von zwei Wochen) keine Arbeit aufnehmen können (Stille Reserve A).

        Personen der zweiten Gruppe würden gerne arbeiten und wären auch verfügbar, suchen aber aktuell keine Arbeit, weil sie zum Beispiel glauben, keine passende Tätigkeit finden zu können (Stille Reserve B).

        Die dritte Gruppe ist die arbeitsmarktfernste. Sie umfasst Nichterwerbspersonen, die zwar weder eine Arbeit suchen noch kurzfristig verfügbar sind, aber dennoch einen generellen Arbeitswunsch äußern (Stille Reserve C).

        Im Jahr 2022 setzte sich die gesamte Stille Reserve aus knapp 1,3 Millionen Personen in Stiller Reserve A und B und weiteren gut 1,7 Millionen Personen in Stiller Reserve C zusammen.“

        https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/09/PD23_350_13.html

    2. Die Zahl der Studierenden die Bürgergeld beziehen dürfte eher vernachlässigt werden. Als Student bezieht man im Regelfall BAföG
      Bürgergeld erhält, wer dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht. D.h., auch pflegende Angehörige müssten demnach doch eine Arbeitsstelle annehmen können? Ebenso Personen, die ihre Kinder betreuen?

      1. Richtig ist, daß derjenige Bürgergeld erhalten kann, der erwerbsfähig ist, also in der Lage wäre, täglich einige Stunden zu arbeiten

      2. Hallo G. Apicella, richtig ist, daß derjenige Bürgergeld erhalten kann, der erwerbsfähig ist, also in der Lage ist, täglich einige Stunden zu arbeiten.

  3. Beim Thema Fachkräftemangel müsste man sich folgende Zahl einmal über die Lippen gehen lassen:
    In Deutschland gibt es fast vier Millionen Menschen, die als erwerbsfähig gelten aber derzeit nicht arbeiten.

    Bevor der große Shitstorm losgeht, nein ich behaupte nicht, dass alle vier Millionen Menschen dazu geeignet sind, den anstrengenden Job eines Kita-Mitarbeiters durchzuführen. Aber einige werden sich wohl finden lassen die mit entsprechender Schulung und Ausbildung diesen Beruf wahrnehmen könnten.

    Hier wäre die Arbeitsagentur gefordert, entsprechend die Nachfrage zu bedienen.

    1. Man gewinnt keine Arbeitskräfte, in dem man Arbeitssuchende aus anderen Berufen, in diesem Beruf hinein drückt. Man muss den Job auch wirklich machen wollen sonst baden ist die Kinder am Ende aus.
      Außerdem gibt es eine große Flucht von Fachkräften aus diesem Beruf in andere Berufe.
      Das einzige was hilft, ist Wertschätzung von der Gesellschaft in finanzieller und anerkennen Form.
      In Deutschland hat der Bildungsbereichkeinen besonderen Stellenwert ( ich meine nicht den Betreuungsbereich, weil der hat einen hohen Stellenwert, Fachkräfte sind aber Bildungspädagogen und keine Betreuerinnen) , weder in der Darstellung der Medien noch in der Kenntnis der Mitbürger (häufig zu erkennen, an Kommentaren und Lösungsvorschlägen)
      Viele der politischen Miseren in unserem Land sind auf eine katastrophale Bildungspolitik zurückzuführen.
      Das möchte allerdings kaum jemand wahrhaben. Und die Kinder können ja nicht ausreichend argumentieren. Und auf die Fachkräfte hört keiner.
      Was noch gar nicht diskutiert wird, ist die katastrophale Refinanzierung der Leistungen, die die Träger erbringen müssen. Diese sind fast ausschließlich non Profit Unternehmen. Die Finanzierung ist aber im Moment alles andere als auskömmlich. Wenn die wackeligen finanziellen Konstrukte, die sich die Träger gerade bauen müssen, weil weder Land nach Bund sich verantwortlich fühlen, zusammenbrechen, wird es zu noch mehr Notstand kommen. Aber auch da wird wieder erst geschrien und gejammert, wenn es soweit ist. Das kennt man im Bereich Kita zu genüge.

  4. Es ist tragisch und unverantwortlich, dass es in Bergisch Gladbach Kinder gibt, die 4 1/2 Jahre alt sind und noch immer keinen Kitaplatz bekommen haben, obwohl der Kinderarzt eine Bescheinigung ausgestellt hat, dass das Kind aus gesundheitlichen Gründen dringend einen benötigt.
    Das Problem setzt sich dann in den Grundschulen fort. Da muss man sich nicht wundern, dass immer mehr Schulbegleiter benötigt werden. So entsteht eine negative Kettenreaktion, die vermeidbar gewesen wäre. Ausbaden müssen es dann primär die Kinder und sekundär die Eltern.